"Wie Scharik zu Bello wurde"

Von Antje Leetz · 24.07.2007
Jedes russische Kind weiß, dass ein netter Straßenköter "Scharik" genannt wird - "Kügelchen". Aber was macht der Übersetzer, wenn die Hauptfigur in Michail Bulgakows Novelle "Hundeherz" Scharik heißt? Lange hat Thomas Reschke nach dem passenden deutschen Hundenamen gesucht. Mit der Lösung "Bello" ist er bis heute nicht zufrieden, denn dieser Name ist zu schön für einen räudigen Straßenköter.
Die russische Sprache hat viele bildhafte Ausdrücke und vor allem kräftige Flüche. Der Übersetzer, der gerade an einer Neuübertragung von Maxim Gorkis "Nachtasyl" arbeitet und einen neuen Krimi des viel gelobten Boris Akunin sichtet - verrät mitunter sehr humorvoll Geheimnisse seines Handwerks.

Erinnerungen an DDR-Zeiten brechen wieder auf, als Übersetzer und Lektoren die Zensur hinters Licht führten und heimlich gestrichene Passagen in die deutsche Fassung einschmuggelten. Allein 180 Passagen hatte die sowjetische Zensur im Roman "Meister und Margarita" von Michail Bulgakow liquidiert. Die russische Literatur habe ihn, schrieb Thomas Mann 1921, "vor Erstarrung und geistigem Sterben" geschützt und ihm "Brücken in die Zukunft" gebaut. Wie aber hätte er diese Literatur wahrnehmen können ohne Übersetzer? Und folgerichtig ruft er aus: "Wo ist der Übersetzer? Kraft meines Ehrenamtes belobige ich ihn".

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