Wer macht die Pop-Hits im Jahr 2018?
Wer früher einen Hit landen wollte, musste im Radio gespielt werden. Heute beeinflussen junge Instagramer, wie Salwa Houmsi, und Streamingdienste, was sich im Mainstream durchsetzt.
"So, hallo, liebe Grüße aus Kreuzberg. Ich gehe jetzt einen Künstler im Studio besuchen, der meiner Meinung nach den Hit des Januars gemacht hat, zusammen mit Bonez MC."
Die Musikjournalistin und Radiomoderatorin Salwa Houmsi unterwegs in ihrem Kiez. Der angebliche "Hit des Januars", den sie hier in ihrer Instagram-Story ankündigt, ist "Pusher" von Joey Bargeld.
"Er macht sehr tourettigen Punk-Rap. Und ihr solltet ihn kennen, deshalb kommt mit ins Kitschkrieg-Studio, ich stelle ihn euch vor."
Die Musikjournalistin und Radiomoderatorin Salwa Houmsi unterwegs in ihrem Kiez. Der angebliche "Hit des Januars", den sie hier in ihrer Instagram-Story ankündigt, ist "Pusher" von Joey Bargeld.
"Er macht sehr tourettigen Punk-Rap. Und ihr solltet ihn kennen, deshalb kommt mit ins Kitschkrieg-Studio, ich stelle ihn euch vor."
Houmsi ist 21, moderiert bei Radio Fritz vom öffentlich-rechtlichen Rbb und auf Instagram folgen ihr mehr als 10.000 Menschen. Dort spricht sie über aktuelle Pop-Themen, mit Musikerinnen und Musikern oder empfiehlt – manchmal vor allen anderen – neue Rap-Musik. Etwa von Ufo361.
"Ich bin also die Erste, die euch jetzt was erzählen kann über '808' – und ich kann euch sagen, es ist nicht das, was ihr erwartet."
"Ich bin also die Erste, die euch jetzt was erzählen kann über '808' – und ich kann euch sagen, es ist nicht das, was ihr erwartet."
Houmsis Instagram-Account ist ein kleines, digitales Musikmagazin. Was sie postet, wird gehört – vor allen Dingen von jungen Menschen.
"Ich weiß, dass mir Leute auch folgen auf Instagram, weil sie wissen, dass sie so an neue Musik rankommen und wissen, was es so Neues gibt. Das heißt, wenn ich zum Beispiel einen Song poste, dann glaube ich schon, dass ich auf irgendeine Art und Weise einen Hit machen kann, auch wenn ich jetzt nicht 50.000 Follower habe."
"Ich weiß, dass mir Leute auch folgen auf Instagram, weil sie wissen, dass sie so an neue Musik rankommen und wissen, was es so Neues gibt. Das heißt, wenn ich zum Beispiel einen Song poste, dann glaube ich schon, dass ich auf irgendeine Art und Weise einen Hit machen kann, auch wenn ich jetzt nicht 50.000 Follower habe."
Aber eben immerhin eine Spotify-Playlist mit derzeit 2300 engagierten Fans. Houmsi glaubt, solche Playlists machen Musik heute viel schneller erfolgreich als etwa Kritiken in Musikzeitschriften, die nur monatlich erscheinen. Junge Hörer finden neue Musik heute im Internet – auch deshalb bestimmen nicht länger nur Musikzeitschriften und Radiosender, was zum Hit wird. Tastemaker wie Houmsi werden wichtiger, weil sie nahbare Persönlichkeiten sind, mit denen Fans direkt interagieren können. Sie wirken authentisch und nicht so gekünstelt wie einige Moderatorinnen und Moderatoren im Formatradio.
"Wenn in der Intro stand, ey hier, das ist krass, dann habe ich mir das auf jeden Fall auch früher angehört. Mittlerweile ist es so, dass ich selbst so tief drin bin, dass ich mir von der Intro nichts mehr sagen lassen muss, sondern ich denke mir, ja, okay, ich kann mir selber eine Meinung bilden."
