"Wie wenn man nicht mehr existiert"
Wer ohne Papiere in Frankreich wohnt, lebt in ständiger Angst. "Es kann passieren, dass man beim Brotkaufengehen kontrolliert und abgeschoben wird", erklärt die Bürgerrechtlerin Madjiguène Cissé aus dem Senegal, die in Paris die Bewegung der sogenannten Sans papiers mitbegründet hat.
Katrin Heise: Sans papiers, das sind Menschen ohne Papiere. Viele Flüchtlinge verlieren ihre Papiere auf der Flucht eben, andere wiederum vernichten die Papiere aus Angst, in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. Was es heißt, in einem europäischen Land zu leben, ohne sich ausweisen zu können, das weiß Madjiguène Cissé. Sie stammt aus dem Senegal, studierte in Deutschland, lebte danach in Dakar und ging später mit ihrer Familie wieder nach Europa, nach Frankreich. Durch Gesetzesänderungen in den 90er-Jahren verloren dort viele Migranten ihr Aufenthaltsrecht und wurden eben quasi zu Illegalen gemacht. Madjiguène Cissé wollte das nicht hinnehmen und gründete die Bewegung der Sans papiers mit, der Menschen ohne Papiere. Für ihr Engagement bekam sie 1998 die Karl-von-Ossietzky-Medaille. Am vergangenen Wochenende nun war sie selber Laudatorin bei der diesjährigen Verleihung, und ich hatte die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen und wollte erst einmal begreifen, was es eigentlich heißt, ohne Papiere in einem europäischen Land zu leben.
Madjiguène Cissé: Das heißt, wenn man keine Papiere hat, dann ist es, wie wenn man nicht mehr existiert, nicht existiert. Da kann man kein normales Haus mieten, da kann man keine richtige Arbeit mit richtigem Lohn haben, da kann man manchmal die Kinder nicht zur Schule schicken, da kann man auch nicht reisen, das heißt, in die Heimat zurückgehen, die Familie besuchen. Das heißt, man existiert nicht.
Heise: Das heißt, man versteckt sich eigentlich auch die ganze Zeit, aber muss ja irgendwie für seinen Lebensunterhalt sorgen, das heißt auch, man ist darauf angewiesen, irgendjemanden zu finden, der einen beschäftigt und von dem ist man abhängig?
Cissé: Ja, von dem ist man abhängig und da ist man gezwungen, irgend jeden Lohn zu akzeptieren, und da kommt die Ausbeutung. Man hat nicht die Wahl und auch, wenn die Löhne sehr niedrig sind, dann sind die Sans papiers auch gezwungen, zu arbeiten. Das geht um Leben, ganz einfach.
Heise: Wie geht man mit diesem Druck denn um, diesen Druck, dass man jederzeit ja auch entdeckt werden kann? Man muss ja eigentlich nur, was weiß ich, bei Rot über die Ampel gehen und da steht ein Polizist und kontrolliert einen.
Cissé: Ja, mit dem Druck lebt man täglich, aber man muss auch Brot kaufen gehen, man muss auch das Kind zur Schule bringen, man muss auch arbeiten gehen und so leben die Sans papiers immer unter Druck und es kann passieren, dass man beim Brot kaufen gehen auch kontrolliert und abgeschoben wird. Und manche Sans papiers konnten gar nicht nach Hause zurückgehen und sind dann direkt via das Konzentrationslager zurück nach Afrika abgeschoben worden.
Heise: Also, haben gar nicht mehr ihre Familie quasi verständigen können.
Cissé: Nein.
Heise: Und gleichzeitig, stelle ich mir vor, ist ja auch noch ein Druck da aus der Heimat. Die Familie hat einem vielleicht das ganze Geld gegeben, um eben in der Fremde arbeit zu finden, in Europa irgendwie Arbeit zu finden und hofft auf Überweisungen. Erzählt man das eigentlich, wie man lebt?
