Begrünung der Fassade ist "absurde Idee"
Ein Architekturbüro würde gern die Fassade des im Bau befindlichen Berliner Humboldt Forums begrünen. Alexander von Humboldt hätte das vielleicht gefallen. Wilhelm von Boddien vom Förderverein für den Wiederaufbau des Stadtschlosses findet das dagegen lächerlich.
Ein dschungelartiger Bewuchs, der sich an der rekonstruierten Schloss-Fassade des künftigen Berliner Humboldt Forums emporranken soll? Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses (Förderverein Berliner Schloss e.V.), hält das für schlichtweg verrückt.
Im Deutschlandradio Kultur bezeichnete von Boddien den Vorschlag eines Architektenbüros, in Lücken an der Fassade eine Art Humboldt-Dschungel wachsen zu lassen, jedenfalls als "humorvoll gemeint, aber absurde Idee". Das seit unter anderem aus bautechnischen beziehungsweise statischen Gründen unmöglich. Allein die Tatsache, dass die Pflanzen ständig bewässert werden müssten, könne für die Fassade schwierig werden.
Was passiert im Winter mit dem Dschungel?
Von Boddien sagte: "Das Gebäude wäre höchst einsturzgefährdet schon während der Bauzeit. Und wer soll das denn alles begießen? Und was passiert im Winter, wenn das Grüne nicht mehr grün ist? Zumal ja Deutschland sehr zu Dschungelpflanzen neigt...". Das Ganze sei eine sehr "pittoreske" Idee, aber alle Beteiligten sollte doch besser mit Ernst bei der Sache bleiben.
Auf aktuelle Finanzierungsschwierigkeiten, die den Weiterbau der Fassade behindern könnten, angesprochen, betonte von Boddien: Es werde keine Löcher in der Fassade geben, in die man Pflanzen setzen könnte. Er sei sehr zuversichtlich, dass die noch fehlenden Millionen für den Bau innerhalb der nächsten Jahre zusammen kämen. Auch die Dresdner Frauenkirche habe erst kurz vor Fertigstellung das noch nötige Geld einwerben.
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Gestern haben wir hier bei uns und in der Wochenzeitung "Die Zeit" Pläne veröffentlicht, das Berliner Stadtschloss, das in der Mitte der Stadt als Humboldt-Forum wiederentsteht, mit einem Dschungel voller Pflanzen zu umhüllen. Nicht einfach so als schlichte Begrünung, sondern um an den Namensgeber, eben an Humboldt und dessen Forschungsreisen in die ganze Welt zu erinnern. Ein Dschungelschloss in Berlin, na, das hat uns doch gerade noch gefehlt! – Aber ja!, sagt Elizabeth Sikiaridi! Sie ist *) Partner bei hybrid space lab, die so einen Schlossdschungel initiiert haben.
O-Ton Elizabeth Sikiaridi: Wo wir das auch gezeigt haben, ist das sehr, sehr positiv aufgenommen worden. Und wir haben auch von höheren Stellen mehrfach gehört, dass es die Rettung des Humboldt-Forums sein könnte.
von Billerbeck: Eine der Initiatoren eines grünen Dschungels am und auf dem wiederentstehenden Berliner Stadtschloss. Wie er diese pflanzliche Idee findet, das will ich jetzt vom Initiator des Wiederaufbaus und Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss e.V. wissen, von Wilhelm von Boddien. Schönen guten Morgen!
Wilhelm von Boddien: Einen schönen guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Was halten Sie denn davon, ist das eine charmante Idee?
von Boddien: Ja, charmant auf jeden Fall, aber ich dachte, der Karneval ist vorbei! Sie ist nämlich völlig unrealistisch und passt besser in Sommerlöcher oder ähnliche Berichterstattung. Dieses Schloss wird gar keine Löcher haben, wo man Pflanzen reinpflanzen kann.
von Billerbeck: Die braucht man gar nicht!
von Boddien: Nein, das wächst von unten nach oben einfach aus statischen Gründen! Stellen Sie sich vor, wir würden ... Und es geht ja darum, dass angeblich die Spendensammlung nicht so gut laufen würde. Und es geht jetzt darum, dass da Löcher in den Fassaden bleiben würden, wo ja eigentlich Sandstein reingehört, und die könnte man begrünen. Das Ding ist uralt übrigens, im Mai oder Juni vorigen Jahres bin ich damit von den Grünen in Berlin schon konfrontiert worden.
