Meinung

Wie Finanzinvestoren unser Gesundheitssystem plündern

04:35 Minuten
Börsianer spiegelt sich in einem Bildschirm, der mann betrachtet die Grafik eines Börsenkurses
Private-Equity-Firmen haben Pflegeheime und Arztpraxen schon seit einigen Jahren auf ihren Einkaufslisten. © picture alliance / Westend61 / Andrew Brookes
Ein Kommentar von Aurora Li · 05.07.2024
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Eine Ursache für Krankenhäuser mit Unterbesetzung, Kosten- und Zeitdruck ist die zunehmende Privatisierung des Gesundheitssystems. Finanzinvestoren geht es primär nicht um das Patientenwohl, sondern um den Profit. Hier muss der Gesetzgeber eingreifen.
Finanzinvestoren sind immer auf der Suche nach gewinnbringenden Anlagen. In einer Gesellschaft, die immer älter wird, haben sie ein lukratives Geschäftsfeld gefunden: Pflege und Gesundheit. Der Bedarf an Gesundheitsversorgung wächst. Die Finanzierung des Gesundheitssystems ist durch Krankenkassen abgesichert. Da ist die Rechnung ganz einfach: Wo der Bedarf wächst und die Finanzierung gesichert ist, liegt ein sicheres Geschäftsmodell.
Gleichzeitig sucht die Politik händeringend nach privatem Kapital, für notwendige Investitionen in Gesundheit und Pflege. Doch nicht alle Investoren leisten einen Beitrag zum Gesundheitssystem, der langfristig nachhaltig ist. Im Gegenteil! Es besteht die Gefahr, dass Patienten den Preis zahlen, wenn Gelder vor allem im Sinn der kurzfristigen Gewinnmaximierung aus dem Gesundheitsbereich zu Investoren abfließen – denn die Erfahrung zeigt, dass darunter häufig die Qualität der Versorgung leidet.

Investoren arbeiten mit Finanztricks - zu Lasten des Staates

Private-Equity-Firmen haben Pflegeheime und Arztpraxen schon seit einigen Jahren auf ihren Einkaufslisten. Diese Investoren bündeln das Geld ihrer Anleger, meist von Pensionsfonds, und kaufen sich mithilfe von hohen Krediten in besonders lukrative Wirtschaftszweige ein. Dabei versprechen sie ihren Anlegern jährliche Renditen von zwanzig Prozent – was meist weit über dem liegt, was mit normalen wirtschaftlichen Mitteln zu erzielen ist. Deshalb müssen Private-Equity-Firmen Finanztricks anwenden.
Zum einem steigern Private-Equity-Firmen mithilfe von Krediten ihre Eigenkapitalrendite. Zum anderen bürden sie die Kreditlast den von ihnen aufgekauften Firmen auf – auf Kosten der Unternehmen, die dadurch plötzlich hochverschuldet sind. Wertvolle Vermögenswerte, wie der Immobilienbesitz, werden nach dem Aufkauf direkt aus dem Unternehmen herausgelöst. Gewinne werden über Gewinnverschiebungen und Steuervermeidungsstrategien direkt zu den Investoren transferiert, anstatt sie zu versteuern.
In der Regel stößt der Finanzinvestor das gekaufte Unternehmen nach fünf bis zehn Jahren wieder ab, entweder durch Verkauf oder einen Börsengang. Dann wollen nämlich auch die Anleger ihre Rendite ausgezahlt bekommen. Der Zyklus solcher Investoren ist ein auf kurzfristige Profite ausgelegtes Geschäftsmodell, das darauf beruht, ursprünglich gesunde Unternehmen mithilfe eines „ungesunden“ Geschäftsmodells auszupressen – zu Lasten der Patientinnen, der Belegschaft und der Gesundheitsversorgung.

Dem Private-Equity-Kaufrausch etwas entgegenstellen

Klar ist: Investitionen in die Pflege- und Gesundheitsbranche muss es geben, der Bedarf ist groß. Doch interessierte Finanzinvestoren müssen sich Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel: Wer profitiert wirklich von dem Geld, das wir jeden Monat in unser Gesundheitssystem stecken? Wie können wir sicherstellen, dass unser Geld dort landet, wo es hingehört – bei den Patienten und Pflegebedürftigen, und nicht in Steueroasen?
Will man dem Private-Equity-Kaufrausch etwas entgegenstellen, braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen – damit private Investitionen im Gesundheitssystem der Gesellschaft dienen und in diesen Sektoren verbleiben. Einige Praktiken müssen überdacht werden – zum Beispiel die, dass Investoren kaum mit ihrem eigenen Geld für das Geschäftsmodell haften, dass sie Unternehmen aufzwingen. Praktiken, mit denen Private-Equity-Firmen Gewinne am Fiskus vorbei aus dem Gesundheits- und Pflegebereich ziehen, müssen vom Gesetzgeber abgestellt werden.

Debatte über Finanzierung des Gesundheitswesens nötig

Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, wo und wie in das Gesundheitswesen investiert werden soll – und wo klare Grenzen gezogen werden. Solange Investitionen in diesen Grenzen getätigt werden, können sich verschiedene Akteure daran beteiligen. Ob die Private-Equity-Firmen dann noch Interesse hätten, ist fraglich. Die Antwort darauf könnte entscheidend sein für die Zukunft der Gesundheitsversorgung in unserer alternden Gesellschaft.

Aurora Li hat Volkswirtschaftslehre und Soziologie studiert. Anschließend war sie Trainee bei der Europäischen Zentralbank (EZB) im Bereich Finanzregulierung. Bei der Bürgerbewegung Finanzwende arbeitet sie an Themen rund um Banken und Finanzstabilität.

Foto einer jüngeren schwarzhaarigen Frau, die in die Kamera blickt und die Haare nach hinten gebunden hat
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