Der Einfluss der AfD auf die Minderheitenpolitik
Die AfD schießt gegen Minderheiten. Lassen sich die Parteien im Bundestag davon wirklich nicht beeindrucken? Korrespondent Stefan Maas fragt nach, welchen Einfluss die AfD durch Wahlerfolge und Debatten schon jetzt auf die Minderheitenpolitik in Deutschland hat.
"Liebe Kolleginnen und Kollegen, willkommen in der Bundespressekonferenz …"
Es ist der 14. März. Der Tag nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Ein Tag mit einer Premiere. Zum ersten Mal haben AfD-Politiker vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz platzgenommen. Dort reden darf nur, wer von der Hauptstadtpresse eingeladen wurde.
"Ich habe immer deutlich gesagt, dass wir die Opposition sind, die die Republik endlich verändert aus der Opposition heraus."
Es ist nicht das erste Mal, dass der stellvertretende Parteichef Alexander Gauland diesen Satz sagt, doch angesichts der Wahlerfolge und der aktuellen Umfragewerte klingt er in den Ohren von Politikern der anderen Parteien umso bedrohlicher. Vor allem Horst Seehofer ist alarmiert:
"Es geht schon um den Bestand der Union."
Warnt der CSU-Chef schon länger und drängt die Kanzlerin, in der Flüchtlingspolitik einen schärferen Kurs einzuschlagen, damit die AfD der Union nicht weiter Wähler abjagt. Die lehnt das zwar offiziell ab, die Große Koalition reagiert aber dennoch, sagt Britta Haßelmann, die erste parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen Bundestagsfraktion.
"Das sieht man natürlich an der Flüchtlingspolitik oder an der Verschärfung im Asylpaket II, die dann durch Union und SPD vollzogen sind."
Die Große Koalition reagiere – wie andere Regierungen vor ihr - nicht unbedingt mit einer schärferen Politik auf die neue politische Konkurrenz, sondern vielmehr mit einer schärferen Rhetorik, analysiert der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer, der früher an der Freien Universität in Berlin gelehrt hat. Betrachte man Leistungen für und Erwartungen an Flüchtlinge, unterschieden die sich im Grundsatz nicht sehr von sonstigen Empfängern sozialer Leistungen.
"Aber anders als bei den anderen, wo es immer erst einmal hieß: Wir wollen die fördern, aber auch fordern, heißt es jetzt: Nein, wir wollen fordern, und dann fördern wir auch."
CDU gegen einen konservativen Kursschwenk
Könnte es der AfD aber gelingen, die Regierung in anderen Fragen vor sich herzutreiben? Besonders dann, wenn sie im kommenden Jahr den Sprung in den Bundestag schafft? In gesellschaftspolitischen Fragen etwa? Da wünscht sich die Alternative für Deutschland eine Stärkung des traditionellen Familienbildes und warnt davor, alternative Lebensentwürfe zur gesellschaftlichen Normalität zu erklären. Britta Haßelmann bezweifelt das.
"Die Menschen empfinden das als so normal, dass wir Gleichstellung durchgesetzt haben, dass wir Gleichstellung von Frauen, von Minderheiten, von Homosexuellen durchgesetzt haben."
Ein Zurück wird es in diesen Fragen also eher nicht geben. Aber wie sieht es mit einem weiteren Vorwärts aus? Denn gerade in der Union gibt es viele, die den Kurs von Angela Merkel, die nach und nach alle konservativen Positionen abgeräumt hat, nur murrend mitgetragen haben.
"Es gibt zwei Bewegungen."
Sagt Stefan Kaufmann, CDU-Abgeordneter aus Baden-Württemberg.
"Es gibt natürlich diejenigen in der Union, die sich als konservativ definieren, die sich jetzt durch die Erfolge der AfD ein Stück weit gestärkt sehen und die jetzt natürlich auch eine konservative Wende oder zumindest eine konservative Neubesinnung fordern."
Andererseits, sagt auch Politikwissenschaftler Gero Neugebauer, müsse die CDU auch in der Mitte anschlussfähig bleiben. Dass sie mit einer konservativen Rolle rückwärts im Zweifel mehr Wähler in der Mitte verliert als im konservativen oder sogar rechten Lager gewinnt, sieht auch die Parteispitze so und hat sich am Wochenende gegen einen konservativen Kursschwenk ausgesprochen.
"Die Modernisierung in der CDU ist nicht aufzuhalten. Die CDU kann gar nicht anders."
Ebenso wie der CDU-Politiker Kaufmann ist der Politikwissenschaftler überzeugt, die Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare und auch das volle Adoptionsrecht, zu denen sich die Union in dieser Legislaturperiode noch nicht durchringen konnte, werden kommen. Was aber ist mit Themen, die keine so große Aufmerksamkeit genießen oder nur sehr kleine Gruppen betreffen? Eine liberale Drogenpolitik zum Beispiel? Oder: Die Rehabilitierung derjenigen, die in der jungen Bundesrepublik unter dem Schwulenparagrafen 175 verurteilt wurden.
Gesellschaft differenziert sich immer weiter aus
"Da geht es gar nicht darum, ob man das richtig findet, sondern darum wie prominent man solche Themen man in der Öffentlichkeit platziert."
Sagt Stefan Kaufmann. Dabei spiele die AfD keine Rolle. Eher die Frage…
"Wo ist der Mehrwert für uns als Union, wenn wir uns jetzt so ein Thema auf die Fahnen schreiben. Und insofern auch eine Tendenz besteht, solche Themen nach hinten zu schieben."
Hinzu kommt: Die CDU ist eine Volkspartei, argumentiert Kaufmann.
"Und es ist nicht unsere Aufgabe, ständig Themen, die kleinere Teile der Gesellschaft betreffen, prominent im Vordergrund zu diskutieren."
Politikwissenschaftler Gero Neugebauer gibt zu bedenken: Bei einer Gesellschaft, die sich immer weiter ausdifferenziert, wird es langfristig aber auch immer schwieriger, Themen als Mehrheitsthemen auszumachen.