Yes, he could?
Er trat mit "Yes, we can" an und meinte damit: Amerika kann besser werden, sozialer, gerechter, ökologischer. Der amerikanische Traum sollte eine Renaissance erleben. Was bleibt und was verschwindet nach acht Jahren Obama-Regierung?
4. November 2008. 240000 Arme reckten sich im Grant Part von Chicago zum Jubel in die Höhe.
Der Hoffnungspräsident
Ein raunendes "Yes we can" ging um die Welt. Gerade hatte CNNs Wolf Blitzer Barack Obama zum Wahlsieger erklärt. 232 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten wurde zum ersten Mal ein schwarzer Amerikaner Präsident.
Obama wollte mehr Gerechtigkeit, sozialen Ausgleich, bessere Bildung und Gesundheit, das Ende der langen Kriege in Afghanistan und Irak, weniger Atomwaffen, besseres Klima, die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo und die Überwindung ideologischer Gräben. An diesem Abend in Chicago zitierte der neue Präsident sein Vorbild Martin Luther King.
"Der Weg dorthin wird weit sein, der Anstieg steil. Wir werden das Ziel vielleicht nicht in einem Jahr oder einer Legislaturperiode erreichen. Aber Amerika, ich hatte noch nie so viel Hoffnung wie heute Abend, dass wir dorthin gelangen werden. Ich verspreche Euch: Wir als ein Volk werden dorthin gelangen."
Sein Thema: Hoffnung, Wandel, Zusammenhalt.
Der machtlose Präsident
Vier Jahre nach dem Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School in Newtown erinnert Sarah d’Avino bei einem Gedenkgottesdienst an ihre Schwester Rachel. Die Lehrerin hatte versucht, ihre sechs und sieben Jahre alten Schüler zu schützen:
"Es gab nur einen Gedanken für sie: Rette diese Kinder. Sie hat sie schnell auf die Toilette gebracht, um sie zu verstecken. Sie hoffte, dass der Schütze sie nicht finden würde. Aber er hat sie gefunden. Dann hat sie ihren Körper als Schutzschild benutzt. Sie hat die Tür zugehalten. Sie liebte, sie hat etwas getan, sie hat die Unschuldigen geschützt. Sie hat ein Kind gerettet."
Den 14. Dezember 2012 und Sandy Hook wird Präsident Obama niemals vergessen: Es verfolgt ihn. Einer der schlimmsten Tage seiner Amtszeit. Alles, was ihm bleibt, sind seine Worte - ob in Newtown, Orlando, Charleston oder Aurora. Allein im letzten Amtsjahr von Barack Obama sind 14.972 Menschen Opfer von Waffengewalt geworden. Sie sind getötet worden.
"Als Land haben wir das zu oft erlebt. Ob in einer Grundschule in Newtown, eine Mall in Oregon, ein Tempel in Wisconsin, ein Kino in Aurora oder eine Straßenecke in Chicago – dies sind unsere Viertel und diese Kinder sind unsere Kinder."
Er wollte die Waffengesetze ändern. Doch ihm fehlte die Mehrheit dafür im Kongress. Der mächtigste Mann der Welt – machtlos.
Der Friedenspräsident
Als Thorbjörn Jagland 2009 bekanntgab, wer den Friedensnobelpreis erhalten sollte, staunten die Pressevertreter.
Begründung: Obamas außergewöhnliche Bemühungen für die Zusammenarbeit zwischen den Völkern. An der Universität von Kairo warb Obama für die Verständigung der Religionen, für gute Beziehungen zwischen islamischer und christlicher Welt, für neue Friedensgespräche im Mittleren Osten, die ökonomische und soziale Entwicklung der Region.
In Prag verpflichtete er sich der nuklearen Abrüstung.
"Ich sage es klar und voller Überzeugung. Amerika verpflichtet sich, den Frieden und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen anzustreben."
Vor den Vereinten Nationen bekannte sich der neue US-Präsident bei seiner Antrittsrede dazu, den Klimaschutz voranzutreiben, die Rolle der alleinigen Weltmacht zugunsten von internationalen Friedensbemühungen einzuschränken, sich von den Kriegsschauplätzen zurückzuziehen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu verbessern, das Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba zu schließen und die Folter abzuschaffen.
