Urauffühung von "Wie geht es weiter? Die gelähmte Zivilgesellschaft" vom Aktionstheater Ensemble ist am 4. Juni beim Festival Bregenzer Frühling.
Theater gegen die gelähmte Zivilgesellschaft
10:15 Minuten
Die Ibiza-Affäre fiel mitten in die Probenarbeiten zum Jubiläumsstück des Wiener Aktionstheater Ensembles. Seit 30 Jahren inszeniert das freie Theater aktuelle, politische Stücke. Nun aber stand es vor einer „ganz großen Challenge“, sagt ihr Leiter Martin Gruber.
Seit drei Jahrzehnten arbeitet sich das Aktionstheater Ensemble – ein Urgestein der österreichischen Theaterszene – an der politischen und gesellschaftlichen Situation in unserer Gegenwart ab. Zuerst mit ungewöhnlichen Interpretationen von Klassikern, inzwischen mit eigenen Stücken: immer politisch und immer ganz nahe an den Dingen, die nicht nur Österreich bewegen.
2016 gab es dafür den Nestroy-Preis, den österreichischen "Theater Oskar". Und nächste Woche erscheint die Jubiläumsproduktion "Wie geht es weiter – Die gelähmte Zivilgesellschaft".
Die Ibiza-Affäre und die darauf folgenden politischen Ereignisse in Österreich hat die Theatertruppe mitten in den Probearbeiten erwischt:
"Wir waren schon mitten in Proben und das war sozusagen der I-Punkt darauf. Ich muss aber auf der anderen Seite sagen, dass mich das Ganze jetzt, was den Inhalt betrifft, nicht sonderlich überrascht hat. Das Einzige, was mich vielleicht überrascht hat, ist, dass man so doof ist, und sich dabei erwischen lässt. Das ist etwas Anderes, aber wer sich in Österreich mit Politik auseinandersetzt, der weiß ja, was da für eine geistige Haltung dahintersteckt."
Theater darf nicht ins Cabaret abrutschen
Für Grubers eigene Inszenierung war dabei schnell klar, dass dieses Material aufgegriffen werden müsse – allerdings eher über Umwege:
"Das war für uns immer wieder eine ganz große Challenge zu sagen: Wie bringen wir das jetzt noch rein, ohne es 'rein zu bringen'?", sagt der Leiter des Aktionstheater Ensembles, Martin Gruber. Schließlich gehe es darum, nicht mit Ibiza-Songs oder Ähnlichem in eine oberflächliche Kabarettnummer abzurutschen, sondern Hintergründe zu verdeutlichen.
Schwierig sei dabei auch gewesen, dass das Video selbst schon eine kaum mehr zu steigernde Inszenierung darstelle. Schließlich seien die Ibiza-Aufnahmen ein wunderbares Trash-Video. "Machismo zum Beispiel kann man fast nicht besser darstellen: Wenn der dahinten mit der Knarre steht und der Mittelpunkt ist das Gemächt. Der andere raucht sich eine nach der anderen runter. Und dann kommt auch noch das Österreichische: 'Schoarf, woa, ist die schoarf.' Dann ist das natürlich ein Fest."
Der eigenen Unzulänglichkeit nachspüren
Beim Aktionstheater wolle man aber bei den "eigenen xenophoben Partikeln anfangen" und nicht mit erhobenen Zeigefinger sagen: "Ihr seid alle so doof und wir sind die Intelligenten. Das mag ich am Theater nicht." Vielmehr wolle er als Theatermacher von den eigenen Unzulänglichkeiten ausgehen.
"Das ist für die liberal-progressive Hälfte der Gesellschaft auch wichtig. Da ist die Gefahr der Arroganz und die Gefahr des 'Ich weiß es besser' sehr, sehr groß." Schließlich sei es entscheidend, den Dialog mit seinem Gegenüber eingehen zu können.
"Das ist für mich eine Frage des Menschenbilds. Ich möchte, dass man die Figuren, auch wenn sie noch so scheiße sind oder noch so beschissene Dinge sagen, aber ich möchte, dass man die Figuren, die auf der Bühne stehen, versteht – und ich möchte auch eine bestimmte Form der Identifikation möglich zu machen."