Wie man ein Christ wird und bleiben kann
Anhand der 1500 Jahre alten "74 Werkzeuge der geistlichen Kunst" aus der Ordensregel des Benedikt von Nursia erschließt Bernhard Meuser, was heute christlich glauben und leben heißen kann. Er geht dies mit Humor und Fachwissen an und zielt mit seiner einfachen, ungestelzten Sprache, die ohne theologischen Fachjargon auskommt, insbesondere auf kirchenferne Menschen.
Der christliche Glaube, so Papst Benedikt bei seiner Amtseinführung, nimmt nichts und gibt alles. Der eine fühlt sich freier, und die andere von Gott geführt. Der christliche Glaube macht immun gegen Verzweiflung, und die uralten Rituale tun der Seele gut. Wunderbare Begleiteffekte, auf die so mancher neidisch schielen mag.
Für Bernhard Meuser gibt es dennoch nur einen Grund zu glauben und Christ zu werden: Gott. "Gott ... ist der einzige Grund." Wer von ihm berührt ist, geht "tendenziell überallhin." Anders gewendet: Christlicher Glaube befreit vom Leistungsdruck ebenso wie von falscher, letztlich blutleerer Hoffnung á la Ernst Bloch. Christ sein ermöglicht den nüchternen, liebevollen Blick auf die Realität und verlangt eine klare Option für die, die am Rande stehen.
Christ sein baut weder auf flüchtige Bewusstseinsinhalte noch auf angenehme Innerlichkeiten, sondern auf eine entschiedene und öffentlich überprüfbare Praxis der Selbst, Nächsten und Gottesliebe. Ein glaubwürdiger Spezialist in all dem ist für Meuser Jesus Christus. Sein Vorbild in Wort und Tat überzeugt, wenngleich es an Christen und Kirche in Geschichte und Gegenwart so manches zu bemängeln gibt.
Kritik und Vor-Urteile sind Meuser willkommen. Positives und negatives Grundwissen dienen dem Verlagsleiter als Grundlage für seinen dreihundertseitigen Nachweis, dass Christ sein ein Weg in die Freiheit ist, keineswegs die Aufgabe derselben. Seinen Beweisgang unternimmt der Autor, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften, anhand eines 1500 Jahre alten Reiseführers, mit Hilfe der 74 Werkzeuge der geistlichen Kunst aus der Ordensregel des heiligen Benedikt von Nursia.
Wer sich auf diesen Trainingsparcours begibt, wird zum einen erkennen, dass man vernünftig und menschlich erfüllend glauben kann, ohne sich verbiegen zu müssen. Zum anderen wird deutlich, dass Essentials der christlichen Botschaft auch ohne theologischen Fachjargon vermittelt werden können.
Ein Beispiel: "Die Keuschheit lieben", lautet lapidar Tool 64. Negative Erfahrungen nennt der Autor beim Namen und führen ihn zu Zweifeln: Könnte ein "Systemfehler" des Christentums darin liegen, dass es keinen Platz für die Lust gibt? Alle Abwertung des Leiblichen und Sinnlichen ist unbiblisch. Doch schon früh lässt sich das Christentum auf den Neoplatonismus ein, seinerzeit die Modephilosophie mit großem Hang zur Überwindung des Ungeistigen - und schleppt "diese Verirrung" mit sich durch die Geschichte.
"Heute bin ich der Auffassung, dass es 'Keuschheit‘ überhaupt nicht gibt, es sei denn als Adjektiv von Liebe. Als für sich stehendes Substantiv ist es das verblasene Tugendideal einer falschen Philosophie. Keuschheit ohne Liebe macht krank, verlogen und dumm."
Keusche Liebe ist ungeheuchelte, herzliche, eindeutige, starke, ungeteilte, furchtlose, reine Liebe, was der Autor an sieben Phänomenen durchbuchstabiert: am Umgang mit dem eigenen und dem fremden Körper, am vor- und außerehelichen Sex, an Prostitution und Pornografie sowie an Voyeurismus und Exhibitionismus. Hier wird man Meuser vielleicht nicht immer folgen wollen - "'Wahre Liebe wartet' ... ist das Ideal, das der vollen Wahrheit der sexuellen Liebe entspricht" -, erfährt aber kurz und knapp die wichtigsten Lehrinhalte der katholischen Sexualmoral.
Wendete sich Hans Küng vor etwa 30 Jahren mit seinem Bestseller "Christ sein" vorwiegend an Intellektuelle, denen er Grundzüge der Christologie darlegte, spricht Meuser mit Fachwissen, Humor und einfachen, ungestelzten Worten weitere Kreise, sowohl Insider als auch kirchenferne Menschen an.
