Wiener Musikgeschichte

"Gold ’n’ Guitars" – weit mehr als nur ein Laden

Der Wiener Ladenbesitzer Michael Eipeldauer
Der Ladenbesitzer Michael Eipeldauer © Stephan Ozsváth
Von Stephan Ozsváth |
In Wien-Schönbrunn repariert der Goldschmied Michael Eipeldauer Saiteninstrumente. Er erinnert daran, dass die österreichische Hauptstadt einmal beim Gitarrenbau führend war und pflegt diese musikalische Tradition.
Die Türglocke ist altmodisch. Der Laden liegt an einer kleinen Ecke, hinter dem Schlossgarten von Schönbrunn. "Gold ’n’ Guitars" steht in goldenen Buchstaben über der Tür. Besitzer Michael Eipeldauer geht auf die 60 zu, seine Haare hat er zu einem Zopf zusammen gebunden. Er sagt: "An und für sich bin ich bin gelernter Goldschmied, und irgendwann bin ich natürlich als Wiener auf die Kontragitarre gekommen, und damit bin ich ganz gut reingerutscht, ich bin praktisch das einzige Geschäft in Wien, wo man Kontra-Gitarren kaufen kann."

Lässige Atmosphäre

Drei Jahre klassische Gitarre hat der Ur-Wiener auch mal gelernt, aber nicht abgeschlossen, erzählt er und nimmt eine seiner teuersten Gitarren aus dem Fenster - eine Kontragitarre. "Das ist eine meiner teuersten, weil es eine Angerer ist, 1891", sagt er. "Angerer war ein sehr guter Gitarrenbauer, hat nicht sehr viele gebaut. Nur 13-saitige, also die kostet 4.100 Euro." Das Hauptgeschäft im Laden sind Saiten, Einstellen, Kindergitarren. Von den schön restaurierten Gitarren für mehrere tausende Euro verkauft der gelernte Goldschmied nur eine Handvoll im Jahr. "Da verkaufe ich vier, fünf im Jahr. Alte Wiener Gitarren auch so vier, fünf, sechs, sieben im Jahr."
Der Wiener Ladenbesitzer Michael Eipeldauer und sein Freund Christoph spielen Gitarre
Der Wiener Ladenbesitzer Michael Eipeldauer und sein Freund Christoph spielen Gitarre © Stephan Ozsváth
Die Atmosphäre ist lässig, Freund Christoph, der ab und zu aushilft, beugt sich über die Zarge einer Fernost-Gitarre, fräst ein Viereck aus dem Holz. Das wollen die Kunden jetzt, meint der Ladenbesitzer. "Tut an und für sich weh, in eine neulackierte Gitarre ein Riesenloch zu machen. Aber gut, ist in dem Fall mit einem Vorverstärker nicht anders möglich."
Die Gitarren bringen ihm die Leute rein, oft in einer alten Ledertasche. "Neulich in einer Leinentasche. Ich pack sie aus. Saiten gerissen. Saiten komplett schwarz. Mehrere Risse in der Decke. Alles komplett verzogen. Das war eine 15-saitige Reisinger, sehr bekannter Wiener Gitarrenbauer. Ich hab ihm dann die Gitarre abgekauft und restauriert. Also so komme ich zu meinen Gitarren."

Ein Laden voll Instrumente

Überall im Laden stehen Saiteninstrumente, sind Koffer, Hälse, Holzkorpusse gestapelt. Im Keller lagern sie, im ersten Stock ist noch mehr Werkstatt, in den Schaufenstern, an den Preisschildern erkennt man den früheren Goldschmied, eine filigrane, schöne Handschrift informiert über Modell, Baujahr und Preis. Auf dem Tisch allerlei Werkzeug. Das "Gold ’n’ Guitars" ist mehr als ein Laden. "So jetzt zeig’ ich mal mein Ding her, das ist Marke Eigenbau", sagt Eipeldauer. "Das war mal ein Klavier, die Decke ist der Resonanzboden. Der Hals war der Stimmstock, der Teil, der keine Stimmnaegel hat. Wenn man das dann spielt, klassisch zum Beispiel." Er spielt ein Wienerlied.
Der Laden von Michael Eipeldauer steht voller Gitarren.  
Überall im Geschäft stehen Gitarren herum © Stephan Ozsváth
Wir trinken Kaffee, fachsimpeln, Eipeldauer weiß viel über Wiener Musikgeschichte und welche Rolle Gitarren dabei spielen. "Wien war führend im Gitarrenbau um 1750 bis 1800. Was dann ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, weil dann die spanischen Gitarren gekommen sind. Die Wiener Gitarre zeichnet sich aus durch einen extrem vorgespannten Boden. Das macht ihr einen kurzen, knackigen, speziellen Basston." Der Ladenbesitzer erklärt seine Spieltechnik, dass die Bass-Seiten matschen, wenn man sie nicht mit dem Handballen abdämpft. Und warum die Kontra-Gitarre die Schlussfolgerung aus winzig kleinen Lokalen und einfacher Lohn-Mathematik ist.

Freude am Schrammeln

"Wie man dann mit der Heurigen-Musik, mit der Schrammelmusik angefangen hat, die haben in lauter kleinen Heurigen gespielt. Und jetzt kommen zwei Sachen dazu: Erstens ist ein Kontrabass sehr gross und auch sehr teuer. Da ist man meistens in die Heurigen gar nicht reingekommen. Da hat man die Kontra-Gitarre genommen. Und das zweite ist: Die Gage, die damals sehr gering war, hat man nur durch vier geteilt und nicht durch fuenf." Auf den Heimweg geben er und sein Freund noch einen Schuss Wiener Buddhismus mit. Ein gepflegtes: Ich mach mein Ding. Was ihr denkt, ist mir wurscht. Passt.
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