Wie Krankheitserreger überleben

Ein Leben mit der Pest

Das Skelett einer Frau aus der Bronzezeit liegt am Mittwoch (07.12.2011) in der Röhre eines Computertomographen im Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau, Sachsen Anhalt.
Ein Skelett wie dieses aus der Bronzezeit haben die Forscher untersucht. © picture alliance/dpa/Foto: Peter Endig
Von Christine Westerhaus · 04.10.2018
Pest und Cholera gab es auch schon in der Bronzezeit vor 5.000 Jahren. Forscher des Max Planck Instituts Jena haben nun in alten Skeletten das Erbmaterial dieser prähistorischen Keime entschlüsselt – und eine wichtige Erkenntnis dabei gewonnen.
"Wenn mich die Leute fragen: Wann in der Menschheitsgeschichte möchte ich gelebt haben, da sage ich immer: Heute, auf alle Fälle heute, 21. Jahrhundert! Die Lebenserwartung war früher einfach deutlich geringer, die Leute wurden nicht älter als 40, das war Alltag, dass Menschen an Infektionskrankheiten gestorben sind."
Johannes Krause weiß, wovon er spricht. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Leiter des Max Planck Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena mit prähistorischen Krankheitserregern. Vor allem mit solchen, die schon unsere Vorfahren in der Bronzezeit plagten. Die Überreste solcher Krankheitserreger findet der Forscher in den Zähnen alter Skelette. Und dank aufwändiger Analysen ist es ihm gelungen, das Erbmaterial dieser prähistorischen Keime zu entschlüsseln.
"Also Lepra aus dem Mittelalter, Syphilis aus dem Mittelalter, auch die Pest oder den Pesterreger. Und der Pesterreger ist sicherlich der bekannteste, er hat die größten Pandemien verursacht. Im 14. Jahrhundert ist wahrscheinlich die Hälfte der Europäer an der Pest während des schwarzen Todes zu Tode gekommen. Und was wir in den letzten Jahren getan haben, ist: Wir haben uns diese Erreger aus den letzten 5.000 Jahren rekonstruiert. Wir waren sogar in der Lage, den Pesterreger bis in die Steinzeit zurück zu verfolgen, um zu sehen, wie er sich im Laufe der Zeit verändert hat. Und was wir sehen ist, dass im Genom neue Gene hinzukommen, Gene abgeschaltet werden und er sich immer besser anpasst an die Übertragung von Flöhen auf Säugetiere."
Für diese genetischen, also in den Erbanlagen verankerten Anpassungen interessieren sich Johannes Krause und sein Team ganz besonders. Denn sie verraten den Forschern, welche Eigenschaften Krankheitserreger entwickeln müssen, um Menschen effektiv infizieren zu können.
"Wir konnten wirklich zeigen, wie Gene dazugekommen sind, die es beispielsweise diesen Bakterien erlauben, im Floh zu überleben, damit der Floh sie überhaupt übertragen kann. Sie haben gleichzeitig neue Gene entwickelt, die beispielsweise den Magen des Flohs verstopfen, das heißt, die Bakterien verklumpen und dieser Klumpen ist wie ein Stöpsel, der verstopft den Magen des Flohs, das heißt der Floh kann kein Blut mehr trinken, er muss sich jedes Mal beim Beißen übergeben und wenn er sich übergibt, gibt er im Prinzip Bakterien in die Bisswunde. Und so verteilen sich die Bakterien."