"Wenn in der Intro stand, ey hier, das ist krass, dann habe ich mir das auf jeden Fall auch früher angehört. Mittlerweile ist es so, dass ich selbst so tief drin bin, dass ich mir von der Intro nichts mehr sagen lassen muss, sondern ich denke mir, ja, okay, ich kann mir selber eine Meinung bilden."
Auch Major Labels verbreiten ihre Musik heute anders. Zwar sind Radiosender für sie nach wie vor wichtig. Doch es scheint: Nicht so wichtig wie Playlists auf Streamingdiensten. Daniel Finke ist Streaming Manager bei Sony Music Columbia, er sagt, Streaming kann Songs viel schneller bekannt machen.
"Wir hatten letztes Jahr einen großen Hit mit J Balvin – 'Mi Gente'. Das hat sich im Streaming innerhalb von zwei, drei Tagen entwickelt, also da war nach zwei, drei, vier Tagen klar, wohin die Reise gehen wird. Und dann reagieren alle sehr, sehr schnell, und dann wird das sehr schnell in weitere Playlisten aufgenommen, und dann wird das sehr hochgestuft und dann passiert sehr, sehr schnell sehr viel damit."
"Wir hatten letztes Jahr einen großen Hit mit J Balvin – 'Mi Gente'. Das hat sich im Streaming innerhalb von zwei, drei Tagen entwickelt, also da war nach zwei, drei, vier Tagen klar, wohin die Reise gehen wird. Und dann reagieren alle sehr, sehr schnell, und dann wird das sehr schnell in weitere Playlisten aufgenommen, und dann wird das sehr hochgestuft und dann passiert sehr, sehr schnell sehr viel damit."
Doch nicht jede Musik funktioniert auf Streamingdiensten. Ein Sony-Künstler wie Michael Patrick Kelly spricht eher eine ältere Zielgruppe an und die hören nach wie vor lieber Radio.
Dennoch: Machtstrukturen verschieben sich. Früher haben Musikzeitschriften, TV-Sender oder Radiosender bestimmt, was gehört wird. Auch hier waren die Wege zur Musikindustrie oft unjournalistisch kurz. Aber heute, über die Streaming-Dienste, können Plattenfirmen kritische Musikredaktionen einfach umgehen.
Alle Major Labels kuratieren eigene Playlists, in denen sie ihre Künstlerinnen und Künstler promoten. Für die Nutzerinnen und Nutzer ist nur durch ein sehr kleines Logo erkennbar, dass es sich dabei um gekaufte Werbeflächen handelt. Also: Machen Plattenfirmen ihre Hits mittlerweile einfach selbst? Daniel Finke von Sony:
"Naja, das war vielleicht etwas, was Plattenfirmen früher nicht gemacht haben, aber für ihre eigenen Kanäle entscheiden Apple, Amazon, Deezer, Spotify und Co immer noch selbst, da übernehmen wir keine Verantwortung oder übernehmen wir auch keine inhaltlichen Aufgaben."
"Naja, das war vielleicht etwas, was Plattenfirmen früher nicht gemacht haben, aber für ihre eigenen Kanäle entscheiden Apple, Amazon, Deezer, Spotify und Co immer noch selbst, da übernehmen wir keine Verantwortung oder übernehmen wir auch keine inhaltlichen Aufgaben."
Und am Ende, sagt der Manager, entscheiden sowieso die Leute da draußen, was gehört wird. Qualität setze sich durch. Das kann man zumindest hoffen. Dennoch sind Major Labels in Streamingplaylists deutlich präsenter als zum Beispiel kleine Indie-Plattenfirmen.
Wie Hits gemacht werden, ändert sich. Gerade junge Fans entdecken Musik heute anders. Playlists auf Streamingdiensten werden wichtiger, klassische Musikredaktionen verlieren an Bedeutung.
Dass aber auch kritische Tastemaker wie Salwa Houmsi Einfluss haben, ist ein gutes Zeichen: So lange sie sich nicht von der Musikindustrie kaufen lassen – durchaus üblich im Influencer-Geschäft –, gibt es weiterhin Menschen, die bestimmen, was gehört wird– und nicht nur blasse, leblose Streamingplaylists.