Das Ende planen wie ein Projekt
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Im Friedwald, anonym - oder klassische Beerdigung: Wer heute schon seine Bestattung plant, kann aus einer Fülle an Möglichkeiten wählen. Philosoph Thomas Macho erläutert, welche Ansprüche daraus erwachsen und warum kaum jemand Gedenkorte im Internet nutzt.
Wenn heute ein Familienmitglied oder gute Freunde beerdigt werden, stehen dafür eine große Zahl an Ritualen und Orten für Abschied und Gedenken zur Verfügung, auch in Deutschland. Die Art wie hierzulande getrauert wird, unterscheidet sich zwar grundlegend von anderen Kulturen wie etwa in Mexiko. Dort veranstalten Familie und Freunde traditionell am 2. November an den Gräbern ihrer Lieben mit Picknick und Musik einen fröhlichen Dia de los Muertos - zum Feiertag Allerseelen, den Katholiken weltweit im Gedenken an die Verstorbenen begehen.
Doch ist heute auch bei uns vieles möglich, was früher undenkbar erschien – etwa Death Metal als Begleitmusik zum Abschiednehmen oder knallbunt bemalte und verzierte Särge.
Die Ritualisierung nimmt ab
Wie eine Kultur mit Tod und Gedenken umgehe, gebe auch Auskunft über ihr Selbstbewusstsein, sagt der Philosoph und Buchautor Thomas Macho. Auf Deutschland bezogen: "Wir haben gerade eine Phase, wo die Ritualisierung abnimmt, deshalb aber der Anspruch, das Ritual selber zu entwerfen und zu gestalten, zunimmt. Man kann eine ganze Menge mehr machen oder mit sich machen lassen als noch vor 10 oder 20 Jahren", sagt Macho, der viele Jahre lang Professor an der Berliner Humboldt-Universität war. Am heutigen 2. November erhält er den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa.
Wer Vorkehrungen für seine Bestattung treffe, könne zwischen Friedwäldern, Friedhöfen der Namenlosen aber auch klassischer Beerdigung im Sarg oder mit Einäscherung wählen. Mit oder ohne Musik, mit Trauerreden oder ohne. Es gebe heute auch eine Fülle von Literatur, die dabei helfe, "sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen" und das Ende vorweg zu planen – "wie ein Projekt", so Macho.
Internet passt nicht gut zur Sterbekultur
Wenn heute von "Angst vor dem Tod" die Rede ist, sei eigentlich "Angst vor dem Sterben" gemeint. Den Tod könnten sich die meisten nicht vorstellen, denn dann gebe es uns als Person ja nicht mehr, erklärt Philosoph Macho. Das Sterben könnten sich die meisten hingegen sehr wohl vorstellen.
Ein interessanter Aspekt auch im digitalen Zeitalter: "Offenbar passt das Internet nicht so gut zum Thema Sterbekultur, Erinnerungskultur und Gedenken." Denn die Online-Memorial-Halls seien nicht sehr erfolgreich.
(mkn/abr)