"Der Tod, das muss ein Wiener sein, genau wie die Liab a Französin.
Denn wer bringt dich pünktlich zur Himmelstür, da hat nur a Wiener das Gspür dafür.
Der Tod, das muss ein Wiener sein, nur er trifft den richtigen Ton:
Geh Schatzerl, geh Katzerl, ja was sperrst dich denn ein. Der Tod muss a Weaner sein."
(Georg Kreisler: "Der Tod muss ein Wiener sein")
Metropole des Morbiden
![Ein metallener Totenkopf mit Krone und fehlenden Zähnen. Ein metallener Totenkopf mit Krone und fehlenden Zähnen.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_1/40/FILE_140ae7e5b0b2397917bbef40ad036b2e/imago0105482831h-2-jpg-100-1920x1080.jpg)
Er hat die Patsch´n g´streckt.
Er hat a Bank´l g´rissn.
Er hat se niedag´legt.
Er hat se d´ Erdäpfel von unt´ ang´schaut.
Er hat se sozusagn ins Holzpyjama g´haut."
Roland Neuwirths "Ein echtes Wienerlied" – ein Lied, das zur Gänze aus Bezeichnungen für das Sterben besteht. Die Wienerinnen und Wiener machen viele Worte um den Tod. Denn der Tod ist ein wichtiger Teil ihres Lebens. Österreichs Hauptstadt wird traditionell ein Hang zum Morbiden unterstellt.
"Ich glaube, dass es schon ein Klischee ist. Ein allerdings in Wien in einer bestimmten Schicht lieb gewordenes Klischee, das man auch gern zelebriert, und das gefällt einem", sagt der Trauerredner Rudolf Nagiller.
"Bei den Menschen, mit denen ich zu tun habe, da erlebe ich das überhaupt nicht, da findet das nicht statt. Die sind einfach traurig."
Die Gebäude verströmen Melancholie
Barbara Kadis Praxis befindet sich in jenem Haus, in dem der Schriftsteller Jura Soyfer bis zu seiner Verhaftung 1937 gewohnt hatte. Einem ehrwürdig-gediegenen Gründerzeit-Gebäude im 7. Wiener Gemeindebezirk:
"Ich weiß nicht, ob die Melancholie in Wien nicht mehr an den Gebäuden hängt und an der Art, wie die Stadt organisiert ist, und wo Menschen, die hier sind, das dann auch auf eine Weise einatmen. Ob ich das so an den Menschen festmachen würde, da wäre ich nicht so sicher."
"Der Tod, das muss ein Wiener sein"
"Das ist interessant, dass Freud topografische Beschreibungen auch verwendet, um bestimmte Zustände zuzuordnen. So ordnet er die Liebe Paris zu und nicht Wien."
Sigmund Freud und der Tod
"Wir befinden uns im neu eröffneten Museum, im Sigmund-Freud-Museum in der Berggasse 19. Hier hat Freud zwischen 1891 und 1938 gelebt, gewohnt, gearbeitet", erklärt Daniela Finzi, die wissenschaftliche Leiterin des Museums. Wiederum ist es ein würdiges Gründerzeithaus. Hohe Räume, knarrendes Parkett, spärlich möbliert, denn als Freud 1938 vor den Nazis flüchten musste, gelang ihm dies mit seinem gesamten Hab und Gut. Hier hat Freud seine Triebtheorie entwickelt, in den 1920er-Jahren dem Sexualtrieb den Todestrieb gegenübergestellt. Sigmund Freud ist drei Wochen nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gestorben. Stark geprägt hat ihn der Erste Weltkrieg, erfahrbar in seiner Schrift "Zeitgemäßes über Krieg und Tod".
