Wieder vereint
Am 24. September 1922 fand in Nürnberg der Einigungsparteitag zwischen der Sozialdemokratischen Partei (SPD) und der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) statt. Zuvor war die USPD an der Frage des Anschlusses an die Kommunistische Internationale zerbrochen. Die linke Mehrheit wechselte zur KPD, die Minderheit schloss sich wieder mit der SPD zusammen.
Unter den Klängen des beliebten Kampfliedes "Tord Foleson" kamen am Sonntagmorgen des 24. September 1922 im festlich geschmückten Saal des Herkules-Velodroms in Nürnberg Delegierte der Sozialdemokratischen Partei und der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu einem gemeinsamen Parteitag zusammen. Der einzige Tagesordnungspunkt: Wiedervereinigung der beiden sozialistischen Parteien. Emil Fischer, Redakteur des lokalen SPD-Blatts "Fränkische Tagespost", begrüßte die Versammlung:
"Auf Euch schaut heute das ganze Proletariat der Welt. In Eure Hände ist eine heilige Aufgabe gelegt. Werdet Sendboten der großen Mission: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!"
Das Protokoll verzeichnete an dieser Stelle:
"Stürmischer, langanhaltender Beifall."
Die USPD war im April 1917, mitten im Weltkrieg, aus der Spaltung der deutschen Sozialdemokratie hervorgegangen. In ihr sammelten sich all jene Kräfte, die gegen eine Weiterführung des Krieges waren und eine Zusammenarbeit mit der Regierung strikt ablehnten. Für die hungernden, kriegsmüden Massen wurde die neue Partei zum Hoffnungsanker. Bis zum Kriegsende im Herbst 1918 blieb ihr der große Durchbruch noch versagt, doch das änderte sich im Laufe des Jahres 1919. Immer mehr von der Revolution enttäuschte Sozialdemokraten wandten sich der linken Konkurrenzpartei zu. Die Zahl ihrer Mitglieder stieg zwischen März und November 1919 von 300.000 auf 750.000. Bei den Reichstagswahlen im Juni 1920 konnte die USPD ihren Stimmenanteil von 7,6 auf 18 Prozent steigern, während die SPD von 37,9 auf 21,6 Prozent abstürzte, sich also fast halbierte. Die USPD war auf dem besten Wege, die SPD zu überflügeln und zur stärksten politischen Kraft in Deutschland zu werden.
Doch der imposante Aufstieg konnte die inneren Gegensätze nicht überdecken. Auf dem USPD-Parteitag in Halle im Oktober 1920 kam es zum Bruch: Eine linksradikale Mehrheit stimmte für den Anschluss an die Kommunistische Internationale. Das Gros der Mitglieder - fast 400.000 - ging zur Kommunistischen Partei Deutschlands, die sich erst dadurch von einer Sekte zur Massenpartei entwickelte. Die unterlegene Minderheit versuchte zunächst, die Parteiarbeit weiterzuführen. Nach der Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau im Juni 1922 regte sich jedoch in der Rest-USPD immer stärker der Wunsch nach einer Wiedervereinigung mit den Sozialdemokraten.
"Der Wille der Massen, sich zu einigen, fand sich zusammen mit der Einsicht der Führer","
beschrieb der USPD-Vorsitzende Arthur Crispién rückblickend die Stimmung. Bereits im Juli 1922 bildeten die Reichstagsfraktionen von SPD und USPD eine Arbeitsgemeinschaft. Zwei Sonderparteitage im August und September stimmten dem Zusammenschluss mit überwältigender Mehrheit zu. Damit war der Weg frei für den Einigungsparteitag in Nürnberg.
Durch eine symbolische Geste wurde die Einigung besiegelt: Wilhelm Pfannkuch, der 81-jährige Senior der SPD, und Wilhelm Bock, der 76-jährige Senior der USPD, reichten sich die Hände. Pfannkuch erklärte:
""Ich habe kaum gehofft, noch an meinem Lebensabend den Tag zu erleben, an dem die geeinigte sozialdemokratische Arbeiterschaft Deutschlands sich wieder entschlösse, den Kampf, den sie früher gemeinsam geführt hat, wieder gemeinsam aufzunehmen."
In seiner Schlussansprache beschwor der SPD-Parteivorsitzende Otto Wels unter dem Jubel der Delegierten die alte sozialistische Utopie:
"Unser letztes Ziel, das wir nie aus dem Auge verlieren dürfen, ist die Befreiung der Arbeit durch den Sozialismus. Aus dem Nichts ist unsere Bewegung emporgestiegen, höher und höher, und nun gilt es, im harten geistigen Ringen die Palme des letzten großen Sieges zu gewinnen."
