Wie wird der digitale Idiot wieder zum Herrn seiner selbst?
Im digitalen Schwarm schwebt man, meint Essayist Alexander Pschera: Im Netz gibt es alles und nichts, und damit verlieren die Menschen den Kontakt zu ihren Gefühlen. Für die Lösung dieses Problems hat er eine originelle Antwort, die er in einem überaus geschliffenen Büchlein darlegt.
Was bedeutet die Digitalisierung für unser Leben? Für unsere Erinnerung, unsere Sprache und unser Selbstverständnis? Mit seinem Buch "Vom Schweben. Romantik im Digitalen" betritt der Autor Alexander Pschera den expandierenden Club der digitalen Landvermesser. Zu dessen Mitglieder zählen so unterschiedliche Denker wie der Publizist Frank Schirrmacher mit seinem Buch "Ego" oder der Philosoph Byung-Chul Han mit "Im Schwarm".
In diesem relativ neuen Genre gilt es nicht nur, mögliche Gefahren einer sich virtualisierenden Welt zu benennen und wirksame Gegenstrategien zu entwerfen; sondern es geht vor allem darum, überhaupt gültige Beschreibungen zu finden für eine Veränderung, die so komplex und allumfassend ist, dass die gewohnten Worte und Wendungen sie kaum in den Griff bekommen.
Pscheras Essay beginnt mit dem Begriff des Schwebens. "Das Leben im digitalen Schwarm ist markiert von diesem Gefühl des Schwebens, diesem Überall und Nirgends, des Alles und Nichts." In dieser Bewegung sieht Pschera eine Parallele zur romantischen Ironie im Sinne Schlegels: "Ironie ist demnach der beständige Wechsel zwischen Setzung und Aufhebung, zwischen Poesie und Kritik, zwischen Schöpfung und Zerstörung, die sich in der Selbstbeschränkung aufheben."
Mit dieser kleinen Dialektik im Gepäck begibt sich der Autor zunächst ins digitale Unbehagen. In insgesamt 14 thematisch aufeinander bezogenen Miniaturen beleuchtet er neue Formen des Selbst- und Weltverlustes. Formulierungen wie "Was sich heute beobachten lässt, ist eine Anhäufung von Wissen jenseits der Person" oder "Die Universalisierung des Coachings rüstet optimal für die Diktatur des Allgemeinen" markieren aufs Bissigste die Einebnungstendenzen des Netzes. Denn alles ist verfügbar und somit flach, oder "horizontal", wie Pschera es nennt.
Auch die Menschen verlieren den Kontakt zu ihren eigenen Gefühlen, ihrer eigenen Tiefe. Wie wird der digitale Idiot wieder zum Herrn seiner Selbst? Hier verteidigt Pschera den Stil "als eine grundlegende Freiheit den Gegebenheiten des Wirklichen" gegenüber. "Stil haben heißt, das Ich setzt der Wirklichkeit in Form einer eigenen Sprache und damit in Form einer eigenen Gestalt Widerstand entgegen." Und wie bringt man Stil in die digitale Welt? "Stil setzt sich dort, wo er gelebt wird, der Technik entgegen, indem er an ihr scheitert." Der dadurch beständig erzeugte Abstand zum bruchlosen Funktionieren ermöglicht dem scheiternden Einzelnen immer wieder neue Weisen der Selbstbehauptung: ein Schweben.
Pscheras Beschreibung des Digitalen als romantischem Raum, der ein Ich formt, "das sich zwischen Auflösung und Neuerfindung bewähren muss" ist so scharfsinnig wie originell. Doch vor allem ist sein kühnes und geschliffenes Büchlein selbst ein überaus überzeugendes Beispiel für seine Forderung nach einer poetischen Wiederaneignung von Selbst und Welt.
Besprochen von Ariadne von Schirach
In diesem relativ neuen Genre gilt es nicht nur, mögliche Gefahren einer sich virtualisierenden Welt zu benennen und wirksame Gegenstrategien zu entwerfen; sondern es geht vor allem darum, überhaupt gültige Beschreibungen zu finden für eine Veränderung, die so komplex und allumfassend ist, dass die gewohnten Worte und Wendungen sie kaum in den Griff bekommen.
Pscheras Essay beginnt mit dem Begriff des Schwebens. "Das Leben im digitalen Schwarm ist markiert von diesem Gefühl des Schwebens, diesem Überall und Nirgends, des Alles und Nichts." In dieser Bewegung sieht Pschera eine Parallele zur romantischen Ironie im Sinne Schlegels: "Ironie ist demnach der beständige Wechsel zwischen Setzung und Aufhebung, zwischen Poesie und Kritik, zwischen Schöpfung und Zerstörung, die sich in der Selbstbeschränkung aufheben."
Mit dieser kleinen Dialektik im Gepäck begibt sich der Autor zunächst ins digitale Unbehagen. In insgesamt 14 thematisch aufeinander bezogenen Miniaturen beleuchtet er neue Formen des Selbst- und Weltverlustes. Formulierungen wie "Was sich heute beobachten lässt, ist eine Anhäufung von Wissen jenseits der Person" oder "Die Universalisierung des Coachings rüstet optimal für die Diktatur des Allgemeinen" markieren aufs Bissigste die Einebnungstendenzen des Netzes. Denn alles ist verfügbar und somit flach, oder "horizontal", wie Pschera es nennt.
Auch die Menschen verlieren den Kontakt zu ihren eigenen Gefühlen, ihrer eigenen Tiefe. Wie wird der digitale Idiot wieder zum Herrn seiner Selbst? Hier verteidigt Pschera den Stil "als eine grundlegende Freiheit den Gegebenheiten des Wirklichen" gegenüber. "Stil haben heißt, das Ich setzt der Wirklichkeit in Form einer eigenen Sprache und damit in Form einer eigenen Gestalt Widerstand entgegen." Und wie bringt man Stil in die digitale Welt? "Stil setzt sich dort, wo er gelebt wird, der Technik entgegen, indem er an ihr scheitert." Der dadurch beständig erzeugte Abstand zum bruchlosen Funktionieren ermöglicht dem scheiternden Einzelnen immer wieder neue Weisen der Selbstbehauptung: ein Schweben.
Pscheras Beschreibung des Digitalen als romantischem Raum, der ein Ich formt, "das sich zwischen Auflösung und Neuerfindung bewähren muss" ist so scharfsinnig wie originell. Doch vor allem ist sein kühnes und geschliffenes Büchlein selbst ein überaus überzeugendes Beispiel für seine Forderung nach einer poetischen Wiederaneignung von Selbst und Welt.
Besprochen von Ariadne von Schirach
Alexander Pschera: Vom Schweben. Romantik im Digitalen
Matthes & Seitz Berlin 2013
93 Seiten, 10,00 Euro
Matthes & Seitz Berlin 2013
93 Seiten, 10,00 Euro