Der Streit ebbt nicht ab
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Seit rund zwei Jahren wird der Turm der Garnisonkirche in Potsdam wieder aufgebaut. Gestritten wird über dieses Bauvorhaben aber schon sehr viel länger. Auch auf der Podiumsdiskussion konnte keine Einigung zwischen Gegnern und Befürwortern gefunden werden.
Es ist mehr als nur ein ästhetischer Glaubensstreit von DDR-Architektur versus preußische Baukunst, der um den Wiederaufbau der Garnisonkirche geführt wird. Wie erbittert auf beiden Seiten gefochten wird, zeigte sich auf einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend im akademisch geadelten Rahmen der Akademie der Künste.
"Irritiert Sie das nicht, dass die AfD sich so vehement für den Wiederaufbau der Garnisonkirche einsetzt", fragte der ehemalige Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt den früheren evangelischen Bischof von Berlin und Brandenburg, Wolfgang Huber. "Wenn das ein Lernort an so einem problematischen Ort sein soll. Warum macht die AfD das?" "Sie führen doch eine Stellvertreterdebatte, es geht Ihnen doch eigentlich um etwas ganz anderes", kontert Huber. Menschen, nicht die Gebäude, seien verantwortlich für das, was in ihnen geschehen sei.
"Und die Tatsache, dass wir heute wissen, dass in der Geschichte dieses Orts Bilder von Identität entstanden sind, die wir heute inakzeptabel finden, garantiert uns doch übrigens nicht, dass nicht in der Art und Weise, in der wir heute mit Identität umgehen, auch Fehler stecken könnten", so Huber weiter. "Und spätere Generationen unseren heutigen Zeitgeist in bestimmter Hinsicht außerordentlich problematisch finden."
Zehn Jahre Kampf für Wiederaufbau
Oswalt ist Initiator eines offenen Briefes, mit dem sich über 100 Unterzeichner aus Kultur, Politik und Zivilgesellschaft gegen die Rekonstruktion der Garnisonkirche ausgesprochen haben. Mit "Bruch statt Kontinuität" ist der Text überschrieben. Huber sitzt seit zehn Jahren dem Förderverein für den Wiederaufbau vor, der den historisch originalgetreu wiederhergestellten Barockturm als einen Lernort des Friedens und der Versöhnung wieder aufbauen will.
Für einen Lernort müsse man nicht erst ein Gebäude wiederauferstehen lassen, das für Revisionismus stehe und den Geist des alten Preußens, in dem sich Kirche, Macht und Militarismus als Einheit inszenierten, so die Kritiker. Die Pastorin Hildegard Rugenstein spricht gar von einem "Monster", das da im Namen der Kirche gebaut werde, die mangelnde Sensibilität der Evangelischen Kirche (EKD) gegenüber den Protesten, bezeichnete sie als "beschämend".
"Ich sag mal ein bisschen provozierend, Sie können auch die Quäker da reinholen, und die sind nun wirklich für den Frieden. Von außen wird die Sprache gesprochen. Und der Turm spricht seine Sprache, der hat seine Geschichte, und was das drin geredet wird, das ist sekundär", so Rugenstein.
"Ich sag mal ein bisschen provozierend, Sie können auch die Quäker da reinholen, und die sind nun wirklich für den Frieden. Von außen wird die Sprache gesprochen. Und der Turm spricht seine Sprache, der hat seine Geschichte, und was das drin geredet wird, das ist sekundär", so Rugenstein.
Garnisonkirche ist geschichtsbelasteter Ort
Auch das Publikum ist gespalten, mal wird hier zu laut gelacht, dann wieder dort nach einer Wortmeldung gezischelt. Das Thema ist so aufgeladen, weil die Garnisonkirche nicht nur eine der schönsten preußischen Barockkirchen und identitätsstiftender Teil der Stadtsilhouette war, sondern auch ein geschichtsbelasteter Ort: Am 21. März 1933 bildete sie die Kulisse für den "Tag von Potsdam", an dem der Händedruck zwischen Hitler und Hindenburg das Bündnis der Deutschnationalen mit dem NS-Regime besiegelte.
Schon in der Weimarer Republik war sie Symbolort und Sammelpunkt republikfeindlicher militaristischer Kräfte. Die erste Initiative zum Wiederaufbau ging dann auch von einem rechtslastigen Traditionsverein aus, der bereits 1990 die historischen Glocken des Turms neu gießen ließ und der Stadt zum Geschenk machte. Vorher ließen sie allerdings "Deutschland in den Grenzen von 1937" und andere rechtsradikale Widmungen hineingravieren.
Die Kunsthistorikerin und grüne Stadtverordnete Saskia Hüneke, die 1990 für das Neue Forum in Potsdam als Kulturstadträtin tätig war, berichtet, wie die historische Stadtmitte nach der Wende ausgesehen hat: riesige Brachen und aufgerissene Straßenflächen. Sie erklärt: "Dieser Eindruck ist dann der Grund dafür gewesen, dass die erste Stadtverordnetenversammlung 1990, als das erste Mal eine freie Wahl möglich war, mit großer Mehrheit Beschlüsse gefasst hat, die in die Richtung der Wiedergewinnung dieser Potsdamer Mitte gezeigt haben und dann in dem Zusammenhang auch einen Beschluss gefasst haben zur Garnisonskirche und zur Annahme des Glockenspiels."
Eine kontinuierliche gesellschaftliche Entscheidung
Bei diesem Beschluss sei die Stadtverordnetenversammlung auch nach mehreren Wahlen und wechselnden Mehrheiten geblieben, so Hüneke. Die Rekonstruktion der Kirche sei also eine kontinuierliche gesellschaftliche Entscheidung gewesen.
Zählt am Ende die Sehnsucht nach vergangenem Glanz und Stadtidentität oder die Reproduktion von Geschichtsbildern, von denen man sich eigentlich distanzieren muss? Eine schwierige Debatte, die nicht dadurch leichter wird, dass der Bau bis heute auf rechtsgerichtete Kreise eine magische Anziehungskraft ausübt. Eines ist sicher: Der Streit wird auch dann nicht beendet sein, wenn der Barockturm der Garnisonkirche wieder steht.