Darüber diskutieren:
Max Lucks, MdB Bündnis 90/ Die Grünen, Mitglied im auswärtigen Ausschuss
Lydia Wachs, Expertin für Sicherheitspolitik und Proliferation in Osteuropa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP
Florian Eblenkamp, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen
Neues nukleares Wettrüsten
Nukleare Vernichtung als reale Gefahr? Fast alle Atommächte rüsten aktuell ihre Arsenale mit nuklearer Waffentechnologie auf. © picture alliance / Zoonar / VASYLIEVA OLENA
Wie ein Atomkrieg verhindert werden kann
52:53 Minuten
Russland und Nordkorea drohen offen mit Kernwaffen. Fast alle Nuklearmächte rüsten auf. Der Iran strebt nach der Bombe. Lange schien es fast ausgeschlossen - droht jetzt ein atomarer Konflikt? Denkt in dieser Lage überhaupt noch jemand an Abrüstung?
Die Bedrohung durch "nukleare Vernichtung" sei eine reale Gefahr, mit der sich die Welt konfrontiert sieht. Eine so große Gefahr, "wie es sie seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges nicht mehr gegeben" habe, warnte in dieser Woche UN-Generalsekretär António Guterres in New York. Und er ist nicht der Einzige, der das so sieht. Das zeigte sich bei den Reden anlässlich der Eröffnung der Überprüfungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag von 1970. Mit ihm haben sich 191 Staaten verständigt, dass Kernwaffen nicht weiter verbreitet werden dürfen und die Atommächte sich zur nuklearen Abrüstung verpflichtet.
Einen Fehler von nuklearer Vernichtung entfernt
Die Konferenz in New York findet vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und "gefährlicher atomarer Rhetorik" statt, die Vertreterinnen und Vertreter westlicher Staaten dem russischen Präsidenten Putin vorwerfen. Die aktuellen geopolitischen Spannungen in mehreren Teilen der Welt hätten das Potenzial "in einen nuklearen Konflikt" überzugehen, mahnte Guterres: "Heute ist die Menschheit nur eine Fehlkalkulation von der nuklearen Vernichtung entfernt."
Es wachsen zudem die Befürchtungen, dass der sogenannte Atom-Deal mit dem Iran endgültig vor dem Aus steht. Nach längerem Stillstand scheint zuletzt zwar in die Verhandlungen wieder Bewegung gekommen zu sein. Scheitern sie aber dennoch, würde das bedeuten, dass der Iran binnen Kurzem zum zehnten Staat werden könnte, der über atomare militärische Fähigkeiten verfügt. Das würde den ohnehin instabilen Nahen und Mittleren Osten weiter destabilisieren.
Mit atomarer Aufrüstung Nuklearkrieg verhindern?
Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Nichtregierungsorganisationen fordern, dass Rüstungskontrolle und Abrüstung endlich (wieder) ernsthaft vorangetrieben werden müssten, um das Risiko einer nuklearen Konfrontation zu verringern. Tatsache ist aber, dass im Gegenteil fast alle Atommächte aktuell ihre Arsenale mit nuklearer Waffentechnologie modernisieren und aufrüsten. Global gesehen liegen 13.000 Atomsprengköpfe in den Depots.
Für Deutschland und Europa ergibt sich aus dieser Gemengelage die Frage: Braucht die EU schlussendlich eigene atomare Fähigkeiten? Oder reicht (noch) der abschreckende Schutz durch amerikanische Atombomben, die in einigen EU-Ländern stationiert sind? Oder sollten die Amerikaner besser ihre Atomwaffen abziehen? Und wie realitätstauglich ist es, die Vision einer atomwaffenfreien Welt weiter zu verfolgen? Verhindert letzlich nur gegenseitige wirksame Abschreckung einen Atomkrieg?
(AnRi)