Wie schnell mutieren neue Krankheitserreger

Gleichzeitig konnten die Wissenschaftler an den Veränderungen im Erbgut ablesen, wie schnell sich bestimmte Keime in der Vergangenheit auf den Menschen spezialisierten. Dieses Wissen hilft den Forscher dabei, besser zu verstehen, wie schnell neue Krankheitserreger mutieren, das heißt, ihr Erbgut verändern und dadurch für den Menschen gefährlich werden können. Beispielsweise Zoonosen, also Erreger, die normalerweise nur Tiere befallen. Immer häufiger gelingt es solchen Keimen, auch den Menschen zu infizieren – wie zum Beispiel die Erreger von Ebola oder Mers.
"Und diese Krankheitserreger aus der Vergangenheit, die lassen uns die Evolution der Krankheitserreger besser verstehen, das heißt, wie haben die sich verändert, wie schnell ist deren Mutationsrate und wo kommen die vielleicht auch her, wie haben die sich an den Menschen angepasst, welche genetischen Veränderungen haben sie durchgemacht."
Johannes Krause geht es aber nicht nur darum, zu verstehen, wie sich Krankheitserreger im Laufe der Evolution verändern. Er möchte auch herausfinden, wie Pest und Cholera das Leben unserer Vorfahren in der Bronzezeit geprägt haben und wie die Menschen damals mit diesen Krankheiten umgegangen sind.
"Also das sehen wir eindeutig, wir haben sehr viele Individuen zu der Zeit, die an Pesterregern gestorben sind und wir haben zu der Zeit diese große Einwanderung aus Zentralasien und man muss sich natürlich auch fragen: Was hat diese Einwanderung möglich gemacht? Wie war es möglich, dass 95 Prozent der Mitteleuropäer ersetzt wurden durch Einwanderer aus dem Osten? Und da spekuliert man schon seit, ja 100 Jahren, was da passiert sein könnte. Und eine Möglichkeit wären eben Infektionskrankheiten. Es könnte sein, dass es in Europa zu einer Pandemie gekommen ist, dass die lokale Bevölkerung zum großen Teil gestorben ist und dass das eine Lücke quasi geöffnet hat, eine Nische, in die Menschen einwandern konnten."

Erbgutanalyse von Skeletten aus der Bronzezeit

Ein ähnliches Szenario vermutet auch Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen. Erst vor kurzem hat der bekannte Paläontologe die Wanderwege der Menschen in der Bronzezeit rekonstruiert, indem er das Erbgut von Skeletten analysierte. Und auch er hat beobachtet, dass die Pest vor 5.000 Jahren ein ständiger Begleiter der Menschen war.


"Es ist schwer vorstellbar, dass diese Krankheit in der Bronzezeit keine Bevölkerungswanderungen ausgelöst hat. Vielleicht war die Pestepidemie nicht der einzige Grund dafür. Aber diese Krankheit hat ganze Landstriche ausgelöscht und diese Gebiete für neue Einwanderer frei gemacht. Auf der anderen Seite werden Menschen vor der Pest in andere Gebiete geflohen sein. Eigentlich ist das überraschend, denn damals gab es ja noch nicht mal Großstädte im heutigen Sinn, in denen Krankheitserreger Epidemien auslösen können, weil die Menschen so dicht zusammen leben. Ich denke deshalb, dass Krankheiten wie die Pest damals dramatische Auswirkungen hatten."
Das Gleiche dürfte auch für Lepra und Syphilis gelten. Auch diese Erreger hat Johannes Krause schließlich in alten Skeletten aus dem Mittelalter gefunden. Kein Wunder, dass auch Eske Willerslev deshalb froh ist, in der heutigen Zeit zu leben
"Ich hatte immer eine sehr romantische Vorstellung von der Bronze und der Eisenzeit und dachte: Es muss großartig gewesen sein, in dieser Zeit gelebt zu haben. Aber was wir jetzt gesehen haben, ist: Die Menschen waren damals mit den fiesesten Krankheiten infiziert."
Zwar treibt die Pest auch heute noch immer ihr Unwesen – 2017 starben mehr als 100 Menschen in Madagaskar an der Infektionskrankheit, wie auch Lepra und Syphilis immer noch vorkommen. Doch so lange es wirksame Antibiotika gibt, sind diese Krankheit heilbar. Noch. Denn dass sich die Krankheitserreger verändern, auch das zeigt der Blick zurück.
Eske Willerslev
Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen.© picture alliance/dpa/Foto: Jens Astrup
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