"Diese Publikation besteht aus zwei Texten, einem Text über den Krieg und einer anderen Auseinandersetzung mit dem Tod, die mit den Worten Freuds schließt: ‚Wenn du dich auf das Leben einstellen willst, dann richte dich auf den Tod ein‘. Das heißt, dass für Freud die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit, mit dem Sterben, mit dem Tod etwas ganz Zentrales und Wichtiges auch war, um das Leben in all seiner Facettenhaftigkeit auch erfahren und schätzen zu können."
![In einem Salon stehen rote Polstermöbel, an den Wänden hängen gerahmte Schwarzweiß-Bilder. In einem Salon stehen rote Polstermöbel, an den Wänden hängen gerahmte Schwarzweiß-Bilder.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_c/bc/FILE_cbcb9fdd03a208f5108e5c96d501f6f2/imago0103676507h-jpg-100-1280xauto.jpg)
"Das Besondere an diesem Schriftstück ist, dass erkennbar ist, dass diese Todesanzeige von ihm schon vorformuliert war, mit Angabe all der trauernden Familienmitglieder und dann mit Bleistift, also einem anderen Stift, die konkreten Daten eingefügt wurden. Dazu ist aber auch zu sagen, dass Freud ein solches Schriftstück im Vorhinein nicht nur für den Tod der Mutter, sondern viele, viele Jahre zuvor schon für sein eigenes Ableben vorbereitet hatte. Ich glaube tatsächlich, dass das etwas ist, was ihn eher mit den Wienern verbunden hat. Es gab da sicherlich auch den Wunsch, alles zu kontrollieren und vorherzusehen."
"Ein ganz großes Problem war um die Zweitausenderwende. Die Ella Saul ist gestorben. Daten okay. Adolf Saul hat das bestellt und hat sich auch schon eingravieren lassen: Geburtsjahr. Und dann hat er bis 19... Und dann hat er freigelassen. Gestorben ist er 2001. Leinwand, nicht? Heißt: Stein abtragen, ausschleifen, komplett neu gravieren, weil das einfach nicht mehr gestimmt hat."
Grabsteininschriften, die viel verraten
"Einem Dr. Dr. habe ich eine Metallschrift bestellt in Deutschland, und da habe ich die Anfrage bekommen, was das auf sich hat mit diesem Grab, ob der was mit der DDR zu tun hat, weil bei Dr. Dr. ist draußen nicht bekannt, dass man das ‚DDr.‘ schreibt."
"Also, a schöne Leich ist wichtig."
A schöne Leich: also eine würdevolle Beisetzung. Denn das Wort "Leich" bedeutet im Wienerischen auch: Begräbnis.
Mozart im Massengrab als Touristenattraktion
"Mozart ist am Sankt Marxer Friedhof, dem ältesten Biedermeier-Friedhof Wiens, begraben. Man weiß nicht genau, wo dieses Massengrab ist, in dem er liegt. An einer Stelle, wo er sein könnte, hat man ein Denkmal aus alten Teilen zusammengebaut, eine Stele, eine gebrochene Säule, an die sich ein trauernder Genius anlehnt mit einer Tafel mit ‚W. A. Mozart‘, und, ich glaube, eine Jahreszahl ist auch drauf. ‚Ist unter der Betreuung der Gemeinde Wien.‘ Ich habe den Auftrag bekommen, es zu restaurieren, weil es eben nicht mehr ganz in Ordnung war. Man musste es abtragen.
Schmeisers Werkstätte befand sich in den ehemaligen Gemüsekellern des Schlosses Schönbrunn. Die einstigen Schlossbesitzer, die Habsburger, über Jahrhunderte Österreichs Herrschergeschlecht, sind in der Kapuzinergruft im ersten Bezirk bestattet – zumindest teilweise.
"König Ferdinand IV. war dann der Erste, der entschieden hat, er möchte, dass sein Herz in der Loretokapelle in der Hofkirche bei den Augustinern in der Hofburg begraben ist, das war quasi die Pfarrkirche der Habsburger, und seine Eingeweide in der Herzogsgruft im Stephansdom, was also die Metropolitankirche war."
