Wie versenkt man ein Schiffahrtsmuseum?

Von Axel Flemming |
Städte haben Museen, die etwas aussagen über den Charakter der jeweiligen Stadt. Und über den Umgang mit der Herkunft, also dem Selbstverständnis. Da liegt es bei Rostock auf der Hand, dass die Hansestadt ein Schiffsmuseum hat. Sie hat - genau genommen - sogar zwei: ein Schiffbau- und ein Schifffahrtsmuseum. Sieht man aber etwas genauer hin, dann wird die Sache etwas komplizierter.
Schillen: "Es ist nicht die Frage des Geldes, es ist allein die Frage des politischen Willens. Also was mit dem Schifffahrts- und Schiffbaumuseum in den letzten Jahren gemacht wurde, das ärgert mich über die Maßen. Die Potentiale wurden bei weitem nicht genutzt. "

Die August-Bebel-Straße mitten in Rostock. Man sieht auf das Neue Tor, Richtung Innenstadt zum Rathaus. "Museum, täglich von 10 bis 18 Uhr außer Montag", verspricht ein Schild an dem klassizistischen Gebäude. Darunter allerdings auf einer weißen Tafel in grüner Schrift: "Schifffahrtsmuseum für Besucher geschlossen." An der Seite des Hauses hängt ein verwittertes Schild "Club der Fahrensleute".

"Das war eine Gaststätte, hier im Kellergeschoss. Dort haben sich eigentlich immer die maritimen Berufe getroffen. Da gab’s also eine Tradition, die sich über lange Jahre entwickelt hat. Aber dann in den 90er Jahren eingegangen ist. "

Erst wurde der Keller, Ende 2003 das ganze Gebäude geschlossen. Nur manchmal öffnet das Museum noch, aus besonderem Anlass zu Veranstaltungen. "Aus Trotz", sagen manche. Dann geht es durch die blauweiß lackierten schweren Kassetten-Türen, vorbei an einem Anker in die Vorhalle. Dort stehen kleine Kanonen, wie sie Schiffe zu Störtebekers Zeiten an Bord hatten. An der Wand informiert eine Tafel über die Chronik des Rostocker Schifffahrtsmuseums. Erbaut wurde es als Gesellschaftshaus der Societät von 1856. Jetzt zeigt es Schiffsmodelle 140 immerhin, alte Karten, Gemälde von Schiffen und Kapitänsbilder, eigentlich. Kultursenatorin Ida Schillen:

"Dieses Haus gehört ja auch zu denen, die am meisten besucht wurden. Es ist ja einfach so, dass die Schiffe und die Modelle eine sehr hohe Attraktion bilden, grad hier in der Stadt wo jede Familie mit dem Schiffbau mal zu tun hatte in der Vergangenheit. Heute weniger. Aber im Grunde genommen ist es die maritime Tradition dieser Stadt. "

Zu dieser Tradition gehört auch die deutsche Seereederei DSR. Seit über 50 Jahren in Rostock. Ein Unternehmen, das mit der Schifffahrtsgeschichte sehr verbunden ist, zu DDR-Zeiten sogar Träger des Hauses war. Die Schließung veranlasste Konsul Horst Rahe, den geschäftsführenden Gesellschafter der DSR zu einem offenen Brief. Darin schreibt er: "Diese Stadt braucht das Museum als Bekenntnis zu ihrer maritimen Tradition und als Publikumsmagnet für zahlreiche Touristen." DSR-Sprecherin Manuela Balan sagt, ihre Firma sei interessiert, dass die Besucher der Stadt weiter informiert werden. Das geht aber nicht, wenn das Haus geschlossen ist:

Balan: "Wir sind darüber sehr betrübt. Es könnte ein sehr schönes Gebäude sein, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein großer Bedarf an Renovierung und Sanierung wäre, um die Ausstellung in einem repräsentativen Gebäude auszustellen. Auch das hat uns immer ein bisschen wehgetan, dass durchaus sehr schöne Ausstellungsstücke vorhanden sind, aber das ganze Umfeld nicht so ist, wie man sich das von einem modernen Museum vorstellt. "

Neben den üblichen Renovierungsarbeiten müsste in den Brandschutz investiert werden. Der Eingangsbereich müsste behindertengerecht umgebaut, ein Museumsshop eingerichtet werden. Die Ausstellung müsste modernisiert werden. Sie ist zum Teil noch auf DDR-Stand. Jüngere Exponate erkennt man daran, dass auf den Schildern das Wort Schifffahrt mit drei F geschrieben ist. Viel ist aber schon gemacht worden: Die Dächer sind saniert, die Heizung funktioniert, regelmäßig wird Staub gewischt.