Obama und der Nobelpreis? Die Bürger in Washington wunderten sich 2009 über die Entscheidung aus Oslo.
"Er ist ja noch nicht so lang im Amt, sagten sie. Und: So sehr ich Barack Obama mag. Er hat noch nicht genug getan, um eine solche Ehre zu rechtfertigen."
Obamas Friedensbilanz nach 8 Jahren? Ernüchternd. Der internationale Terror kam ihm in die Quere, fremde Staatschefs und US-Republikaner, die sich am ersten Tag von Obamas Präsidentschaft verabredet hatten, jedes einzelne Vorhaben des neuen Mannes im Weißen Haus zu blockieren.
Die zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und den Palästinensern in weiter Ferne, keine Ruhe im Mittleren Osten, trotz oder wegen der dezimierten Amerikanischen Truppenpräsenz. Krieg mit Drohnen statt Soldaten. Keine Schließung von Guantanamo. Atomabkommen mit dem Iran, aber ein vergiftetes Klima zwischen Washington und Moskau. Der Weg zu nuklearer Abrüstung wirkt versperrt.
Der coole Präsident
Ein Wort: cool. Barack Obama ist ein cooler Präsident. Er ist mehr als Commander-in-Chief. Er ist Lebensgefühl. Er hat den Groove ins Weiße Haus gebracht. Einer, der seine Playlist für den Sommerurlaub bei Spotify einstellt. Einer, der in Talkshows geht und da auch über Wahlkampf, Iran-Deal und Kubapolitik jammt.
Der Selfie-Präsident. Der digitale Präsident mit 80 Millionen Followern auf Twitter. Der lässige Typ mit der Sonnenbrille. Der Mann mit Humor und Timing. Seine Pointen sitzen. Auch beim Bewerbungsgespräch mit Late Night Talker Stephen Colbert:
"Ich sehe keine Beförderung in den letzten acht Jahren. Können sie das erklären?...In meinem letzten Job gab es wenig Aufstiegsmöglichkeiten. Es gab nur eine Position mit mehr Macht, die meiner Frau...Ah….gibt’s da eventuell zwei zum Preis von einem?....Das bezweifle ich."
Michelle Obama spielt in ihrer eigenen Liga. Mehrfach auf dem Vogue-Cover. Stilikone. Lässig beim Carpool-Karaoke im Garten des Weißen Hauses mit Comedian James Cordon.
Menschlich, nahbar, elegant, stilsicher, glamourös, cool und witzig – die First Family. Und Obamas Abgang beim unterhaltsamsten Termin des Jahres, seinem letzten Correspondents Dinner, war ganz im Stil von Rappern und Comedians: he dropped the mic, er hat das Mikro fallengelassen. Cooler geht kein Schlusspunkt.
Der gescheiterte Präsident
Obama, der gescheiterte Präsident? David Nakamura ist White House-Reporter bei der Washington Post, hat den Präsidenten 5 Jahre lang begleitet und beobachtet.
"Das Immigrationsgesetz ging nicht durch, Handelsgesetze wurden nicht verabschiedet. Rassenunruhen flammten auf. Die waren immer sehr schwierig, aber jetzt passierte das sehr öffentlich, in den Innenstädten mit schießenden Polizisten und Gewalt. Gleichzeitig, das wird in ersten Bewertungen klar, hat er viel erreicht, sowohl wirtschaftlich wie im sozialen Bereich. Das Land hat sich sehr verändert. Es gibt jetzt die Homoehe und viele soziale Erleichterungen. Das mag einige Trumpwähler schrecken, aber er hat das Land vorwärts gebracht. Das muss man ihm anrechnen."
Sein politisches Vermächtnis, mag er am Tag nach der Wahl gedacht haben, wird untergehen. Eine Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba? Ein bemühen Obamas seit mehr als 8 Jahren. 2016 musste er obwohl weit weniger als 100 Insassen verblieben sind einsehen:
"Der Kongress hat uns wiederholt Einschränkungen mit dem Ziel auferlegt, diese Einrichtung zu schließen."
