Wilhelm-Leuschner-Medaille
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (in der Mitte) sieht keinen Grund die Vergabepraxis der Wilhelm-Leuschner-Medaille zu ändern. © picture alliance/Frank Rumpenhorst
Nicht mehr der "Kurfürst" soll Hessens Orden vergeben
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Hessens höchste Ehrung wurde oft an Politiker vergeben - der Ministerpräsident entschied darüber. Das soll sich ändern: Wer sich zum Beispiel für Solidarität engagiert, soll auch die Leuschner-Medaille bekommen können. Doch es gibt Gegenstimmen.
„Ihr aller Tod soll uns Mahnung und Verpflichtung sein, das von ihnen begonnene Werk der Einigung der Arbeiterklasse zu vollenden und zu bewahren.“ Mit diesen Worten erinnert die sozialdemokratische Widerstandskämpferin Käthe Kern bei einer Kundgebung am 1. Mai 1946 an von den Nationalsozialisten ermordete Genossen. Mehrere hunderttausend Menschen haben sich an diesem ersten Maifeiertag nach dem Ende der NS-Herrschaft in Berlin-Mitte vor einer Kulisse aus Trümmerhäusern versammelt. „Ich denke vor allem auch an Wilhelm Leuschner, dessen gesamte politische Arbeit in Gemeinschaft mit anderem vor allem der gewerkschaftlichen Einheit diente.“
Monatelang im KZ inhaftiert
Käthe Kern kennt Wilhelm Leuschner bereits aus gemeinsamen Jugendtagen in Darmstadt. Von 1934 bis zum 20. Juli 1944 war sie die wichtigste Frau in der Berliner Zentrale des weitreichenden gewerkschaftlichen Leuschner-Widerstandnetzwerkes.
Der gelernte Holzbildhauer hatte bereits seit 1909 die Gewerkschaft der Bildhauer im Umfeld der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe geleitet. Ende der 1920er-Jahre war er SPD-Innenminister des sogenannten „Volksstaates Hessen“ geworden. Die Nationalsozialisten zwangen ihn zum Rücktritt und hielten ihn monatelang gefangen – unter anderem im KZ Börgermoor.
Nach seiner Freilassung arbeitete Leuschner ab 1934 von Berlin aus gemeinsam mit Käthe Kern an einer mehrere hundert Menschen umfassenden Widerstandsorganisation, die er schließlich in die Bewegung des 20. Juli 1944 einbrachte.
Vergabepraxis ändern
Nach Wilhelm Leuschner ist seit den 1960er-Jahren die höchste Auszeichnung des heutigen Bundeslandes Hessen benannt. Sie wird durch den hessischen Ministerpräsidenten vergeben. Häufig an verdiente Landespolitiker, gerne auch der eigenen Partei. Günter Rudolph, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im hessischen Landtag, will das ändern: „Wir halten das nicht mehr für zeitgemäß, dass man in Form eines Kurfürsten von oben bestimmt, wer es wird, und deswegen sehen wir bei der Verleihung Reformbedarf. In einem demokratischen Verfahren. Wir könnten uns gut ein Kuratorium vorstellen. Ein Kuratorium gibt es beispielsweise bei der Verleihung des Hessischen Friedenspreises.“
Ein solches Fachgremium könnte auch bei der Leuschner-Medaille Vorschläge unterbreiten – etwa Menschen, die sich „im Geiste Leuschners“ entschlossen gegen Rechtsextremismus und für Solidarität in der Gesellschaft engagieren.
Wenig Verständnis für die neue Praxis in der Staatskanzlei
Gerade Hessen hatte insbesondere mit dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und dem rassistischen Attentat in Hanau in den letzten Jahren große Probleme mit rechtsextremem Terror. Die CDU-geführte Wiesbadener Staatskanzlei sieht hingegen keinen Grund, die Vergabepraxis zur Leuschner-Medaille zu ändern.
Auf Anfrage des Deutschlandfunks erklärt das Büro schriftlich: „Die Verleihung von staatlichen Auszeichnungen, wie Orden oder ranghöchsten Ehrenzeichen, obliegt in der abschließenden Entscheidung stets dem Staatsoberhaupt oder in diesem Fall dem Regierungschef. Ebenso verhält es sich bei der Verleihung der ranghöchsten Landesauszeichnung, der Wilhelm Leuschner-Medaille, die 1964 von Ministerpräsident Georg-August Zinn gestiftet wurde. Es gibt derzeit keinen Anlass und keine Notwendigkeit, dieses Verfahren zu ändern.“
Auch Grüne und FDP wollen Änderung
Im Gegensatz zur CDU zeigen sich die Grünen, die gemeinsam mit den Christdemokraten in Wiesbaden die Landesregierung stellen, offen für Veränderungen.
„Wir werden uns mit der SPD und den anderen demokratischen Fraktionen zusammensetzen und sind dann offen dafür, ob man vielleicht auch in Zukunft etwas verändert“, sagt Eva Goldbach, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen.
Auch die FDP signalisiert bei der Leuschner-Medaille Reformbereitschaft. „Ich glaube, das ist ein wichtiger Preis in unserem Land und es sollte schon einen Dialog geben, wer dort geeignet ist als Preisträger. Zurzeit ist es ja so, dass der Ministerpräsident das entscheidet und uns vorab mal früher oder später das mitteilt, für was er sich entschieden hat“, sagt Rene Rock, Fraktionschef der Liberalen im Wiesbadener Landtag.
Zuletzt fiel diese Entscheidung immerhin paritätisch für zwei Frauen und zwei Männer. In der Vergangenheit aber waren Frauen meist nicht zum Zuge gekommen. Käthe Kern übrigens auch nicht - obwohl sie bis Mitte der 1980er-Jahre lebte und ihr Leben als engste Mit-Konspirateurin Leuschners riskiert hatte – in der Bewegung des 20. Juli 1944 gegen Hitler. „Auch wir Frauen tragen heute in jeder Hinsicht ein hohes Maß der Verantwortung“, sagte Kern.