Wilhelm Kuhnert in der Frankfurter Schirn

Was Tierbilder über deutsche Kolonialgeschichte erzählen

Ein Ölgemälde zeigt mehrere Elefanten in der afrikanischen Landschaft.
Wilhelm Kuhnerts "Elephants" in der Frankfurter Schirn. © W. Garth Dowling
Von Rudolf Schmitz |
Nach mehreren Reisen nach Deutsch-Ostafrika schuf Wilhelm Kuhnert in seinem Berliner Atelier prächtige Tiergemälde, die das damalige Bild Afrikas prägten. Als Maler profitierte er vom Kolonialismus. Diesen Verwicklungen geht die Ausstellung nach.
Der Auftakt ist grandios und monumental. Riesige, goldgerahmte Ölbilder zeigen einen mächtigen Löwen, der in die Ferne schaut. Einen Kaffernbüffel, der den Kopf zum Betrachter wendet, einen Elefant, der am Tümpel steht. Die Bilder vereinen Afrikas Symboltiere zu einer Enzyklopädie. Die Tiere sind leicht untersichtig dargestellt, in typischer Landschaft, in akribischem und detailgenauem Realismus. Kuhnert schafft eine atemlose, museale Stille.
Das sei typisch für seine Bilder, sagt Kuratorin Ilka Voermann: "Es ist immer sehr ruhig in den Bildern und sehr unbewegt in gewisser Weise. Kuhnert macht das in erster Linie ganz bewusst, indem er den Tieren damit auch ein heroisches Aussehen gibt und eine ganz große Würde verleiht. Der Elefantenbulle, der auf uns zuläuft, der ist nicht hektisch, sondern der weiß, was er tut. Und er ist bedrohlich für uns und sehr imposant. Die Würde des Tieres, das Imposante des Tieres, steht im Vordergrund."

Die Ausstellung bricht mit Kuhnerts Kosmos

Um 1900 gab es keine Farbfotografie, keinen Farbfilm. Die Bilder des Wilhelm Kuhnert müssen damals sensationell gewirkt haben. Aber man spürt auch gleich, dass das Imposante der Tiere mit dem Lebensgefühl des wilhelminischen Deutschland zu tun hat. Einer Nation, die ihren "Platz an der Sonne" beanspruchte. Deshalb auch die vielen Goldrahmen.
Mit der Ausstellungsarchitektur hat Kuratorin Ilka Voermann gegengesteuert. Große Fächer mit schräg gestellten Lamellen aus rohem Pressspan bilden den Hintergrund dieser Großwild-Show.
Voermann sagt dazu: "Es tut diesen Werken ganz gut, wenn sie etwas anders präsentiert werden, wenn sie etwas leichter werden. Denn diese Werke sind teilweise sehr, sehr groß, haben sehr schwere Rahmen, und diese Luftigkeit, die diese Architektur bietet, obwohl sie eben sehr groß und monumental ist, die tut den Bildern sehr gut. Gleichzeitig haben wir, vor allem im Auftaktraum, die Möglichkeit, sehr viele Bilder gleichzeitig zu sehen, man kann sich durch diesen Kosmos Kuhnert bewegen."

Blutige Großwildjagd als Arbeitsgrundlage

Erstaunlich ist, wie genau Wilhelm Kuhnert Posen, Verhaltensweisen und Körperhaltungen der von ihm besonders geliebten Löwen dargestellt hat. Da hat man als Konsument heutiger Tierfilme viele Déjà-Vu-Erlebnisse. Doch Kuhnert kam zu seinen zoologischen Erkenntnissen ausschließlich auf blutige Art.
Philipp Demandt, Direktor der Schirn-Kunsthalle, erklärt: "Man muss sich klar machen, dass die Großwildjagd die Grundlage der Arbeit von Wilhelm Kuhnert gewesen ist. Die Ambivalenzen, die darin stecken, Tiere zu lieben, Tiere zu erforschen, zu malen und gleichzeitig Tiere zu töten - diese Ambivalenzen hat Kuhnert in seinen eigenen Tagebüchern durchaus immer wieder kritisch, und auch selbstkritisch reflektiert. Er schreibt aber selbst: 'Wenn ich nicht jage, kann ich auch nicht arbeiten'".
"Kein Wunder", so Philipp Demandt, "dass Kuhnert heute vor allem im angelsächsischen Bereich eine feste Größe bei Sammlern und Auktionen ist." Dort gibt es eben noch "Wildlife-Art". Das Werk dieses deutschen Malers erzählt auch einen Teil der deutschen Geschichte. Denn es ist untrennbar mit dem System des Kolonialismus verbunden.

Der Maler als Profiteur des Kolonialismus

Philipp Demandt erklärt weiter: "Kuhnert hat auf die gesamte koloniale Infrastruktur zurückgreifen können, auf die Stationen, auf das Trägerwesen dort unten in Deutsch-Ostafrika, das heißt, das ist die Folie, vor der seine Kunst überhaupt erst entstehen konnte. Kuhnert ist sicher ein Befürworter der Kolonien gewesen, so wie viele andere in Deutschland auch, ein Profiteur. Inwiefern er auch ein Akteur des Kolonialismus gewesen ist, das ist eine ambivalente Frage."

Die Frankfurter Ausstellung geht diesen Verwicklungen nach. Kuhnert war 1905/1906 am Kolonialkrieg in Mahenge in Südostafrika beteiligt. In seiner Expedition behindert, ergreift er schließlich die Waffe in der entscheidenden Schlacht. In seinen Tagebüchern aber kritisiert er deutsche Willkürherrschaft. Wenn allerdings in seinen Ölskizzen Einheimische auftauchen, dann seltsam distanziert, mehr als folkloristische Staffage.
Die kleinformatige Zeichnung eines Erhängten, Opfer einer Strafaktion des deutschen Reichkomissars Carl Peters, bringt Unruhe in die Ausstellung. Danach sieht man die Großwildbilder und deren glatte, cinemaskopartige Oberfläche mit anderen Augen. Die jegliche koloniale Realität ausblendenden Gemälde wirken am Ende ziemlich unheimlich.

Die Kuhnert-Ausstellung "König der Tiere" ist bis zum 27. Januar 2019 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.

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