Der Rest des Körpers wurde in den Kellergewölben neben dem Kapuzinerkloster bestattet. Peter Grubits ist der Geschäftsführer der Kapuzinergruft, die von mehr als 200.000 Menschen im Jahr besucht wird. Als toter Monarch auf mehrere Beisetzungsorte aufgeteilt zu werden, hatte durchaus spirituell-praktische Gründe, sagt Grubits.
"Wenn man an die Reliquienfrömmigkeit des Mittelalters denkt, wenn wer jetzt Eingeweide, Herz und den Leichnam an drei verschiedenen Orten hat, dann war es möglich, an drei verschiedenen Orten für die Verstorbenen zu beten. Und es war natürlich dreimal so wirksam."
![Auf einem Grab steht eine zerbrochene Stele, an die sich eine Steinfigur anlehnt. Auf einem Grab steht eine zerbrochene Stele, an die sich eine Steinfigur anlehnt.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_3/7e/FILE_37ed95f0842e64a1c7c4a637781dae53/imago0090047297h-jpg-100-1280xauto.jpg)
Devotionalien an Kaiserin Sissis Grab
"Die Metallsarkophage sind teilweise aus Bleilegierungen, aus Zinnlegierung, die letzten aus Kupferblech. Man hat sehr auf die Dichtheit dieser Sarkophage geachtet. Sie werden hier in der Gruft keine Geruchsbelästigung vorfinden. Und das ist schon zum Großteil der Arbeit der Metallgießer und der Handwerker aus der Zeit der Entstehung der Sarkophage zu verdanken. Das große Problem, das wir bis zur letzten Jahrtausendwende hatten, ist, dass die Luft in der Gruft so eine hohe relative Luftfeuchtigkeit hat, dass die Korrosion fast alle Särge sehr geschädigt hat. Man musste schon nach 100 Jahren mit den ersten Restaurierungsarbeiten beginnen."
Inzwischen sorgt eine Klimaanlage für fast heimeliges Raumklima. Die Särge ruhen oft auf wuchtigen metallenen Tierpranken, an ihren Ecken wachen gekrönte Totenköpfe. Hie und da haben Besucher davor Devotionalien abgelegt. Am Sarg der besonders in Ungarn verehrten Kaiserin Sissi leuchten rot-weiß-grüne Bänder und Fähnchen. Am Sarg von Kaiser Maximilian von Mexiko lehnt ein schwarzer Sombrero. Münzen hat jemand abgelegt sowie einen handgeschriebenen Zettel: Mexico te necessita – Mexiko braucht dich.
"Sicher stimmt es, dass der Wiener, die Wienerin ein besonderes Verhältnis zum Tod hat, es wird ein bissel Morbidität der Stadt nachgesagt. Und das kann man da natürlich hautnah erleben, weil, diese Prunksarkophage sind halt einfach nur Schmuckstücke."
Der pompöseste Sarkophag ist jener von Maria Theresia und ihrem Mann Franz Stephan von Lothringen. Sein Gewicht wird auf bis zu 17 Tonnen geschätzt. Vor dieser trotzigen Demonstration der Macht steht wie als Kontrast ein schlichter Kupfersarg, letzter Ruheort von Maria-Theresias Sohn und Nachfolger, Josef II., einem Zeitgenossen des Preußenkönigs Friedrich II. Als aufgeklärter Herrscher setzte Joseph zahlreiche Reformen durch, bis hin zum Bestattungswesen. So gesehen wirkt sein Kupferbehältnis fast schon imperial. Denn im Wiener Bestattungsmuseum steht ein Exemplar seiner Erfindung, die er dem gemeinen Volk zugedacht hatte.
