Afrikanische Perspektive im Vordergrund
Seit Monaten wird diskutiert, wie Museen mit Objekten umgehen sollten, die während der Kolonialzeit geraubt wurden. Nikolaus Bernau hat sich angeschaut, ob sich das heute wiedereröffnete Afrika-Museum bei Brüssel auf der Höhe der Debatte befindet.
In Brüssel ist das Afrika-Museum nach fünf Jahren Umbauzeit wieder eröffnet worden. Es galt als das letzte Kolonial-Museum der Welt, die eigene Kolonialzeit wurde als ruhmreiche Epoche dargestellt. Das brutale Vorgehen gegen die Bevölkerung wurde verschwiegen. Das soll nun anders werden.
Im Vergleich zum alten Museum gebe es bei der neuen Dauerausstellung zwei große Unterschiede, sagt unser Kritiker Nikolaus Bernau. Das eine sei die schier unglaubliche Sammlung, die in ihrer Breite nun besser zur Geltung komme. "Das sind einfach irre Bestände. Es ist sowohl eine kulturhistorische als auch eine naturgeschichtliche Sammlung. Sie soll eben ganz Zentralafrika zeigen." Es gebe eine große Vielfalt an Artefakten. "Da gibt es einfach ganz fantastisch schöne Gegenstände. Und das wird jetzt umso deutlicher."
Die Geschichte begann nicht erst mit den ersten Europäern
Das andere sei, dass die Perspektive auf Afrika, auf Afrikaner und auf, im allgemeinen Sinne, afrikanische Kultur sich geändert habe. Das verdeutliche auch die Aussage der Kuratorin Bambi Ceuppens: "Wenn Sie die alte Ausstellung besucht haben, bekamen Sie den Eindruck, dass die Geschichte mit dem Eintreffen der Europäer Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hat." Mit dieser Legende sei nun Schluss. "Wir haben uns nun entschlossen, die afrikanische Perspektive in den Vordergrund zu rücken."
Man sehe in dieser Ausstellung sehr viele afrikanische Gesichter, sagt Bernau. "Das heißt, eigentlich eher schwarze Gesichter, denn viele sind schlichtweg Belgier, aber eben Belgier schwarzer Hautfarbe. Und das ist schon etwas Besonderes. Wenn man sich die internationale Museumslandschaft anschaut, kenne ich das so nur noch im National Museum of African American History and Culture in Washington."
Die Kulturgeschichte werde bei der Schau immer direkt in Bezug gesetzt zu dem, was heute passiere. "Man hat zum Beispiel alte Masken, die bei Hochzeitszeremonien benutzt wurden, und direkt daneben kann man Videos sehen, in denen gezeigt wird, wie heute Hochzeiten gefeiert werden."
Irritierend sei im Zuge der aktuellen Debatte um koloniale Raubkunst, dass es trotzdem ein sehr belgisches Museum sei, so Bernau. "Man ist sehr höflich zu den weißen Belgiern. Die Geschichte Belgiens im Kongo ist ganz furchtbar blutig gewesen. Das wird zwar alles gezeigt, aber nicht in der Schärfe, in der man sich das hätte vorstellen können. Das ist sehr sehr abgepuffert." Ebenfalls erstaunlich sei, wie höflich die Ausstellungsmacher gegenüber heutigen afrikanischen Regimes wie etwa Ruanda oder dem Kongo seien. Außerdem werde versucht, die gesamte postkoloniale Debatte auf Belgien runterzubrechen. Im Prinzip sei das Museum daher immer noch ein Kongo-Museum, keines, das ganz Afrika abbilde.
Demokratische Republik Kongo fordert Rückgabe
Die Demokratische Republik Kongo hat gefordert, die aufbewahrten kongolesischen Sammlungen zurückzugeben. Damit seien die Ausstellungsmacher von hinten erwischt worden, meint Bernau. Hinter der Hand sei zu hören, dass man schwerlich die Sammlung an den Diktator Joseph Kabila überreichen könne, wenn man doch mit der Sammlung die Freiheit und die Befreiung Kongos feiere.
"Da steckt noch viel Debattenstoff drin. Genau der Stoff, den wir anderswo auch haben: An wen zurückgeben? Mit welcher Begründung? Mit welchem Kontext? Welche Relevanz haben europäische Museen für die Botschaft Afrikas in der Welt?"