Streaming-Alternativen
Blick in den Lesesaal der New York Public Library: In den USA sind lokale, von Bibliotheken initiierte Musikstreaming-Dienste im Kommen. © imago / VWPics / Sergi Reboredo
Wie US-Bibliotheken zu öffentlichen Musik-Quellen werden
05:47 Minuten
Immer mehr Bibliotheken in den USA bauen eigene Streaming-Dienste auf. Ihr Fokus liegt dabei vor allem auf der lokalen Musikszene. Das Start-up „Rabble“ liefert die Software dazu. Deutschland hinkt noch hinterher.
„Tracks“ heißt das lokale Streaming-Angebot der „Chapel Hill Public Library“ in North Carolina. Sieht aus wie Apple Music oder Spotify, nur nicht so überladen: Kachel-Format, Künstlerfoto, Infotext.
Gut 130 Alben aus der Region kann man sich anhören, kuratiert von Persönlichkeiten aus der lokalen Musikszene. Mit dabei: Die Jazzband Dreamroot. Mit Bibliotheksausweis kann man die Musik sogar herunterladen. Öffentliche Bibliotheken als Alternative zu den Streaming-Giganten? Die Software und die Idee dafür hatte das Start-up Rabble.
Öffentliche Räume für digitale Musik
„Uns geht es um den Wert, der lokal erzeugt wird. Öffentliche Bibliotheken sind eine besondere Einrichtung, sie gehören der Allgemeinheit. Ich kann in erheblichem Maße direkt und demokratisch mitbestimmen, was dort passiert. Wir finden: Es ist wichtig, dass es digitale öffentliche Räume gibt für Dinge wie Musik“, sagt Preston Austin.
Er ist einer der Gründer von Rabble. Für über 20 Bibliotheken in den USA haben Austin und sein Team diese digitalen, öffentlichen Räume schon gebaut. Die Firma ist dabei nur ein Vermittler. Die Bibliotheken schließen die Streaming-Lizenzen direkt mit den Künstlerinnen und Künstlern ab. 200 bis 300 Dollar pro Album gibt es dafür in der Regel. Leider auch nur ein symbolischer Betrag.
„Niemand wird sich davon ein Haus kaufen. Aber es funktioniert als einmaliges Honorar, als Anerkennung dafür, dass der Künstler mitmacht. Das ist materiell und respektvoll", ergänzt Austin.
Deutsche Bibliotheken haben Interesse
Auch viele städtische Musikbibliotheken in Deutschland schreiben sich auf die Fahne, lokale Musik zu unterstützen. Sie veranstalten Konzerte oder haben eine eigene Abteilung mit CDs oder Schallplatten von Künstlerinnen und Künstlern aus der Stadt. Also alles noch ziemlich analog.
„Als ich das gelesen habe, war ich wirklich kurz geflasht. Mir hat Rabble bis vorgestern nichts gesagt“, sagt Beate Straka. Sie leitet die Ebene Musik in der Stadtbibliothek Stuttgart. „Ich finde das sehr faszinierend und sehr verlockend.“
Das Urheberrecht als Hürde
„Musikregion Stuttgart“, so heißt schon jetzt ein eigener Bereich der Bibliothek. Straka kann sich vorstellen, mit Partnern, etwa dem Popbüro Stuttgart, ein kuratiertes digitales Streaming-Angebot für ihre Region auf die Beine zu stellen. Allerdings sieht sie auch Hürden:
„Ich weiß, dass das Urheberrecht in Deutschland strenger ist als in anderen Ländern. Das ist sicher ein ganz wichtiger zentraler Punkt, der geklärt werden muss, ob und zu welchen Konditionen das möglich ist.“
Sebastian Wilke, der Leiter der Musikbibliothek Frankfurt, verfolgt Rabble schon länger. So ein Dienst sei auch für seine Bibliothek wünschenswert. Noch kuratiert er allerdings Musik aus Frankfurt in Playlists bei Spotify. Kann man so machen, meint Wilke.
„Aber wenn man die Möglichkeit hat, einen lokalen Dienst aufzubauen, dann kriegen die Künstlerinnen noch ein viel größeres Gewicht“, erklärt er. Das sei auf jeden Fall interessant und spannend, doch im deutschsprachigen Bereich noch kein großes Thema.
Perfekt für Nischenmusik
Schade eigentlich, denn in den USA sind lokale digitale Musikstreaming-Dienste in Bibliotheken schon heute ein kleines Gegengewicht zur Macht der Streaming-Giganten, denn dort konkurrieren alle mit allen, und kleine Künstlerinnen und Künstler spielen kaum eine Rolle.
Dienste wie Apple Music und Spotify haben kein Interesse daran, Nischenmusik aus Stuttgart oder Frankfurt zu fördern, Stadtbibliotheken als konsumfreie, öffentliche Orte aber schon. Preston Austin merkt, dass seine Software hohe Erwartungen weckt als womöglich öffentlich finanzierte Streaming-Alternative. Rein theoretisch, sagt er, ginge das. Bibliotheken könnten das Angebot erweitern auf Bundesländer, das ganze Land oder die ganze Welt. Trotzdem bleibt er realistisch:
„Aber auf keinen Fall wird das eine Konkurrenz zu Spotify. Wir sagen jeder Bibliothek, mit der wir sprechen: Wir sind nicht Spotify für Bibliotheken. Aber jeder, der darüber spricht, vergleicht uns mit Spotify, denn sie sind der 300 Kilo schwere Gorilla in diesem Bereich.“