Wie Firmen den Spieltrieb ausnützen

Rüdiger Zarnekow im Gespräch mit André Hatting |
Das Ziel von so genannten Gamification-Konzepten in Unternehmen ist es, die täglichen Arbeitsläufe interessanter und abwechslungsreicher zu gestalten, sagt der Wirtschaftsinformatiker Rüdiger Zarnekow. Dazu werden online Ranglisten geführt, Gruppenaufgaben angeboten oder Punkte vergeben.
André Hatting: Ab heute ist wieder das große Daddeln angesagt, in Köln beginnt die gamescom, Europas größte und wichtigste Messe für Computer- und Konsolenspiele. Das ist nicht jedermanns Sache, schon klar, aber die Grundlage dieser Spiele, die vielleicht schon eher. Denn die peppt längst unseren Alltag auf, steigert die Laune, im besten Fall sogar die Motivation. "Gamification" heißt das. Philip Banse erklärt, was genau damit gemeint ist und warum dieser Trend so enorm erfolgreich ist.

Beitrag: Eklärstück von Philip Banse (Audio)

Hatting: Etwas komplexer ist dagegen, wie Firmen den Spieltrieb ausnutzen, und zwar für ihre eigenen Angestellten. Ein Softwareunternehmen hat zum Beispiel vor Jahren ein Computer-Golfspiel entwickelt. Kundenanfragen wurden dann als Golfball an den jeweiligen Mitarbeiter weitergeleitet, und siehe da, das Ergebnis ist, die Anfragen wurden schneller beantwortet. Andere Unternehmen vergeben zum Beispiel Bonuspunkte für Beiträge ihrer Mitarbeiter auf der Intranetseite. Gamification in Unternehmen, das ist ein Spezialgebiet von Professor Rüdiger Zarnekow von der TU Berlin. Guten Morgen, Herr Zarnekow!

Rüdiger Zarnekow: Ja, guten Morgen!

Hatting: Welche Vorteile hat denn das genau für die Unternehmen?

Zarnekow: Ja, Gamification spricht ja bei den Mitarbeitern eine ganz andere Ebene an als die klassischen Motivationskonzepte in Unternehmen. Es geht ja klassischerweise sehr stark um sogenannte extrinsische Motivationsfaktoren, das heißt, es geht um Vergütungsthemen, es geht vielleicht um die Erreichung von Zielen, die der Chef einem vorgegeben hat.

Und Gamification setzt hier an einer ganz anderen Stelle an, nämlich eher bei der intrinsischen Motivation. Das heißt, man versucht den Mitarbeitern Anerkennung und Reputation zukommen zu lassen, ihre Zufriedenheit zu steigern, die soziale Interaktion zwischen Mitarbeitern in den Vordergrund zu stellen. Und man weiß aus der Forschung, dass insbesondere diese intrinsischen Motivationsfaktoren auch sehr langfristig wirken. Während also beispielsweise ein Bonus, den man vielleicht am Jahresende bekommt, einen kurzfristig motiviert, aber relativ schnell ein Gewöhnungseffekt eintritt, ist das bei diesen intrinsischen Motivationsfaktoren wesentlich weniger der Fall.

Hatting: Würden die Angestellten auch leichter lernen durch Gamification? Also beispielsweise, es wird ein neues Programm eingeführt. Jetzt gibt es ja die Möglichkeit des Fortbildungsseminars – hm – in der Regel langweilig. Es gäbe ja auch die Möglichkeit, das anders zu lösen.

Zarnekow: Genau. Das ist ja eines der großen Ziele von Gamification-Konzepten. Man möchte die Softwaresysteme, die Anwendungen, mit denen die Mitarbeiter dort in ihren täglichen Arbeitsabläufen arbeiten, interessanter, unterhaltsamer gestalten, indem ich beispielsweise Punkte vergebe, Ranglisten führe, gemeinsame Gruppenaufgaben mit meinen Kollegen zusammen löse. Vielleicht sogar mit einem Avatar, also einer virtuellen Spielfigur dort interagieren kann und so weiter. Und man weiß ja auch aus der Spieleforschung, dass gerade solche Konzepte Spaß machen in der Regel und dann vielleicht auch in der Lage sind, den manchmal etwas langweiligen Arbeitsalltag etwas aufzupeppen.

Hatting: Hat ein Unternehmen auch den Vorteil, dass es schneller an Daten der Mitarbeiter herankommt, ohne dass der das vielleicht so genau merkt?

Zarnekow: Das kann man natürlich nicht ausschließen, und da ist dann auch irgendwo natürlich eine Grenze, die man sehr genau beobachten muss, gerade wenn man sich nun mit der Überwachung vielleicht von Mitarbeitern, mit der Erfassung von Leistungen beschäftigt. Das kann ja auch durchaus heikel sein.

Darum ist es in Unternehmen in der Regel immer so, dass zum Beispiel der Betriebsrat bei solchen Gamification-Konzepten in der Regel eingeschaltet werden muss, weil man kann Leistungen der Mitarbeiter erfassen, man kann ihre Daten erfassen. Und es kann ja auch sein, dass es vielleicht für die Top-Ten-Mitarbeiter in einer Rangliste natürlich besonders schön ist, dass sie dort erscheinen, aber was ist zum Beispiel mit den Mitarbeitern, die am Ende der Rangliste oder irgendwo im Mittelfeld landen?

Hatting: Vielleicht blendet man dann einfach nur einen Teil der Rangliste ein und sieht immer nur, wer vor einem steht und wer nach einem kommt.

Zarnekow: Genau, das ist dann eine Lösung, die man häufig findet. Man sieht halt nur die fünf Personen, die über oder unter einem stehen, und kann aber jetzt nicht sehen, welche Position dort vielleicht der Führende einnimmt.

Hatting: Herr Zarnekow, eignet sich Gamification eigentlich für jedes Unternehmen?

Zarnekow: Grundsätzlich glaube ich schon. Aber natürlich muss man sagen, dass es auch ein Stück weit eine Kulturfrage ist. Natürlich sprechen solche Gamification-Konzepte insbesondere auch jüngere Mitarbeiter an, die gerne sich beispielsweise auch im Internet bewegen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind.

Hatting: Also eher die Jüngeren …

Zarnekow: Ja, eher die Jüngeren und auch Unternehmen, die durchaus eher eine offenere Unternehmenskultur pflegen. Dort, glaube ich, kann man Gamification-Konzepte am sinnvollsten realisieren.

Hatting: Sehen Sie noch weitere Grenzen, zum Beispiel, was die Motivation betrifft?

Zarnekow: Was meinen Sie mit weiteren Grenzen?

Hatting: Na ja, man könnte sich ja überlegen, ob Gamification nur eine vorhandene Motivation steigert, aber auf der anderen Seite keine neue Motivation schafft.

Zarnekow: Ja, das ist schwierig, dort, glaube ich, eine klare Grenze zu ziehen. Wir wissen aus der Spieleforschung, aus der Computerspieleforschung, dass man sehr lang und nachhaltig solche Motivationssteigerungen erzielen kann und dass auch andere Ebenen der Motivation angesprochen werden. Ob ganz neuartige Motivationen geschaffen werden können, das glaube ich wahrscheinlich eher nicht.

Hatting: Rüdiger Zarnekow, Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsmanagement an der TU Berlin. Vielen Dank für das Gespräch!

Zarnekow: Ja, danke auch. Wiederhören!

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