Eine ziemlich verrückte Idee
Es geht schon aus rein statischen Gründen nicht. Stellen Sie sich vor, da wird eine 70 Zentimeter dicke Backsteinmauer gemauert, in die Sandsteinelemente eingelegt werden, also in der gleichen Art wie vor 600 Jahren gotische Kathedralen gebaut wurden! Wie wollen Sie denn nach einem Lach von vielleicht 50 Zentimetern Breite dann darüber den Stein festkriegen? Denn hinter dem Stein ist eine Isolierung von 15 Zentimetern! Wenn da Pflanzen in Löcher gepflanzt würden, würde die außerdem noch voll Wasser laufen. Das Gebäude wäre also höchst einsturzgefährdet schon während der Bauzeit. Und wer soll denn das alles dann noch begießen? Und was passiert im Winter, wenn das Grüne nicht mehr grün ist, zumal ja Deutschland sehr zu Dschungelpflanzen neigt ... Also, eine verrückte Idee! Charmant, aber völlig unrealistisch!
von Billerbeck: Also, Sie halten nichts davon, dass man die schöne barocke Fassade verbindet mit einer mehr als Begrünung? Das könnte doch auch eigentlich eine ganz nette Verbindung von gestern und heute sein? Und ich glaube, wenn wir uns an so viele Pflanzen auf Berliner Gebäuden erinnern, die brauchen keine 70 Zentimeter Erdschicht, die wachsen einfach so!
von Boddien: Ich habe einfach damals empfohlen, wir haben ja in Berlin noch eine Reihe wunderschöner Nazibunker stehen. Wenn man die mal begrünen würde ...
von Billerbeck: Fehrbelliner Platz oder wie?
von Boddien: Ja, nein, Nazibunker meine ich, gleich an welcher Stelle. Und die haben ja ziemlich raue Fassaden und da könnte man ja wunderbar solche Sachen mal experimentell machen. Aber schauen Sie mal, wir sammeln 105 Millionen Euro für die Fassaden, um Berlin in der Mitte sein altes Gesicht wiederzugeben, und dann soll das einfach grün überwuchert werden? Das ist eine absurde Idee, ich lache darüber, ich finde sie höchst humorvoll! Aber ganz im Ernst: Ernsthaft darüber diskutieren kann man eigentlich nicht.
von Billerbeck: Trotzdem haben wir ja gehört und wir sehen das auch in den Reaktionen auf unseren und den "Zeit"-Bericht in den sozialen Netzwerken, dass viele Leute begeistert sind von der Idee eines Humboldt-Dschungels und auch dafür spenden würden, das hat man ja eben auch noch mal gehört. Wäre das nicht auch für Ihr Projekt eine willkommene finanzielle Auffrischung? Sie haben das zwar eben so in so einem Nebensatz abgebügelt, aber irgendwie fehlen Ihnen ja noch die Kleinigkeit von 48 Millionen, oder?
von Boddien: Ja, aber wobei man vergisst zu sagen, dass wir schon 57 Millionen gesammelt haben, und das in vier, fünf Jahren. Und wir haben noch vier Jahre Zeit. Zwei Drittel der Gelder kamen bei der Frauenkirche auch im letzten Drittel der Bauzeit. Also, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Diese Sache, ja, und wir würden auch spenden dafür, das kenne ich so in- und auswendig! Das sind meist die Leute, die dann mit 20-Euro-Beträgen dabei sind. Was ja sehr ehrenvoll ist, aber ...
von Billerbeck: Ach, wenn das viele sind, kann das viel Geld sein!
von Boddien: Ja, man hat mir mal gesagt, ich soll doch allen Deutschen einen Brief schreiben, weil wir damals von 80 Millionen, jetzt von 105 Millionen ausgegangen sind. Und jedem in Deutschland zu sagen, er möchte doch bitte einen Euro überweisen, dann hätte ich doch das Geld ... Und da habe ich gesagt: Ja, wunderbar, aber ich habe 60 Millionen Schulden, weil bei 80 Millionen Deutschen nämlich ein Brief etwa 140 Millionen kostet, Papierversandt, Porto und alles, und dass diese Art der Finanzierung wohl nicht ganz sinnvoll ist.
Wer soll die Pflanzen gießen?
Nein, noch mal zu den Pflanzen zurück: Es ist sicherlich eine zauberhafte und sehr pittoreske Idee, aber mit ein bisschen Ernst sollten wir doch auch mit unserer Hauptstadt umgehen! Man kann sie doch nicht immer nur für solche Dinge verwenden! Und was passiert, wenn ich fünf Jahren die Pflanzen tot sind, keine neuen Pflanzen da sind? Berlin ist wahnsinnig arm, hat kein Geld. Das muss ja irgendeiner dann auch von den Betriebskosten hier leisten. Und ...
von Billerbeck: Also, so viel Grün ist nicht sein Ding, zumindest nicht an seinem Stadtschloss! Danke an Wilhelm von Boddien, dem Initiator des Wiederaufbaus des Hohenzollernschlosses, das als Humboldt-Forum jetzt in Berlins Mitte neu ergrünt!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
*) Korrektur: Elisabeth Sikiaridi ist nicht Architekturpofessorin an der Humboldt-Universität, wie es ursprünglich im Interview stand.