William Finnegan: "Barbarentage"

Wellenreiten für immer

Buchcover "Barbarentage" von William Finnegan
Buchcover "Barbarentage" von William Finnegan © dpa / suhrkamp
Von Gerrit Bartels |
William Finnegan arbeitet seit vielen Jahren als Reporter für den "New Yorker". Doch den Pulitzer-Preis erhielt er nicht für seine Reportagen, sondern für seine Autobiografie "Barbarentage". Darin schildert er seine unbändige Leidenschaft für das Surfen.
Als William Finnegan im Alter von 12, 13 Jahren mit seinen Eltern in den mittleren Sechziger-Jahren nach Hawaii zieht, ist es um ihn geschehen. Er verliert sein Herz an das Surfen, es beginnt eine Leidenschaft, die bis heute anhält.
War Surfen die Jahre zuvor, als die Familie in Los Angeles lebte und der kleine William die ersten Male aufs Brett stieg, noch eine Freizeitbeschäftigung von vielen, so spielen auf Hawaii plötzlich ganz andere Faktoren eine Rolle:
"Es gab beim Surfen immer diesen Horizont, diese Angstgrenze, die es von allem anderen unterschied, besonders von allen anderen Sportarten, die ich kannte", schreibt Finnegan in seinem Memoir "Barbarentage".
"Dort draußen war alles auf verstörende Weise miteinander verflochten. Die Wellen waren das Spielfeld. Sie waren das Ziel. Das Objekt tiefster Sehnsucht und Verehrung. Doch gleichzeitig waren sie auch der Gegner, der Widersacher, manchmal sogar der Todfeind."

Politischer Reporter und leidenschaftlicher Surfer

Man meint nach diesen paar Zeilen schon zu wissen, dass Finnegan für dieses Buch vor zwei Jahren nur zurecht mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde, so genau bringt er seine Faszination auf den Punkt.
"Barbarentage" ist dann auch ein Buch, in dem das Surfen die Hauptrolle spielt – und weniger das übrige, durchaus interessante Leben des gelernten politischen Reporters und Buchautors Finnegan, der seit 1987 hauptsächlich für den "New Yorker" arbeitet.
Finnegan erzählt, wie ihn erst in Hawaii, dann wieder in Kalifornien und schließlich vielen anderen Orten auf der Welt das Surfen geprägt hat, an den Gestaden Südafrikas, Australiens, des Südpazifiks oder Madeiras. Wie er neue "Spots" entdeckt, wie er in den "Line-Ups" auf eine Welle wartet, er seine "Takeoffs" unternimmt.
Ja, Finnegan benutzt viel Fachvokabular (es gibt am Ende des Buchs ein langes Glossar), und er wird nicht müde, bestimmte große, aber auch höchst gefährliche Tage auf dem Brett und damit den Wellen an bestimmten Orten in vielen Einzelheiten zu beschreiben: Welle für Welle, Bewegung für Bewegung. Allein sein Erinnerungsvermögen ist beeindruckend.

Mit dem Surfbrett verheiratet

William Finnegan macht keinen Hehl daraus, gerade auch als es um seine Ehe mit einer Weißen aus Zimbabwe geht, einer späteren Juristin, dass er mit dem Surfen quasi verheiratet ist, dass alle Partner und Partnerinnen von Surfern sich damit arrangieren müssen. Was man natürlich diesem Buch anmerkt.
Allerdings finden sich im Subtext der "Barbarentage" – schließlich ist Finnegan Reporter und hat über die Rassenunruhen in Südafrika geschrieben oder die Drogenkriminalität in den USA und Mexiko – häufig kluge Milieubeschreibungen: über die ethnischen Auseinandersetzungen in seiner Kindheit in Hawaii, über die Gewalt, die seine Kindheit geprägt hat, über das hippieske Gegenkulturleben seiner Jugend. Oder darüber, wie zum Beispiel das portugiesische Madeira von einer verschlafenen Insel zu einem Touristikzentrum ausgebaut wurde.
Trotzdem ist das Surfen sein ein und alles, und so beendet er sein Buch mit dem Satz:
"Ich zweifelte weiterhin. Aber ich hatte keine Angst. Ich wollte nur einfach nicht, dass es jemals endete."
Nach der Lektüre von "Barbarentage" glaubt man ihm diesen letzten Satz aufs Wort.

William Finnegan: "Barbarentage"
Aus dem amerikanischen Englisch von Tanja Handels. Mit fachlicher Beratung von Jens Steffenhagen.
Suhrkamp Nova, Berlin 2018.
568 Seiten, 18 €.

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