"Der josephinische Klappsarg, Sparsarg, ein wiederverwendbarer Sarg. Sie sehen, es ist eine Klappe da unten, die man schließen kann. Jeder, der stirbt, wird nackt in Leinen genäht, mit diesem Sarg aufgebahrt, den die Kirche zur Verfügung stellen musste. Und am Abend oder zu später Nachtstunde ist er so gut wie alleine zum Friedhof gebracht worden, über ein Sammelgrab gestellt, der Tote oder die Tote ist in das Grab rein gepurzelt. Und Klappe zugemacht und ab zum Nächsten."
Nach einem halben Jahr musste Joseph II. die Reform wieder zurücknehmen, weil das Volk sonst revoltiert hätte, erzählt Erich Traxler von der Wiener Bestattung. Das Bestattungsmuseum befindet sich unterhalb von Halle 2 beim zweiten Tor des Wiener Zentralfriedhofs. Mit einer Größe von 2,5 Quadratkilometern ist er der zweitgrößte Friedhof Europas, nach jenem von Hamburg-Ohlsdorf, dem größten Parkfriedhof der Welt.
"Aber von den Grabstellen ist der Wiener Zentralfriedhof der größte von Europa. Und hier haben wir circa 330.000 Grabstellen mit circa drei Millionen Verstorbenen. Also sprich: Der Wiener Zentralfriedhof hat mehr Einwohner unter der Erde als ganz Wien über der Erde. Es lebe der Zentralfriedhof."
![Reich verziertes Grab von Kaiserin Maria Theresia in der Wiener Kapuzinergruft. Reich verziertes Grab von Kaiserin Maria Theresia in der Wiener Kapuzinergruft.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_c/d4/FILE_cd4203118672d24df1d89330f5cde72d/imago0105482656h-jpg-100-1280xauto.jpg)
"Es lebe der Zentralfriedhof
Und alle seine Toten.
Der Eintritt is´ für Lebende heut´ ausnahmslos verboten."
(Wolfgang Ambros "Es lebe der Zentralfriedhof")
"An einem guten Tag geht von der Halle 1, wo es mehrere Beerdigungsräume gibt, von 8 bis 15 Uhr alle 30 Minuten eine Beerdigung weg."
Zu Allerheiligen wird das Grab in Ordnung gebracht
"Ich komme in die Aufbahrungshalle, und sie sind dabei, den Teppich einzurollen. Dieser Teppich liegt immer dort, der ist noch nie weggerollt worden. ,Also warum rollt´s ihr den Teppich weg?´ Ja, der Angehörige, der das Begräbnis seiner Tante organisiert, der ist von der Bestattung, und der weiß: Ohne Teppich ist es 20 Euro billiger."
Was keineswegs den Eindruck erwecken soll, den Wienern liege nichts an ihren Verstorbenen, wie Hans Bensdorp bestätigt.
"Ich glaube schon, dass der Tod irgendeine ganz besondere Bedeutung hat in der ganzen Sprache, auch die Art und Weise, wie Friedhöfe betreut werden. Vor Allerheiligen, da lassen die Leute ihre Gräber herrichten, da müssen die Steinmetze noch geschwind herhalten, um alles in Ordnung zu machen, damit ja die Frau Nachbarin nicht sagen kann: Die haben das Grab nicht hergerichtet. Also, das ist schon sehr, sehr wichtig in Wien."