Vor Studenten der American University in Washington verteidigte Obama den Iran-Deal. Nach 35 Jahren hatten die USA zusammen mit internationalen Partnern ein Abkommen mit dem Iran geschlossen, bei dem sich das Land verpflichtete, für Jahre auf die weitere Entwicklung von Atomwaffen zu verzichten. Das Misstrauen war größer als die Zustimmung. Auch in der Syrienpolitik ist Obama im Urteil vieler Bürger und Experten gescheitert. Als Machthaber Assad chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzte, erklärte der US-Präsident im August 2012 eine rote Linie für überschritten. Auf die Worte aber folgten kaum Taten.
Der schwarze Präsident
Der erste schwarze US-Präsident stimmt "Amazing Grace" an. Das Lied, das ein Seemann geschreiben hat, der Sklaven verschiffte und später zu einem Gegner der Sklaverei wurde. Es war die Trauerfeier für Reverend Clementa Pickney, der mit acht schwarzen Gemeindemitgliedern in der Mother Emanuel Church in Charleston von einem jungen Weißen erschossen wurde, der damit einen Rassenkrieg lostreten wollte. Reverend Dr. Norvel Goff stand direkt hinter Barack Obama, als der anfing zu singen:
"Es war eine Berufung für ihn in diesem Moment. Er konnte aus seinem innersten sprechen, um den Menschen und der Welt zu versichern: selbst in so schwierigen, tragischen Momenten gibt es einen Silberstreif am Horizont, der uns die erstaunliche Gnade Gottes erkennen lässt."
Barack Obama hat gespürt, dass dies der Moment war, in dem ein Lied mehr sagt als alle Worte. In einem Land, in dem Rassismus zum Alltag gehört. Einem Land, in dem das Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß immer noch schwierig, die Geschichte der Sklaverei längst nicht aufgearbeitet ist. Ein Land, in dem die Liste von Schwarzen, die durch Waffengewalt umgekommen sind immer länger wurde während Obamas Amtszeit – zu häufig erschossen von Polizisten. Einer von ihnen der 17jährige schwarze Trayvon Martin. Erschossen von einem Sicherheitsmann, der ihn für eine Bedrohung hielt, obwohl der junge Mann unbewaffnet war und gerade vom Einkaufen zurückkam:
"Als Trayvon Martin erschossen wurde, habe ich gesagt, dass er mein Sohn hätte sein können. Es ist wichtig, anzuerkennen, dass die schwarze Community sich solche Ereignisse mit einer gewissen Erfahrung und vor einem historischen Hintergrund ansieht. Sowas geht nicht einfach weg."
Michael Brown, Freddie Gray, Alton Sterling, Walter Scott, Eric Garner, Tamir Rice sind nur einige von vielen Namen, die traurige Schlagzeilen gemacht haben. Fünf Polizisten erschossen in den Straßen von Dallas am Rande von Demonstrationen gegen Polizeigewalt. Einfache Lösungen hat Obama nicht parat. Immer wieder der Appell die Gesellschaft zu verändern. Obamas Hautfarbe – ein schwieriges Thema in den USA. Für die einen war er zu schwarz, den anderen nicht schwarz genug.
Obama konnte nicht allein die Knoten der amerikanischen Geschichte durchschlagen. Auch wenn sich das viele von ihm erhofft hatten. Aber er hat einen immens wichtigen Beitrag geleistet. Virginia McLaurin ist 107. Die kleine, schwarze Dame mit dem fröhlichen Lachen kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als sie als Schwarze nicht wählen durfte. Sie hat 2016 den ersten schwarzen Präsidenten und seine Frau im Weißen Haus besucht:
"Ich habe sie an die Hand genommen und wir haben zusammen getanzt. Es war der glücklichste Tag in meinem Leben. Ich habe gesagt: ein schwarzer Präsident und eine schwarze First Lady, dass ich das noch erleben darf. Und Michelle hat zu mir gesagt: ja, das haben sie geschafft."