Cissé: Ja, ja. Die Familie sammelt Geld, damit die Leute emigrieren können. Das ist besonders speziell für Westafrika, wo es nicht so viel regnet und wo 80 Prozent von der Bevölkerung auf dem Lande lebt und nicht mehr wegen der Dürre von der Landwirtschaft leben kann. Und dann wartet die ganze Familie, dass man Geld nach Hause schickt, dass die Leute auch weiter überleben können. Deswegen steht der Sans papiers unter zwei Arten von Druck, Druck vonseiten der Familie und unter Druck hier in Europa, wo man auch nicht so normal leben kann und wo man immer unter Angst leben muss.
Heise: 1996 wurde die Bewegung Sans papiers gegründet. Wie ist diese Idee eigentlich entstanden? Ich meine, die Leute haben versteckt gelebt und mussten dann den Mut aufbringen, in die Öffentlichkeit zu gehen, sich zusammenzuschließen.
Cissé: Die Bewegung der Sans papiers, die sogenannten Sans papiers de Saint Bernard, die fing an im März 1996, und das fing an, sagen wir mal, drei Jahre nach den letzten Gesetzen vom ehemaligen Innenminister Charles Pasqua, und diese Gesetze waren besonders scharf. Und durch diese Gesetze waren alle Türen geschlossen für die Sans papiers, weil man konnte die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängern lassen. Das war nicht mehr möglich, weil … die Sans papiers von Saint Bernard, die meisten, 80 Prozent, hatten Papiere vorher. Das ist besonders in Frankreich. Und nur diese Papiere wurden nicht verlängert, und deswegen sind sie Sans papiers geworden. Die waren nicht am Anfang alle Sans papiers. Und deswegen haben sie gesagt: Das geht nicht so weiter, weil man muss was anfangen. Und da die Westafrikaner auch in Paris und Umgebung alle gemeinsam leben in Flüchtlingshäusern, da haben sie sich versammelt und dann kam die Idee, eine gemeinsame Aktion zu organisieren. Und diese Aktion war, gemeinsam an einem Tag eine Kirche in Paris zu besetzen. Die erste Kirche, die besetzt wurde, am 18. März, das war ein Montag, 1996, hieß Kirche Saint Ambroise.
Heise: Sans papiers, Menschen ohne Papiere leben illegal in Europa. Meine Gesprächspartnerin Madjiguène Cissé kennt dieses Leben aus eigener Erfahrung und sprich im Deutschlandradio Kultur über ihr politisches Engagement, über den Zusammenschluss dieser Menschen, die für ihre Rechte gekämpft haben. Das heißt, die Sans papiers, Frau Cissé, haben sich quasi sichtbar gemacht. Das kostet ja Mut. Sie haben ja bisher quasi im Untergrund, illegal, versteckt gelebt und haben sich dann ins öffentliche Bewusstsein geholt und gezeigt: Wir sind da und wir lassen uns das jetzt nicht mehr länger gefallen. War es ein politischer Erfolg, das zu tun?
Cissé: Ja, ein großer Erfolg, weil die Unsichtbaren, die waren plötzlich da, auf der Szene, und hatten ein Gesicht dann. Und das war sehr wichtig für uns, weil wenn man illegal oder "clandestin" sagt, kann man denken, ja, illegal, warum, und "clandestin", warum? Und: Vielleicht sind sie keine normale und ehrliche Leute, vielleicht reißen sie diese Handtaschen von den alten Damen weg, wenn es dunkel wird in den Straßen, auf den Straßen von Paris.
Heise: Und plötzlich hat man gesehen: Es sind ganz normale Leute.
Cissé: Ja. Und einmal entdeckte ganz Frankreich, wer die Sans papiers waren, weil als die Kirche besetzt wurde und als die ganze französische Presse kam, da haben die Franzosen entdeckt, dass Sans papiers, diese sogenannten Sans papier, ganz normale Männer und Frauen und Kinder waren. Und da haben sie dann angefangen, Meinungen zu ändern und haben gefunden, dass Sans papiers sogar auch sympathisch aussehen. Und das war eine Art Wende, weil sofort und sehr viel Unterstützung kam, von allen Seiten von der französischen Bevölkerung.