![Porträt eines älteren, weißhaarigen Mannes, der Brille, Jacke und einen gestreiften Schal trägt. Porträt eines älteren, weißhaarigen Mannes, der Brille, Jacke und einen gestreiften Schal trägt.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_e/19/FILE_e19149618d274534b4f445bc0462b101/2650079234-img-4075-jpeg-100-1280xauto.jpg)
Die unbekannten Toten vom Friedhof der Namenlosen
Und es gibt jene, die keine Beachtung von Angehörigen erfahren, weil sie niemand kennt. Es sind die anonym Bestatteten auf dem Friedhof der Namenlosen. Er befindet sich wie der Zentralfriedhof im 11. Bezirk. Doch ist es mit dem Autobus noch ein gutes Stück bis zur Stadtgrenze beim Wiener Hafen an der Donau. Sattelzüge mit Containern schlängeln sich an Lagerhallen und Speichertürmen vorbei. "Hafenkneipe" steht über einer Imbisshütte. An einem Fenster lehnt ein Mann mit Bierdose in der Hand. Auf die Frage nach dem rechten Weg streckt er den Arm aus: Gerade durch, sagt er und fügt nach einer Pause mehrdeutig hinzu: "Bis aus is". "Aus" ist die Straße hinter riesigen Betonmischtrichtern, an einer Böschung, die eine Grünfläche mit bescheidenen Metallkreuzen umrahmt, auf denen zumeist nur das Wort "unbekannt" zu lesen ist. In der Friedhofskapelle wartet Josef Fuchs. Er betreut das Gräberfeld bereits in der dritten Generation. Keiner der hier Bestatteten hat sich diesen Friedhof als letzte Ruhestätte ausgesucht.
"Viele Leute aus der Donau, die angeschwemmt wurden, unmittelbar hier, wo man bis heute nicht weiß, wer das ist, die sind also unbekannt bestattet, darum auch namenlos. Und dann in der Vorkriegszeit einige Leute, die sich in der näheren Umgebung das Leben genommen haben – durch Erhängen oder Erschießen."
102 Menschen fanden hier ab der Wende zum 20. Jahrhundert ihre letzte Ruhe. 1940 wurde der Friedhof aufgegeben. Der ältere Teil mit 478 Gräbern ist seit der Verlängerung der Hafeneinfahrt Geschichte. Auf dem an seiner Stelle aufgeschütteten Damm warten derzeit Rotorblätter für Windkraftanlagen auf ihre Abholung. Mit dem alten Teil verschwand auch jener Wasserstrudel, der die Toten an dieser Stelle angeschwemmt hatte. Wasserleichen, die früher von Jägern und Fischern gefunden worden waren, treibt die Donau heute hier vorbei und weiter bis nach Ungarn.
"Aus dem Grund haben die Fischer dann eine Kranzlegung ins Leben gerufen, das heißt, sie taten einmal, am Sonntag nach Allerheiligen, ein Floß schmücken, das sargähnlich ausschaut, mit Kränzen, mit Blumen, Kerzen. Das wird in der Donau ausgesetzt für diese Opfer der Donau, die nicht geborgen werden konnten."
Der Ort wirkt wie das Ende der Welt. Reiseführer bezeichnen ihn als Geheimtipp. Szenen aus dem Film "Before Sunrise" wurden hier gedreht. Filmstudenten drehen ihre Prüfungsarbeiten auf dem Friedhof der Namenlosen. Mehrere Tausend Menschen besuchen ihn pro Jahr. Nicht nur Touristen.
"Wir haben aber natürlich schon auch sehr regen Besuch von den Geisterjägern, die immer wieder kommen in der Nacht. Und in der Nacht unterhalten sie sich mit diesen Menschen, die hier sind, die noch nicht zur Ruhe gefunden haben. Solche Dinge gibt es nach wie vor."
Die Geisterjäger rücken mit Geräten an, nehmen elektromagnetische Wellen auf und fotografieren. Es sind Menschen, auf die der Tod, das Jenseits, eine besondere Faszination ausübt.
![Grabkreuze mit der Aufschrift "Namenlos". Grabkreuze mit der Aufschrift "Namenlos".](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_f/73/FILE_f73dbff8fbcfa3f498c8a9091fffdbac/43675592-jpg-100-1280xauto.jpg)
Zwei lustige Strophen, dann kommt der Tod ins Spiel
"Es ist so, dass es in jedem Wienerlied in der dreitten Strophe ums Sterben geht, eigentlich. Also: Die Erste ist lustig, die Zweite ist auch noch lustig. Und dann zum Schluss ist es: Ah, wenn‘s einmal aus wird sein ..."