In Zeiten, wo das Interesse an Religion und Glaube einen neuen Schub zu erhalten scheint, bietet das gut lesbare Buch anhand einer uralten "Guideline" eine praxisbezogene Einführung, spannende und fesselnde Lektüre sowie Anlass zu offener und ehrlicher Auseinandersetzung, die Gewissensfreiheit und Andersdenken respektiert.
Rezensiert von Thomas Kroll
Bernhard Meuser: Christ sein für Einsteiger
Pattloch Verlag, München 2007
304 Seiten, 16,95 EUR.
Für Bernhard Meuser gibt es dennoch nur einen Grund zu glauben und Christ zu werden: Gott. "Gott ... ist der einzige Grund." Wer von ihm berührt ist, geht "tendenziell überallhin." Anders gewendet: Christlicher Glaube befreit vom Leistungsdruck ebenso wie von falscher, letztlich blutleerer Hoffnung á la Ernst Bloch. Christ sein ermöglicht den nüchternen, liebevollen Blick auf die Realität und verlangt eine klare Option für die, die am Rande stehen.
Christ sein baut weder auf flüchtige Bewusstseinsinhalte noch auf angenehme Innerlichkeiten, sondern auf eine entschiedene und öffentlich überprüfbare Praxis der Selbst, Nächsten und Gottesliebe. Ein glaubwürdiger Spezialist in all dem ist für Meuser Jesus Christus. Sein Vorbild in Wort und Tat überzeugt, wenngleich es an Christen und Kirche in Geschichte und Gegenwart so manches zu bemängeln gibt.
Kritik und Vor-Urteile sind Meuser willkommen. Positives und negatives Grundwissen dienen dem Verlagsleiter als Grundlage für seinen dreihundertseitigen Nachweis, dass Christ sein ein Weg in die Freiheit ist, keineswegs die Aufgabe derselben. Seinen Beweisgang unternimmt der Autor, Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften, anhand eines 1500 Jahre alten Reiseführers, mit Hilfe der 74 Werkzeuge der geistlichen Kunst aus der Ordensregel des heiligen Benedikt von Nursia.
Wer sich auf diesen Trainingsparcours begibt, wird zum einen erkennen, dass man vernünftig und menschlich erfüllend glauben kann, ohne sich verbiegen zu müssen. Zum anderen wird deutlich, dass Essentials der christlichen Botschaft auch ohne theologischen Fachjargon vermittelt werden können.
Ein Beispiel: "Die Keuschheit lieben", lautet lapidar Tool 64. Negative Erfahrungen nennt der Autor beim Namen und führen ihn zu Zweifeln: Könnte ein "Systemfehler" des Christentums darin liegen, dass es keinen Platz für die Lust gibt? Alle Abwertung des Leiblichen und Sinnlichen ist unbiblisch. Doch schon früh lässt sich das Christentum auf den Neoplatonismus ein, seinerzeit die Modephilosophie mit großem Hang zur Überwindung des Ungeistigen - und schleppt "diese Verirrung" mit sich durch die Geschichte.
"Heute bin ich der Auffassung, dass es 'Keuschheit‘ überhaupt nicht gibt, es sei denn als Adjektiv von Liebe. Als für sich stehendes Substantiv ist es das verblasene Tugendideal einer falschen Philosophie. Keuschheit ohne Liebe macht krank, verlogen und dumm."
Keusche Liebe ist ungeheuchelte, herzliche, eindeutige, starke, ungeteilte, furchtlose, reine Liebe, was der Autor an sieben Phänomenen durchbuchstabiert: am Umgang mit dem eigenen und dem fremden Körper, am vor- und außerehelichen Sex, an Prostitution und Pornografie sowie an Voyeurismus und Exhibitionismus. Hier wird man Meuser vielleicht nicht immer folgen wollen - "'Wahre Liebe wartet' ... ist das Ideal, das der vollen Wahrheit der sexuellen Liebe entspricht" -, erfährt aber kurz und knapp die wichtigsten Lehrinhalte der katholischen Sexualmoral.
Wendete sich Hans Küng vor etwa 30 Jahren mit seinem Bestseller "Christ sein" vorwiegend an Intellektuelle, denen er Grundzüge der Christologie darlegte, spricht Meuser mit Fachwissen, Humor und einfachen, ungestelzten Worten weitere Kreise, sowohl Insider als auch kirchenferne Menschen an.
In Zeiten, wo das Interesse an Religion und Glaube einen neuen Schub zu erhalten scheint, bietet das gut lesbare Buch anhand einer uralten "Guideline" eine praxisbezogene Einführung, spannende und fesselnde Lektüre sowie Anlass zu offener und ehrlicher Auseinandersetzung, die Gewissensfreiheit und Andersdenken respektiert.
Rezensiert von Thomas Kroll
Bernhard Meuser: Christ sein für Einsteiger
Pattloch Verlag, München 2007
304 Seiten, 16,95 EUR.