Heise: Also, das heißt, Sans papiers hatten Erfolg mit ihrer politischen Arbeit, es gab Legalisierungen, auch in ziemlich großem Maßstab Legalisierungen. Das heißt, sie haben erfolgreich in Frankreich für ihre Rechte gekämpft und der Kampf geht ja auch noch weiter. Sie persönlich sind 2001 dann zurückgegangen in den Senegal, und zwar widmen sie sich vor allem den Frauen. Sie versuchen, den Frauen Chancen einzuräumen. Sie haben auch da eine Bewegung mitgegründet, nennt sich Refdaf. Sie geben den Frauen Möglichkeiten, zum Beispiel an billige Kredite zu kommen. Was machen Sie noch?
Cissé: Alphabetisierung und Computerkurse, und dann machen wir noch Bauprojekte, weil wir haben eine Kooperative für die Frauen, Baukooperative. Refdaf heißt Frauennetzwerk für nachhaltige Entwicklung in Afrika.
Heise: Denn Sie gehen auch davon aus, dass die Frauen so als Motor der Familie sozusagen dann die ganze Familie aus der Armut auch …
Cissé: Ja, nicht nur Motor der Familie, sondern der ganzen Gesellschaft. Auf den Dörfern findet man eine Mehrheit von Frauen und in den Stadtvierteln, auch von den Großstädten, da sind auch die Frauen da, die das Leben organisieren. Da sind die Frauen, weil es gibt mit der Krise seit Ende der 70er-Jahre fast keine Industrie mehr in unseren Großstädten, und die Frauen machen alles, dass die Kinder auch essen können und dass die Kinder zur Schule gehen können. Und ich meine, Afrika kann man nicht ohne die Frauen entwickeln, das ist nicht möglich. Und deswegen haben wir gewählt, mit den Frauen zu arbeiten und diesen Frauen die Mittel zu geben, und Refdaf hat diese Wahl gemacht, mit den Frauen zu arbeiten, weil die Frauen da sind.
Heise: Sie bekommen für Ihre Arbeit, die Sie im Senegal aufgebaut haben, Unterstützung aus verschiedenen Ländern in Europa, aus Frankreich bekommen Sie Unterstützung, aus Italien, aus Deutschland bekommen Sie Unterstützung. Letztendlich lässt sich ja der Teufelskreis des Flüchtlingselends nur durchbrechen, indem man eben in den Heimatländern die Situation verändert. Haben Sie das Gefühl, dass das auch tatsächlich ankommt in Europa?
Cissé: Ja, ja. Wenn wir die Länder nicht entwickeln, wenn die Leute nichts zu Essen haben, wenn die Leute keine Bildung haben können, wenn die Leute, wenn sie krank sind, nicht zum Krankenhaus, dann werden die Leute eben andere Lösungen finden. Und ich meine, immer mehr sind europäische Institutionen davon bewusst.
Heise: Sagt Madjiguène Cissé, sie ist Mitbegründerin der Bewegung Sans papiers und engagiert sich seit vielen Jahren jetzt im Senegal für Frauen im Senegal. Frau Cissé, ich danke Ihnen recht herzlich für dieses Gespräch!
Cissé: Ich danke Ihnen auch!
Madjiguène Cissé: Das heißt, wenn man keine Papiere hat, dann ist es, wie wenn man nicht mehr existiert, nicht existiert. Da kann man kein normales Haus mieten, da kann man keine richtige Arbeit mit richtigem Lohn haben, da kann man manchmal die Kinder nicht zur Schule schicken, da kann man auch nicht reisen, das heißt, in die Heimat zurückgehen, die Familie besuchen. Das heißt, man existiert nicht.
Heise: Das heißt, man versteckt sich eigentlich auch die ganze Zeit, aber muss ja irgendwie für seinen Lebensunterhalt sorgen, das heißt auch, man ist darauf angewiesen, irgendjemanden zu finden, der einen beschäftigt und von dem ist man abhängig?
Cissé: Ja, von dem ist man abhängig und da ist man gezwungen, irgend jeden Lohn zu akzeptieren, und da kommt die Ausbeutung. Man hat nicht die Wahl und auch, wenn die Löhne sehr niedrig sind, dann sind die Sans papiers auch gezwungen, zu arbeiten. Das geht um Leben, ganz einfach.
Heise: Wie geht man mit diesem Druck denn um, diesen Druck, dass man jederzeit ja auch entdeckt werden kann? Man muss ja eigentlich nur, was weiß ich, bei Rot über die Ampel gehen und da steht ein Polizist und kontrolliert einen.
