"Artists & Agents: Performancekunst und Geheimdienste"
26. Oktober 2019 bis 22. März 2020
Hartware MedienKunstVerein, Leonie-Reygers-Terrasse, Dortmund
Mit zersetzender Kreativität
08:40 Minuten
Performance-Kunst ist gefährlich, anarchisch, westlich: Das war der Konsens in vielen Ostblock-Ländern während des Kalten Kriegs. Wie intensiv Geheimdienste Künstler überwachten, zeigt eine Ausstellung in Dortmund.
Die Angst vor der Performance-Kunst im Ostblock war so groß, dass die Geheimdienste sich teilweise intensiver mit den Kunstprojekten und der Theorie dahinter befasst haben, als die Künstlerinnen und Künstler selbst.
So wollte die Stasi in der DDR die Kunstszene unterwandern, hat sich Gegenaktionen ausgedacht und Spitzel-Agenten in Künstlergruppen eingeschleust: "Wir nennen das zersetzende Kreativität", sagt Sylvia Sasse, Professorin am Slavischen Seminar der Uni Zürich. Sie kuratiert eine aktuelle Ausstellung im Dortmunder Hartware Medienkunst Verein, die sich mit dem Verhältnis zwischen Geheimdiensten und Performance-Kunst befasst.
Die Geheimdienstnarrative reichen bis in die Gegenwart
Warum repressive Staaten so viel Angst vor Kunst hatten, erklärt Sasse so: "Vor dieser Unvorhersehbarkeit hat man sich gefürchtet." Umso genauer versuchte die Stasi, das Geschehene zu verstehen: Die Spitzel lasen die Literatur aus dem Westen, schrieben Berichte und erstellten eigene Theorien über Happenings und Aktionskunst: "Wir waren überrascht, wie intensiv man sich mit einer doch sehr harmlosen Kunstform beschäftigt hat", sagt Sasse.
Die Ausstellung in Dortmund fragt auch nach dem aktuellen Verhältnis von Kunst und Geheimdiensten, wie zum Beispiel dem Verfahren gegen das "Zentrum für politische Schönheit". Auch in Polen oder Ungarn finden sich genug Fälle, in denen Kunst kriminalisiert wird. Noch heute werde dort Künstlerinnen und Künstlern unterstellt, dass sie vom Westen bezahlt seien: "Das ist ein altes Geheimdienstnarrativ. Da setzen sich Sachen fort, die man aus dem Kalten Krieg kennt, aber unter anderen Voraussetzungen", sagt Sasse.
(sed)