Zurück auf Los

Wie gelingt ein Neuanfang?

Illustration eines Mannes, der eine rote Wand weiß überstreicht.
Einen Plan zu haben, hilft ungemein: Ein Neuanfang ist immer auch eine Herausforderung. © Getty Images / Klaus Vedfelt
Am Anfang steht die Erkenntnis: Hier wollte ich nicht hin. Vielleicht weil das eigene Leben nicht mehr passt. Vielleicht aber auch, weil das Schicksal alles über den Haufen wirft. Wie umgehen mit Veränderung? Impulse für einen Neustart.
Manchmal ist “Weiter so” einfach keine Option. Etwa, wenn das eigene Leben zwickt und kneift wie eine zu enge Hose. Dann ist eines Tages dieser Wunsch nach Veränderung da. Es gibt aber auch Momente im Leben, da entscheidet das Schicksal. Plötzlich ist der Weg, den man sich so schön ausgemalt hatte, für immer versperrt.
Die Psychologie kennt solche Einschnitte oder Schicksalsschläge als "kritisches Lebensereignis". Dazu zählen zum Beispiel der plötzliche Verlust des Partners oder des Jobs. Auch ein Umzug kann ein solches kritisches Lebensereignis sein. Oder der Übergang von einer Phase des Lebens in eine andere, verbunden mit neuen Rollen und Anforderungen.
Ein Schulwechsel, eine Krankheit oder die Scheidung der Eltern - dies alles sind mögliche Auslöser für tiefe Krisen, die das Potenzial haben, einen Menschen aus der Bahn zu werfen. Nicht selten entwickeln sich in solchen Momenten etwa Süchte oder Depressionen. Krisen können aber auch Wandel und Entwicklung bedeuten. Nur, wie?

Alles beginnt mit Klarheit

Pernille Behnke ist gebürtige Dänin und arbeitet als systemischer Coach mit Menschen, die sich verändern wollen oder mit Herausforderungen kämpfen. Sie hat selbst bereits einige Neuanfänge gewagt.
Von der Banken- bzw. Immobilienbranche ist sie über das Ehrenamt ins Coaching gewechselt. Am Anfang stehe immer die Klarheit, sagt sie. Darüber, was ist und was sein soll.

In vier Schritten zum Neuanfang nach Pernille Behnke:

  • Klarheit verschaffen
  • Muster erkennen
  • Veränderung herbeiführen
  • Reflektieren und neu justieren

Das gelte für freiwillige Veränderungen genauso wie für Veränderungen von außen. Beide hätten eine Erkenntnis gemeinsam: Da, wo ich bin, wollte ich nicht hin.
Grundsätzlich habe der Mensch immer zwei Möglichkeiten mit einer solchen Erkenntnis umzugehen, sagt Behnke. "Ich kann sagen: Ich finde es ganz grauenhaft; und mich vergraben. Oder ich kann sagen: Okay, das ist jetzt so."

Neuanfang: Valentina flieht aus Syrien
Valentina ist Ärztin und hat als Gynäkologin in Syrien gearbeitet. Sie war Teil der Opposition gegen Assad und hat verletzte Demonstranten versorgt. Sie musste mit ihrem Mann und ihrer Tochter fliehen. Zunächst in die Türkei. 2016 kam sie nach Deutschland. Von ihrem Mann war sie inzwischen geschieden. Sie musste eine neue Sprache lernen und arbeitet heute wieder als Ärztin. Aber sie hat auch Heimweh.

Gerade bei schmerzhaften Veränderungen rät Behnke, zunächst die Trauer darüber zuzulassen und so lange wie nötig zu empfinden. "Sobald der Zeitpunkt gekommen ist: Mit kleinen Schritten anfangen."
Das bedeutet, keine zu hohen Erwartungen an sich selbst zu stellen und mit behutsamen Fragen der inneren Klarheit näherzukommen. Das können Fragen sein wie: Was tut mir jetzt gerade gut? Was brauche ich? Aber auch: Was will ich denn? Und: Was hindert mich?
Das könne alles Mögliche sein, sagt Pernille Behnke. Angst zum Beispiel. Oder auch finanzielle Vorbehalte.

Neuanfang: Mathias geht in die Wildnis
Mathias ist aus einer deutschen Großstadt in die finnische Wildnis gezogen. Dort wohnt er jetzt in einem Holzhaus ohne fließendes Wasser, aber mit Sauna. Im Garten baut er sein eigenes Gemüse an. Sein neues Leben hat ihm viel Freiheit und Unabhängigkeit gegeben. Trotzdem ist er kein klassischer Aussteiger, wie er sagt. Es sei ihm wichtig, mit den Menschen um ihn herum in Kontakt zu sein. Er hat Finnisch gelernt und arbeitet in einer Schule für Menschen mit Behinderung.

Eigene Muster erkennen

Wichtig im Prozess der Veränderung sei es zudem, eigene Glaubenssätze und Muster zu hinterfragen. "Glaubenssätze sind Überzeugungen, die wir unterbewusst mit uns herumtragen, die in der Kindheit geprägt werden und die unser gesamtes Denken und Handeln und unsere Entscheidungen beeinflussen", erklärt Pernille Behnke.
Man könne üben, sich zu fragen: Was genau läuft da gerade in mir ab? "In dem Moment, wo ich merke, ich bin dabei, wieder ein altes Muster auszupacken, kann ich mich anders entscheiden."

Neuanfang: Hartmut ist jetzt Sterbebegleiter
Hartmut macht 42 Jahre lang Dokumentar- und Spielfilme. Er reist um die Welt und ist trotzdem eines Tages gelangweilt. Dann kommt Corona und Menschen können einander nicht besuchen, selbst wenn der Tod bevorsteht. Das berührt Hartmut sehr und er entschließt sich, Sterbebegleiter zu werden.

Die Betonung liegt hierbei auf "üben". Pernille Behnke sagt, Veränderung entstehe nicht über Nacht, sie sei ein Prozess. Prozesse erforderten Geduld. "Mir fällt immer wieder auf, wie wenig liebevoll und wenig gütig wir auf uns selber schauen. Oft sind wir mit uns selber ganz hart."

Veränderung herbeiführen: In kleinen Schritten

Dazu gehöre auch, sich nicht zu überfordern. Zum Beispiel in puncto Ordnung schaffen: Statt direkt den ganzen Berg zu besteigen, sei es ratsamer, in kleinen Schritten zu gehen: Lieber jeden Tag ein bisschen machen und kleine Erfolge feiern, als vor dem großen Berg zu kapitulieren.

Tipps von Pernille Behnke

  • Nimm dir Zeit
  • Mach kleine Schritte
  • Besinne dich auf deine Stärken

Schlüssel zum Erfolg: Nachjustieren

Was, wenn es mir hinterher nicht gefällt? Gerade vor großen Entscheidungen wie etwa dem Umzug in ein anderes Land, wiegen Ängste schwer. Pernille Behnke sagt, ein wichtiger Schlüssel für erfolgreiche Veränderungen sei es, zu reflektieren und gegebenenfalls neu zu justieren.

Angst dient uns, indem sie uns hilft, vorsichtiger zu sein und keine überstürzten Entscheidungen zu treffen.

Pernille Behnke

"Es gibt immer die Möglichkeit, etwas zu verändern. Wenn es sich nicht gut anfühlt, dann verändern wir wieder etwas." Außerdem, so Behnke, schließen sich Mut und Angst nicht aus. Angst sei erst mal sinnvoll. Aber: Man könne Angst haben und trotzdem etwas tun.

(luc)
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