Von der Früh bis Mitternacht
Ruhe, unzählige Kaffeesorten und dazu der passende Kuchen: Was der Wiener zum Glücklichsein braucht, findet er in einem der Kaffeehäuser der Stadt - und das seit mehr als 100 Jahren. Eines der Traditionshäuser ist das Café Landtmann. Dessen Chef Berndt Querfeld ist sogar Präsident der Kaffehaus-Vereinigung.
"Also ich reduziere mich nicht auf die Dienstleistung. Da könnt ich gleich zum Automaten gehen ..."
Stefan Gregorich ist seit Jahrzehnten Stammgast im Café "Landtmann". Ein gepflegter Mann im dunklen Anzug. Einstecktuch und Krawatte sind farblich aufeinander abgestimmt. Meist sitzt er an einem Tisch am Fenster, liest Zeitungen, beobachtet die anderen Gäste und lässt sich besonders gern von Ober Daniel bedienen, nicht ohne einen kurzen Plausch oder "Tratschl" wie der Wiener sagt:
"Wir haben Stammgäste die brauchen das. Die Ansprache, dass sie jeder begrüßt. Dafür kommen sie ins Kaffeehaus. Das sind dann die, die sich nicht unbedingt verstecken, die wir natürlich auch haben. Die kommen hier auf einen kleinen Braunen, den kaufen sie sich und dann sind die hinter den Zeitungen nicht zu sehen und sitzen so zwei Stunden und nach dem Zeitungslesen zahlen sie und das war's."
Kostenlose Zeitungen als Innovation
1720 war das Kramersche Kaffeehaus am Wiener Graben das erste, das kostenlos Zeitungen auslegte. Literaten, Künstler, Professoren oder Studenten lasen so Nachrichten aus aller Welt. Der Schriftsteller Stefan Zweig nannte das Kaffeehaus die beste Bildungsstätte seiner Jugend.
"Zeitungen waren teuer, der Zugang zu Tageszeitungen war wenigen vorbehalten, Polizeistaat und Information – das wollte man nicht und die Kaffeesieder haben angefangen die Zeitungen im Kaffeehaus aufzulegen und zu teilen. Sie schafften sich damals beim interessierten Publikum einen Wettbewerbsvorteil und das ist bis heute Teil der Kaffeehauskultur. Wie schafft man es, sich das zu leisten? Na ja, jeder der nach Wien kommt, wird drauf kommen, dass vielleicht die Schale Kaffee ein wenig teurer ist als woanders, da wird es eingepreist."
Der kleine Braune kostet um die 3,50 Euro und die Wiener Melange, bestehend aus einem Teil Kaffee, und einem Teil Milch mit einer Haube Milchschaum, kommt auf 5,50 Euro. Der Eintrittspreis für die Wiener Kaffeehauskultur ist nicht billig. Dafür gibt es nationale und internationale Zeitungen, einen gesprächsbereiten Ober, illustre Gäste und das Glas Wasser zum Kaffee umsonst. Letzteres hat eine Geschichte, die Berndt Querfeldt, als oberster Kaffeesieder, natürlich kennt:
"In Wien haben wir ein extrem gutes Wasser mittlerweile, das war nicht immer so. Und aufgrund der unsauberen Brunnen haben die Kaffeehäuser sich genötigt gefühlt, den Gästen die Sauberkeit des Wassers zu zeigen. Das Glas Wasser zum Kaffee soll dem Gast zeigen, mit diesem reinen Wasser kochen wir Kaffee."
Extrem gutes Wasser dank Kaiser Franz Josef
Kaiser Franz Josef ist es zu verdanken, dass seit 1873 das klare Hochquellwasser aus dem Rax- und dem Schneeberggebiet durch die Wiener Wasserleitungen fließt.
"Im Kaffeehaus hat vieles Zeit. Es ist nicht so, dass hinter jedem Gast ein Ober steht. Dann passieren dann schon mal so Geschichten: ein Gast sitzt zweieinhalb Stunden bei einer kleinen Konsumation. Aber wenn es ums Zahlen geht, dann ist er plötzlich auf der Flucht, dann ist jede Minute, die der Ober nicht kommt, schon eine Minute zu viel.
Die Wiener Kaffeehauskultur ist ein Touristenmagnet wie die Staatsoper, der Stephansdom oder die Sängerknaben. Die unzähligen Wiener Kaffeehäuser bewegen sich zwischen Tradition und Moderne, von mondän bis morbid. Jeder kann sein Kaffeehaus finden und seine Kaffeehausspezialität.