Wie ich in die Geschichte einging
Wie wir wurden, was wir sind, sollen wir jetzt selbst erzählen: Ein "Jahrhundertbus" fährt durch Deutschland, auf der Suche nach Zeugen, die ihre Geschichten erzählen, vom Alltag in der Nachkriegszeit, von Trennung in Mauerzeiten und dem Zusammenwachsen danach. Gerd Brendel hat den Bus bestiegen.
"Gedächtnis der Nation" heißt das Projekt, das der Historiker Guido Knopp und der Journalist Hans Ulrich Jörges mit vielfältigster Unterstützung ins Leben gerufen haben.
"Das Gedächtnis der Nation", dessen Teil ich mich anschicke zu werden, steht neben der Berliner Kaiser-Wilhelm Gedächtnis Kirche und ist ein umfunktionierter Lastwagen. Der Regen prasselt und lässt die großen Porträtfotos außen am Laderaum weinen. Auf der einen Seite schaut eine alte Frau aus dem Halbschatten ins Leere, auf der anderen ein junges Gesicht.
Ich liege mit Ende 40 irgendwo dazwischen. Und darf trotzdem dazugehören: "Sie aus, wie jemand der was zu erzählen hat", hatte mich am Vortag ein jovialer Cordanzugsträger begrüßt und dann an seinen Kollegen zwecks Terminabsprache verwiesen. "Redakteur" steht auf der Visitenkarte. Jetzt stehe ich vorm Gedächtniswagen und warte auf Einlass. Mein Kontaktmann klettert aus dem Fahrerhäuschen notiert sich Name, Jahrgang und reicht mir eine halbseitige Einverständniserklärung – "nicht gewerbliche, wie gewerbliche Nutzung" lese ich, und vor meinem geistigen Auge taucht kurz Guido Knopp auf, wie er meine Erinnerungen in Geldberge verwandelt.
Aber das milde Lächeln meines Redakteurs zerstreut alle Bedenken und ich unterschreibe. Kurze Absprache des Themas: "DDR aus BRD-Sicht. Dann geht es rein ins Erinnerungsmobil: Innen ist alles schwarz. Wir sitzen gegenüber. Der Kameramann steckt mir ein Mikro an und pudert mein Gesicht. Der Hinweis: "Nicht in die Kamera schauen" erübrigt sich: Zu teilnahmsvoll-aufmunternd blickt mein Gesprächspartner.
Das Gespräch beginnt: Wie war das? Wann war das? Woran erinnern Sie sich? Eine W-Frage nach dem anderen liest mein Gegenüber ab: Ich erzähle von den Fahrten über die Transitautobahn, von der beklemmenden Stimmung bei den Grenzkontrollen von West nach Ost nach West nach Ost. "Das Private ist das politische" denke ich, während ich versuche Familienerinnerungen in Archiv-Geschichten zu gießen, die es verdient haben vom nationalen Gedächtnis bewahrt zu werden. Irgendwann landen wir bei meinem Vater, der als Jugendlicher begeisterter Nazi war und mir 40 Jahre später zu meiner Kriegsdienstverweigerung ein bewegendes Zeugnis für die Spruchkammer ausstellte. Mein Fragesteller lässt seinen Spickzettel sein und hört nur noch zu.
Dann ist die halbe Stunde um. Mein Interviewer schüttelt mir die Hand. "Gerade als es interessant wurde", bedauert er. Draußen regnet es immer noch. Was wohl mein Vater dem "Gedächtnis der Nation" erzählt hätte? Die Fernsehschminke läuft mir übers Gesicht, - Regen - wirklich nur Regen.
"Das Gedächtnis der Nation", dessen Teil ich mich anschicke zu werden, steht neben der Berliner Kaiser-Wilhelm Gedächtnis Kirche und ist ein umfunktionierter Lastwagen. Der Regen prasselt und lässt die großen Porträtfotos außen am Laderaum weinen. Auf der einen Seite schaut eine alte Frau aus dem Halbschatten ins Leere, auf der anderen ein junges Gesicht.
Ich liege mit Ende 40 irgendwo dazwischen. Und darf trotzdem dazugehören: "Sie aus, wie jemand der was zu erzählen hat", hatte mich am Vortag ein jovialer Cordanzugsträger begrüßt und dann an seinen Kollegen zwecks Terminabsprache verwiesen. "Redakteur" steht auf der Visitenkarte. Jetzt stehe ich vorm Gedächtniswagen und warte auf Einlass. Mein Kontaktmann klettert aus dem Fahrerhäuschen notiert sich Name, Jahrgang und reicht mir eine halbseitige Einverständniserklärung – "nicht gewerbliche, wie gewerbliche Nutzung" lese ich, und vor meinem geistigen Auge taucht kurz Guido Knopp auf, wie er meine Erinnerungen in Geldberge verwandelt.
Aber das milde Lächeln meines Redakteurs zerstreut alle Bedenken und ich unterschreibe. Kurze Absprache des Themas: "DDR aus BRD-Sicht. Dann geht es rein ins Erinnerungsmobil: Innen ist alles schwarz. Wir sitzen gegenüber. Der Kameramann steckt mir ein Mikro an und pudert mein Gesicht. Der Hinweis: "Nicht in die Kamera schauen" erübrigt sich: Zu teilnahmsvoll-aufmunternd blickt mein Gesprächspartner.
Das Gespräch beginnt: Wie war das? Wann war das? Woran erinnern Sie sich? Eine W-Frage nach dem anderen liest mein Gegenüber ab: Ich erzähle von den Fahrten über die Transitautobahn, von der beklemmenden Stimmung bei den Grenzkontrollen von West nach Ost nach West nach Ost. "Das Private ist das politische" denke ich, während ich versuche Familienerinnerungen in Archiv-Geschichten zu gießen, die es verdient haben vom nationalen Gedächtnis bewahrt zu werden. Irgendwann landen wir bei meinem Vater, der als Jugendlicher begeisterter Nazi war und mir 40 Jahre später zu meiner Kriegsdienstverweigerung ein bewegendes Zeugnis für die Spruchkammer ausstellte. Mein Fragesteller lässt seinen Spickzettel sein und hört nur noch zu.
Dann ist die halbe Stunde um. Mein Interviewer schüttelt mir die Hand. "Gerade als es interessant wurde", bedauert er. Draußen regnet es immer noch. Was wohl mein Vater dem "Gedächtnis der Nation" erzählt hätte? Die Fernsehschminke läuft mir übers Gesicht, - Regen - wirklich nur Regen.