Wikileaks

Was bringt Transparenz?

Das Logo der Organisation Wikileaks
Das Logo der Organisation Wikileaks - welche Konsequenzen ergeben sich aus den von WikiLeaks veröffentlichten Daten? © dpa/picture-alliance/Wikileaks/Handput
Von Friederike Schmitz |
Von Wikileaks enthüllte Informationen können gesellschaftliche Missstände nicht ändern, meint Friederike Schmitz. Wikileaks liefere bestenfalls Transparenz im Nachhinein. Nötig sei sie aber im Vorhinein - durch demokratische Kontrolle der politischen Institutionen.
Spätestens seit der Aufklärung gilt Transparenz als wichtige Tugend von politischen Institutionen. Immanuel Kant meinte gar, dass vollständige Transparenz des demokratischen Staates den Frieden zwischen verschiedenen Staaten sichern könnte.
Die Enthüllungsplattform Wikileaks wurde lange vor dem Hintergrund dieses Ideals der Transparenz gefeiert. Nicht nur wurde von Wikileaks in zahlreichen Veröffentlichungen geheimer Dokumente aufgedeckt, wie wenig transparent auch die vermeintlich demokratischen Staaten tatsächlich agieren. Die Plattform stellte selbst die fehlende Transparenz – dann im Nachhinein – her.

Transparenz ist kein absoluter Wert

Wir hätten zwar von Wikileaks nichts erfahren, was wir nicht ohnehin schon geahnt hätten, schrieb Slavoj Žižek vor zwei Jahren. Es tue trotzdem weh, die Details zu kennen. Denn die Whistleblower führten uns schmerzhaft vor Augen, wie unfrei wir genau in den Situationen – oder Gesellschaften – seien, in denen wir uns frei fühlten.
Wikileaks' Praxis, große Mengen wenig editierter Daten online zu stellen, wurde dabei immer wieder kritisiert – die Plattform würde auf diese Weise Persönlichkeitsrechte verletzen, die nationale Sicherheit untergraben oder konkrete Personen in Gefahr bringen. In Anbetracht der jüngsten Veröffentlichungen mehren sich die Vorwürfe.
Auf der Hand liegt, dass der Wert der Transparenz nicht absolut sein kann, sondern immer gegen andere Werte abgewogen werden muss. Nur ein hinreichender Erkenntnisgewinn für die Öffentlichkeit kann es rechtfertigen, zum Beispiel private Emails zu veröffentlichen oder heikle Daten von Unbeteiligten verfügbar zu machen. Im Falle des Türkei-Leaks ist diese Brisanz bislang nicht zu erkennen.

Ist Transparenz ein Selbstzweck?

Die Enthüllungen zu den Machenschaften der demokratischen Parteispitze in den USA wiederum zeigen, dass Plattformen wie Wikileaks nicht als neutrales Korrektiv zu verstehen sind, das gleichsam von außen die politischen Institutionen kontrolliert. In einer Welt, in der es vor unguten Geheimnissen wimmelt, ist die Aufdeckung ganz bestimmter Geheimnisse – zu bestimmten Zeitpunkten und mit bestimmten Mitteln der Veröffentlichung – vielmehr selbst ein politisches Instrument.
Beide Fälle werfen die Frage auf, ob Transparenz eigentlich ein Selbstzweck ist oder ob es nicht vielmehr darum geht, was sich aus dem jeweils gewonnenen Wissen für Konsequenzen ergeben können. Im Falle der amerikanischen Demokraten ist zwar die Parteichefin Wasserman Schultz zurückgetreten. Kurz darauf holte Hillary Clinton sie jedoch in ihr Wahlkampfteam. Die Leaks in der Türkei schaden dem Regime möglicherweise nicht nur deshalb nicht, weil sie so wenig brisant sind – es ist vielmehr fraglich, ob selbst krassere Enthüllungen an der Macht Erdoğans rütteln könnten, die mit repressiven Mitteln gefestigt wird.

Demokratische Kontrolle der Institutionen nötig

Auch im Hinblick auf die spektakulären Leaks der Vergangenheit zu den Aktivitäten der Geheimdienste oder der Durchsetzung von Kriegen ist zweifelhaft, inwieweit sie am politischen System eigentlich substantiell etwas geändert haben. Vielmehr scheinen sich viele Menschen damit abgefunden zu haben, dass politische Institutionen, platt gesagt, machen, was sie wollen. Dass wir davon wissen, ändert kaum etwas daran. Um auf Žižek zurückzukommen: Seit Wikileaks wissen wir zwar nun im Detail, wie unfrei wir sind – aber dadurch allein werden wir kaum freier.
Was zur Transparenz also mindestens hinzukommen muss, ist echte demokratische Kontrolle der politischen Institutionen bzw. eine umfassende Demokratisierung des Staates. Anders gesagt: Wikileaks liefert im besten Fall Transparenz im Nachhinein, wir brauchen sie im Vorhinein.
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