"Erst wann´s aus wird sein, mit aner Musi´ und mit ´n Wein,
dann pack´ ma die sieb´n Zwetschk´n ein, eh´nder net."
(Peter Alexander "Erst wann’s aus wird sein")
"I brauch kan Pflanz, i brauch kan Glanz, i brauch ka schöne Leich.
I komm a ohne Kranz genausoguat ins Himmelreich.
Als alter Drahrer hab ich nur den einen Will'n:
Den letzten Gruaß, den müssen mir die Schrammeln spiel'n.
Statt fuffzehn Kerzen stellt's mir hin a guates Flascherl Wein.
Dann spielt's a Weanerliad, zum Beispiel: 'Erst wann's aus wird sein.
Und wann i do beim zweiten Takt net applaudier,
dann haut's den Deckel zua, weil dann is´ aus mit mir."
Vielfach stellt das Wienerlied Tod und Genuss in engen Zusammenhang, wobei der Wein als Sinnbild für den Genuss steht. Dadurch wird das Sterben in eine Atmosphäre vorweggenommener paradiesischer Seligkeit eingebettet.
"Es wird a Wein sein, und mir wer'n nimmer sein.
Drum g'niaß ma's Leb'n so lang's uns g'freut.
'S wird schöne Maderln geb'n, und wir wer'n nimmer leb'n.
Drum greif ma zua, grad is's no' Zeit."
(Musik: Willi Forst "Es wird a Wein sein")
"Wir haben 99 Prozent positives Feedback und nicht einmal ein Prozent negatives Feedback. Also, wann man sich das in Social Media ansieht: Man gibt eine Idee hinaus, da hat man innerhalb von zehn Minuten 160 positive Rückmeldungen."
Bestatter heißt auf Wienerisch Pompfüneberer
Bis die Bestattung 1907 kommunalisiert wurde, gab es in Wien mehr als 85 Privatbestatter. Ein schwarzer Wagen des größten Unternehmens aus jener Zeit steht im Museum und trägt an den Seitenwänden die Firmenaufschrift: "Entreprise des Pompes Funèbres". Von daher kommt der auch heute noch in Wien gebräuchliche Ausdruck Pompfüneberer für Bestatter. Aufgrund von EU-Bestimmungen hat die Wiener Bestattung 2002 ihr Monopol wieder verloren. Es kann seitdem gewählt werden, wem man die eigene sterbliche Hülle anvertrauen möchte und wie das letzte Ambiente ausgestaltet sein soll.
"Es gibt ja sehr viele Möglichkeiten, nicht nur von der Außen-, sondern auch von der Innenhülle – mit Polsterchen oder Deckchen. Es ist natürlich alles biologisch abbaubar, muss ich gleich vorab sagen. Also da ist jetzt nichts Künstliches drinnen, aber man kann sich alles aussuchen. Nach dem Motto: Wie man bettet, so liegt man."
![Porträt Erich Traxler mit Mundschutz und einem T-Shirt, auf dem steht: "Der letzte Reiseleiter". Porträt Erich Traxler mit Mundschutz und einem T-Shirt, auf dem steht: "Der letzte Reiseleiter".](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_7/db/FILE_7db63dadd907e1329276952578ebc5bd/2650079241-img-4083-jpeg-100-1280xauto.jpg)
Probeliegen im Sarg
Gegenüber vom Zentralfriedhof liegt ein wenig versteckt der Tierfriedhof. In kleinen Gräbern sind Haustiere bestattet. Fotomedaillons kleben auf den Grabsteinen, "In ewiger Liebe" oder "Wiedersehen, mein Schatz" steht eingraviert darunter. Das Lieblingsspielzeug von Hund und Katze, kitschige Engelsköpfe oder Plastiktiere, die ewige Lichter in der Schnauze halten, liegen auf den Gräbern. Eine Frau hat gerade ein Beet in Ordnung gebracht.