Cissé: Ja, mit dem Druck lebt man täglich, aber man muss auch Brot kaufen gehen, man muss auch das Kind zur Schule bringen, man muss auch arbeiten gehen und so leben die Sans papiers immer unter Druck und es kann passieren, dass man beim Brot kaufen gehen auch kontrolliert und abgeschoben wird. Und manche Sans papiers konnten gar nicht nach Hause zurückgehen und sind dann direkt via das Konzentrationslager zurück nach Afrika abgeschoben worden.
Heise: Also, haben gar nicht mehr ihre Familie quasi verständigen können.
Cissé: Nein.
Heise: Und gleichzeitig, stelle ich mir vor, ist ja auch noch ein Druck da aus der Heimat. Die Familie hat einem vielleicht das ganze Geld gegeben, um eben in der Fremde arbeit zu finden, in Europa irgendwie Arbeit zu finden und hofft auf Überweisungen. Erzählt man das eigentlich, wie man lebt?
Cissé: Ja, ja. Die Familie sammelt Geld, damit die Leute emigrieren können. Das ist besonders speziell für Westafrika, wo es nicht so viel regnet und wo 80 Prozent von der Bevölkerung auf dem Lande lebt und nicht mehr wegen der Dürre von der Landwirtschaft leben kann. Und dann wartet die ganze Familie, dass man Geld nach Hause schickt, dass die Leute auch weiter überleben können. Deswegen steht der Sans papiers unter zwei Arten von Druck, Druck vonseiten der Familie und unter Druck hier in Europa, wo man auch nicht so normal leben kann und wo man immer unter Angst leben muss.
Heise: 1996 wurde die Bewegung Sans papiers gegründet. Wie ist diese Idee eigentlich entstanden? Ich meine, die Leute haben versteckt gelebt und mussten dann den Mut aufbringen, in die Öffentlichkeit zu gehen, sich zusammenzuschließen.
Cissé: Die Bewegung der Sans papiers, die sogenannten Sans papiers de Saint Bernard, die fing an im März 1996, und das fing an, sagen wir mal, drei Jahre nach den letzten Gesetzen vom ehemaligen Innenminister Charles Pasqua, und diese Gesetze waren besonders scharf. Und durch diese Gesetze waren alle Türen geschlossen für die Sans papiers, weil man konnte die Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängern lassen. Das war nicht mehr möglich, weil … die Sans papiers von Saint Bernard, die meisten, 80 Prozent, hatten Papiere vorher. Das ist besonders in Frankreich. Und nur diese Papiere wurden nicht verlängert, und deswegen sind sie Sans papiers geworden. Die waren nicht am Anfang alle Sans papiers. Und deswegen haben sie gesagt: Das geht nicht so weiter, weil man muss was anfangen. Und da die Westafrikaner auch in Paris und Umgebung alle gemeinsam leben in Flüchtlingshäusern, da haben sie sich versammelt und dann kam die Idee, eine gemeinsame Aktion zu organisieren. Und diese Aktion war, gemeinsam an einem Tag eine Kirche in Paris zu besetzen. Die erste Kirche, die besetzt wurde, am 18. März, das war ein Montag, 1996, hieß Kirche Saint Ambroise.
Heise: Sans papiers, Menschen ohne Papiere leben illegal in Europa. Meine Gesprächspartnerin Madjiguène Cissé kennt dieses Leben aus eigener Erfahrung und sprich im Deutschlandradio Kultur über ihr politisches Engagement, über den Zusammenschluss dieser Menschen, die für ihre Rechte gekämpft haben. Das heißt, die Sans papiers, Frau Cissé, haben sich quasi sichtbar gemacht. Das kostet ja Mut. Sie haben ja bisher quasi im Untergrund, illegal, versteckt gelebt und haben sich dann ins öffentliche Bewusstsein geholt und gezeigt: Wir sind da und wir lassen uns das jetzt nicht mehr länger gefallen. War es ein politischer Erfolg, das zu tun?