Schillen: "Das ist hier die geschlossene Perle, weil das Gebäude auch das einzige Museumsgebäude ist, was die Stadt als Museum auch gebaut hat. Und wir haben hier auch noch eine funktionierende Schifffahrtsausstellung. Die Perle müsste wieder poliert werden, dann könnte sie auch in neuem Glanz erstrahlen..."

Der Kuppelsaal mit seinem hellen Oberlicht vermittelt fast Schiffsstimmung. Galerien wurden an den Wänden eingezogen, gegenüber dem Eingang hängt ein kleiner Raum wie eine Brücke in den Saal. Heidrun Lorenzen, Leiterin des kulturhistorischen Museums Rostock:

Lorenzen: "Eigentlich ist der Saal für die großen Gemälde gestaltet worden, die sich in der Rostocker Sammlung befinden. Und es soll noch ein Foto existieren, dass diese Situation zeigt mit den großen Gemälden."

Lorenzen würde die alten Zeiten gerne wieder auferstehen lassen. Die Sammlung der Stadt umfasst 148 Schiffsporträts, nur eine kleine Auswahl kann in der Bebelstraße gezeigt werden. Deswegen gibt es seit langem den Plan, das Haus nur noch für Gemälde zu nutzen, und die Schifffahrtsaustellung woanders unterzubringen. Die Kultursenatorin:

Schillen: "Da ist in der Tat die Frage, ob man das hier noch macht, oder ein neues Museumsgebäude in der Nähe des Traditionsschiffes, ob man das nicht vorrangig betreibt."

Dancker-Carstensen: "Ich bin für beide Museen verantwortlich. Das Schifffahrtsmuseum, das die Schifffahrtsgeschichte im weitesten Sinne zeigt, ist seit Ende 2003 geschlossen. Das ist ein unschönes und nicht gerade besucherfreundliches Kapitel der Rostocker Kulturpolitik."

Peter Dancker-Carstensen, der Leiter des Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums. Am Fluss Warnow liegt grau das große Traditionsschiff "Typ Frieden", der zweite Standort. Im Bauch des Schiffes ein besonderes Stück Stadtgeschichte.

Dancker-Carstensen: "Wir stehen hier vor einem Modell der Rostocker Neptun-Werft. Und zwar ist das ein Modell, das den Zustand dieser Werft um 1990 zeigt. Das heißt, die Werft wurde privatisiert, der Schiffbau wurde 1992 eingestellt, im Zuge der Privatisierung, 1992 war der letzte Stapellauf hier und wir haben Anfang der 90er Jahre mit ehemaligen Beschäftigten dieser großen Rostocker Werft ein Modell bauen lassen, das diese gesamte komplette Werftanlage vollständig zeigt. Inklusive der ganzen Docks und der Nebengebäude, die für so einen komplexen Betrieb notwendig waren."

Es waren also die Menschen, die kurz zuvor ihren Arbeitsplatz verloren hatten, die dann als ABM-Projekt ihren Betrieb nachgestellt haben. Rostock war in der DDR das Zentrum des Schiffbaus. Zwei große Betriebe, die Warnow Werft und die Neptunwerft dominierten die Hansestadt. Das gab Arbeit für über 20.000 Menschen. Das ehemalige Motor-Frachtschiff Typ IV "Dresden" liegt mit seinen fünf Schornsteinen seit seinem Umbau zum Museum 1970 hier in Rostock-Schmarl vor Anker. Nach der Wende fiel die Unterstützung des Werftenverbundes der DDR weg. 2003 wurde es an die Internationale Gartenbauausstellung, kurz IGA angebunden. Axel Buhr, zuständig für Konzeption und Marketing:

Buhr: "Wir haben das Schiff gekauft, es gehört also der IGA, insofern waren wir auch dafür verantwortlich, dass es begehbar ist zur IGA, dass es chic aussieht, dass es auch repräsentativ sich darstellt. Insofern war das unsere ureigenste Sache, die von den Gesellschaftern Hansestadt Rostock und Zentralverband Gartenbau so entwickelt worden ist, dass das Schiff also in die IGA integriert wurde und sich auch entsprechend darstellen sollte."

Damit geben sich nicht alle zufrieden. Der Museumsleiter hofft auf einen Neubau an Land. Mit Hilfe eines Fördervereins will er die alten Partnerschaften mit der Werft und der deutschen Seereederei erneuern. Ein erster Förderverein um den Hamburger Sammler Peter Tamm scheiterte am Desinteresse und der Bürokratie in der Stadt und löste sich wieder auf. Robert Rosentreter, Fregattenkapitän außer Dienst, engagiert sich im jetzigen Förderverein für das Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum:

Rosentreter: "Wir haben das Ziel, dass dieses Museum, also einschließlich der jetzt weggesperrten Objekte in der August-Bebel-Straße, dass die wirklich zusammengeführt werden am Wasser, wie das die Bürgerschaft beschlossen hat und dass darauf ein Anziehungspunkt für diese Region wird."