Über 200.000 Mitglieder brachte die USPD in die Vereinigte Sozialdemokratische Partei ein. Sie verstärkten hier den ideologischen Traditionalismus und die Sehnsucht nach der alten Oppositionsrolle. So blieb bis zum Ende der Weimarer Republik in der SPD umstritten, was sie eigentlich sein wollte: eine demokratische Staatspartei oder eine proletarische Klassenpartei.
"Auf Euch schaut heute das ganze Proletariat der Welt. In Eure Hände ist eine heilige Aufgabe gelegt. Werdet Sendboten der großen Mission: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!"
Das Protokoll verzeichnete an dieser Stelle:
"Stürmischer, langanhaltender Beifall."
Die USPD war im April 1917, mitten im Weltkrieg, aus der Spaltung der deutschen Sozialdemokratie hervorgegangen. In ihr sammelten sich all jene Kräfte, die gegen eine Weiterführung des Krieges waren und eine Zusammenarbeit mit der Regierung strikt ablehnten. Für die hungernden, kriegsmüden Massen wurde die neue Partei zum Hoffnungsanker. Bis zum Kriegsende im Herbst 1918 blieb ihr der große Durchbruch noch versagt, doch das änderte sich im Laufe des Jahres 1919. Immer mehr von der Revolution enttäuschte Sozialdemokraten wandten sich der linken Konkurrenzpartei zu. Die Zahl ihrer Mitglieder stieg zwischen März und November 1919 von 300.000 auf 750.000. Bei den Reichstagswahlen im Juni 1920 konnte die USPD ihren Stimmenanteil von 7,6 auf 18 Prozent steigern, während die SPD von 37,9 auf 21,6 Prozent abstürzte, sich also fast halbierte. Die USPD war auf dem besten Wege, die SPD zu überflügeln und zur stärksten politischen Kraft in Deutschland zu werden.
Doch der imposante Aufstieg konnte die inneren Gegensätze nicht überdecken. Auf dem USPD-Parteitag in Halle im Oktober 1920 kam es zum Bruch: Eine linksradikale Mehrheit stimmte für den Anschluss an die Kommunistische Internationale. Das Gros der Mitglieder - fast 400.000 - ging zur Kommunistischen Partei Deutschlands, die sich erst dadurch von einer Sekte zur Massenpartei entwickelte. Die unterlegene Minderheit versuchte zunächst, die Parteiarbeit weiterzuführen. Nach der Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau im Juni 1922 regte sich jedoch in der Rest-USPD immer stärker der Wunsch nach einer Wiedervereinigung mit den Sozialdemokraten.
"Der Wille der Massen, sich zu einigen, fand sich zusammen mit der Einsicht der Führer","
beschrieb der USPD-Vorsitzende Arthur Crispién rückblickend die Stimmung. Bereits im Juli 1922 bildeten die Reichstagsfraktionen von SPD und USPD eine Arbeitsgemeinschaft. Zwei Sonderparteitage im August und September stimmten dem Zusammenschluss mit überwältigender Mehrheit zu. Damit war der Weg frei für den Einigungsparteitag in Nürnberg.
Durch eine symbolische Geste wurde die Einigung besiegelt: Wilhelm Pfannkuch, der 81-jährige Senior der SPD, und Wilhelm Bock, der 76-jährige Senior der USPD, reichten sich die Hände. Pfannkuch erklärte:
""Ich habe kaum gehofft, noch an meinem Lebensabend den Tag zu erleben, an dem die geeinigte sozialdemokratische Arbeiterschaft Deutschlands sich wieder entschlösse, den Kampf, den sie früher gemeinsam geführt hat, wieder gemeinsam aufzunehmen."
In seiner Schlussansprache beschwor der SPD-Parteivorsitzende Otto Wels unter dem Jubel der Delegierten die alte sozialistische Utopie:
"Unser letztes Ziel, das wir nie aus dem Auge verlieren dürfen, ist die Befreiung der Arbeit durch den Sozialismus. Aus dem Nichts ist unsere Bewegung emporgestiegen, höher und höher, und nun gilt es, im harten geistigen Ringen die Palme des letzten großen Sieges zu gewinnen."
Über 200.000 Mitglieder brachte die USPD in die Vereinigte Sozialdemokratische Partei ein. Sie verstärkten hier den ideologischen Traditionalismus und die Sehnsucht nach der alten Oppositionsrolle. So blieb bis zum Ende der Weimarer Republik in der SPD umstritten, was sie eigentlich sein wollte: eine demokratische Staatspartei oder eine proletarische Klassenpartei.