Cissé: Ja, ein großer Erfolg, weil die Unsichtbaren, die waren plötzlich da, auf der Szene, und hatten ein Gesicht dann. Und das war sehr wichtig für uns, weil wenn man illegal oder "clandestin" sagt, kann man denken, ja, illegal, warum, und "clandestin", warum? Und: Vielleicht sind sie keine normale und ehrliche Leute, vielleicht reißen sie diese Handtaschen von den alten Damen weg, wenn es dunkel wird in den Straßen, auf den Straßen von Paris.
Heise: Und plötzlich hat man gesehen: Es sind ganz normale Leute.
Cissé: Ja. Und einmal entdeckte ganz Frankreich, wer die Sans papiers waren, weil als die Kirche besetzt wurde und als die ganze französische Presse kam, da haben die Franzosen entdeckt, dass Sans papiers, diese sogenannten Sans papier, ganz normale Männer und Frauen und Kinder waren. Und da haben sie dann angefangen, Meinungen zu ändern und haben gefunden, dass Sans papiers sogar auch sympathisch aussehen. Und das war eine Art Wende, weil sofort und sehr viel Unterstützung kam, von allen Seiten von der französischen Bevölkerung.
Heise: Also, das heißt, Sans papiers hatten Erfolg mit ihrer politischen Arbeit, es gab Legalisierungen, auch in ziemlich großem Maßstab Legalisierungen. Das heißt, sie haben erfolgreich in Frankreich für ihre Rechte gekämpft und der Kampf geht ja auch noch weiter. Sie persönlich sind 2001 dann zurückgegangen in den Senegal, und zwar widmen sie sich vor allem den Frauen. Sie versuchen, den Frauen Chancen einzuräumen. Sie haben auch da eine Bewegung mitgegründet, nennt sich Refdaf. Sie geben den Frauen Möglichkeiten, zum Beispiel an billige Kredite zu kommen. Was machen Sie noch?
Cissé: Alphabetisierung und Computerkurse, und dann machen wir noch Bauprojekte, weil wir haben eine Kooperative für die Frauen, Baukooperative. Refdaf heißt Frauennetzwerk für nachhaltige Entwicklung in Afrika.
Heise: Denn Sie gehen auch davon aus, dass die Frauen so als Motor der Familie sozusagen dann die ganze Familie aus der Armut auch …
Cissé: Ja, nicht nur Motor der Familie, sondern der ganzen Gesellschaft. Auf den Dörfern findet man eine Mehrheit von Frauen und in den Stadtvierteln, auch von den Großstädten, da sind auch die Frauen da, die das Leben organisieren. Da sind die Frauen, weil es gibt mit der Krise seit Ende der 70er-Jahre fast keine Industrie mehr in unseren Großstädten, und die Frauen machen alles, dass die Kinder auch essen können und dass die Kinder zur Schule gehen können. Und ich meine, Afrika kann man nicht ohne die Frauen entwickeln, das ist nicht möglich. Und deswegen haben wir gewählt, mit den Frauen zu arbeiten und diesen Frauen die Mittel zu geben, und Refdaf hat diese Wahl gemacht, mit den Frauen zu arbeiten, weil die Frauen da sind.
Heise: Sie bekommen für Ihre Arbeit, die Sie im Senegal aufgebaut haben, Unterstützung aus verschiedenen Ländern in Europa, aus Frankreich bekommen Sie Unterstützung, aus Italien, aus Deutschland bekommen Sie Unterstützung. Letztendlich lässt sich ja der Teufelskreis des Flüchtlingselends nur durchbrechen, indem man eben in den Heimatländern die Situation verändert. Haben Sie das Gefühl, dass das auch tatsächlich ankommt in Europa?
Cissé: Ja, ja. Wenn wir die Länder nicht entwickeln, wenn die Leute nichts zu Essen haben, wenn die Leute keine Bildung haben können, wenn die Leute, wenn sie krank sind, nicht zum Krankenhaus, dann werden die Leute eben andere Lösungen finden. Und ich meine, immer mehr sind europäische Institutionen davon bewusst.
Heise: Sagt Madjiguène Cissé, sie ist Mitbegründerin der Bewegung Sans papiers und engagiert sich seit vielen Jahren jetzt im Senegal für Frauen im Senegal. Frau Cissé, ich danke Ihnen recht herzlich für dieses Gespräch!
Cissé: Ich danke Ihnen auch!