Nach 15 Jahren sieht er stattdessen den Niedergang der zwei inzwischen formal vereinigten Museen. Die IGA machte zwar aus dem ehemals sumpfigen Gelände am Warnowufer eine gut zugängliche Promenade, aber …

Rosentreter: "Die IGA war eigentlich eher ein Unglücksfall für das Schiffbaumuseum. Es ist nie ein richtiges Konzept vorhanden gewesen, bis heute nicht. Und dieses Provisorium, den Anschluss eines Museums an eine Gartengesellschaft, das ist ein so schlechter Witz, den kann man nur hier machen und nicht darüber lachen."

Die Kultursenatorin sieht das Problem darin, dass die Gestaltung des Museums auf halber Strecke stehen geblieben sei. Ob das Museumsschiff da in Schmarl liegen bleibt oder ins Werftdreieck kommt, findet sie egal.

Schillen: "Bei beiden Varianten, sowohl IGA als auch Werftstandort muss klar sein, dass die Leitung nach musealen und museumsstrategischen Gesichtspunkten und nicht weitere Fehlbesetzungen durch Geschäftsführer, die im Leben nie was mit Museum zu tun hatten, erfolgen."

Buhr: "Also, was Frau Schillen dort sagt oder nicht sagt, das ist für mich persönlich ähm in dieser Frage nicht relevant…"

IGA-Sprecher Axel Buhr verteidigt das Traditionsschiff als Teil der grünen Weltausstellung am Meer. Die IGA habe das Warnowufer vollkommen neu gestaltet, saniert und den Anleger für das Traditionsschiff neu errichtet, gleich neben den schwimmenden Gärten, eine Hauptattraktion der Ausstellung.

Buhr: "Wir haben versucht, das Traditionsschiff in die IGA mit einzubinden. Sie war ein fester Bestandteil aufgrund der Tatsache, hier Schiffbau/Schifffahrtstradition gelebt wurde, dass wir das Schiff auch genutzt haben wir eine sehr erlebnisreiche Gastronomie."

Rosentreter: "Fatalerweise wurde nur daran gedacht, das Schiff zu einer floristisch dekorierten Kneipe nutzbar zu machen. Und der Protest unseres Vereins führte dazu, das man sich daran machte, diese Ausstellung, die dort war wieder zu eröffnen und ja- das war’s!"

Buhr: "Aufgrund der hohen Besucherzahlen zur IGA war das Schiff auch richtig voll. Wir hatten ja auch temporäre Büroräume der IGA hier auf dem Schiff. Und es war manchmal äußerst schwierig, die Gangway hoch und runter zu kommen, weil das Schiff richtig mit Besuchern voll gewesen ist die auch sehr begeistert waren und gesagt haben: hier müssen wir noch einmal wieder kommen, denn unser Ziel war ja im Jahre 2003 die Blume und nicht das Schiff. Und die wollen wir in Zukunft hier begrüßen."

Rosentreter dagegen träumt von einem Museum an Land und auf dem Wasser, ein paar Kilometer stadteinwärts: auf dem Gelände der ehemaligen Neptunwerft. Pier, Slipanlage, Kräne, noch ist alles vorhanden…

Rosentreter: "Das wären alles museale Einrichtungen. Ein Dock als Museum. Eine Schiffbauhalle. Das würde die Leute doch anziehen."

Könnte Hilfe aus der Wirtschaft kommen? Manuela Balan von der deutschen Seereederei:

Balan: "Also bis zu einem gewissen Maße könnte ich mir das schon vorstellen. Aber es kann nicht die Aufgabe eines Wirtschaftsbetriebs sein, in dieser Größenordnung gerade zu stehen. Aber wir haben unsere Hilfe angeboten. Aber ich sehe auf jeden Fall die Stadt in der Pflicht, hier die koordinierende Rolle zu übernehmen."

Die Kultursenatorin denkt dagegen in größeren Zeiträumen:

Schillen: "Langfristig stell ich mir vor, oder mittelfristig, dass insgesamt der Wasserbereich, das gesamte Band vom Stadthafen bis nach Warnemünde auch an dem IGA-Standort vorbei, sich als Kulturmeile entwickelt. Und hier das Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum einen optimalen Platz hat."

Rosentreter: "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und ich bin 74 (Lachen)."