"Das war eine Findelkatze, ja, also ist mir zugelaufen. Ende November, ganz besondere Geschichte. Die Katze war circa fünf, sechs Jahre alt, und solche Tiere sind am dankbarsten. Hätte ich nicht gewusst, dass diese Katze mir so sehr am Herzen wächst."
Ein älterer Mann, Goldzähne, tätowierte Arme, füllt gerade seine Gießkanne. Stolz zeigt er auf die auffälligste Grabstelle des Tierfriedhofs. Säulen tragen einen Baldachin, alles aus schwarzem Marmor. ‚Rocky´ steht in geschwungener Schrift auf dem Stein. Der Pekinese ist im Alter von 17 Jahren vor acht Jahren gestorben. Wie oft er auf den Friedhof kommt?
"Jeden Tag zweimal. Jetzt kommen und später nach Hause gehen und später wiederkommen und so. Jeden Tag."
Zwei Besucherinnen sehen sich auf dem Tierfriedhof um: Ob sie auch ein Tier hier bestatten lassen würden?
"Ich habe einen Garten. Darf man zwar nicht, aber kleine Tiere darf man schon im Garten begraben. Also wenn ich eine Wohnung hätte, würde ich‘s auch nicht in die Tierkörperverwertung bringen, sondern dann würde ich wahrscheinlich auch mein Tier da bestatten lassen, ja."
Die Wiener haben eine ähnlich sentimentale Beziehung zum Tod wie zu ihren Tieren.
![Ein von Blumen umsäumtes Grab auf dem Wiener Tierfriedhof, mit einer großen Hundeskulptur. Ein von Blumen umsäumtes Grab auf dem Wiener Tierfriedhof, mit einer großen Hundeskulptur.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_e/0c/FILE_e0c957e3369238e787ecf30c7a584156/2644837174-img-4056-jpeg-100-1280xauto.jpg)
"Das ist ein Muss, das Umzieh'n ins allerletzte Haus
und d' Leit', die soll'n nur merken, an Fiaker führ' mer raus.
Und auf mei'm Grabstein, da soll steh'n -
damit die Leut' auch deutlich seh'n:
Sein Stolz war, er war halt an echt's Weaner Kind,
ein Fiaker wie man' nicht alle Tag find'.
Sei' Bluat war so lüftig, so leicht wie der Wind.
Aber er war hoit ein echt's Weaner Kind."
(Musik: Paul Hörbiger "Fiakerlied")
Ein ehemaliger ORF-Journalist wird Trauerredner
"Keine medizinischen Geschichten, sondern schon mit Fingerspitzengefühl. Und wie das war, die letzten Stunden, der letzte Atemzug, wenn man das weiß, und so. Da frage ich natürlich. Und einmal, ist schon wieder ein Jahr her, habe ich eine Frau gefragt: Wie ist er denn gestorben? Die war vielleicht 45 und er war vielleicht 55, der Verstorbene. Sagt sie: Beim Sex. Da konnte ich nicht mehr weiterfragen, natürlich, und hab‘s auch nicht gebracht."
Genuss und Tod, Leben und Sterben, diese Gegensätze liegen in Wien besonders eng beisammen. Beides wird mit einer gewissen Wehmut akzeptiert. Um reisefertig zu sein, wenn es an der Zeit ist, sich auf den letzten Weg zu machen.
"Zeigt sich der Tod einst, mit Verlaub und zupft mich: "Brüderl, kumm."
Da stell ich mich zu Anfang taub und dreh mich gar nicht um.
Doch sagt er: "Lieber Valentin, mach keine Umständ, geh!"
Dann leg ich meinen Hobel hin und sag der Welt: ‚Ade!‘"
(Musik: Hans Moser "Hobellied)
Autor: Stefan May
Regie: Stefanie Lazai
Technik: Inge Görgner
Redaktion: Carsten Burtke