William Grill: "Shackletons Reise"

Abenteuer im Packeis

Die Mayrkette (norwegisch: Jutulsessen), ein Gebirge in der Antarktis
Ewiges Eis am Südpol: Hierher an den Südpol machte der Forscher Ernest Shackleton sich auf © picture alliance / dpa / Heiko Junge
Von Eva Hepper |
Es war ein aberwitziges Unterfangen: Der Forscher Ernest Shackleton wollte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die Antarktis durchqueren. Doch die Expedition scheiterte spektakulär. William Grill erzählt die Geschichte in seinem Bilderbuch.
Blau und rot sind die Farben, die diese mit Buntstift gezeichnete Karte des Südpols aufweist. Eine zart hellblau schraffierte Fläche bildet das Meer. Kleine Dreiecke in hell und dunkelblau gruppieren sich zu lockerem Packeis, eng beieinander liegende stehen für dichtes Packeis, und dunkelblaue Flächen weisen das Eis-Schelf aus. Bleibt noch der große weiße Raum, das Eis, und die zarte rot-gestrichelte Linie, die sich durch all das schlängelt.
Mit dieser wunderschönen Zeichnung gelingt es William Grill sowohl den majestätischen Zauber und die Einsamkeit des Südpols darzustellen, als auch das aberwitzige Unterfangen Ernest Shackletons, diese Landschaft von Küste zu Küste zu durchqueren. Denn die rote Linie zeigt die Route seines Schiffes, der Endurance. 1914 war der britische Expeditionsleiter zu diesem letzten großen Abenteuer des goldenen Zeitalters der Antarktisforschung aufgebrochen: mit 28 Besatzungsmitgliedern und 69 Hunden.
Das Scheitern der Expedition und die schier unglaubliche Geschichte der Rettung Shackletons und seiner Mannen sind Legende und in vielen Büchern episch beschrieben worden. Der Illustrator William Grill erzählt diese Abenteuergeschichte nun in einem zauberhaften Bilderbuch für Kinder ab sieben Jahren.
Mit spitzem Stift Menschen, Tiere, Gerätschaften gezeichnet
Bevor er die Endurance in See stechen lässt, schildert Grill ausführlich die Vorbereitung der Expedition. Jeweils eine Doppelseite widmet er der Rekrutierung, der Mannschaft, den Hunden, dem Schiff und der Ausrüstung. Mit spitzestem Stift sind hier Menschen und Tiere, Details und Gerätschaften nebeneinander im kleinen Format, wie Vignetten, gezeichnet. Etwa die Zimmermannswerkzeuge, die beim Bau der Endurance zum Einsatz kamen, oder die unzähligen Mützen, Schlafsäcke, Pelzjacken und Eispickel, die ins Gepäck gehörten. Besonders liebevoll und originell gelingt die Darstellung der Hunde, die wie kleine Spielzeugfiguren über eine gesamte Seite paradieren.
Diese Vignetten sind nicht nur herrlich anzusehen, sondern vermitteln auch einen lebendigen Eindruck von der Komplexität der Expedition. Stundenlang könnte man diese Details und die kurzen begleitenden Texte studieren. Doch dann wechselt Grill die Darstellung und zeichnet doppelseitenweise Großformate, zum Beispiel der prächtigen Endurance: mal fährt sie durch ein riesiges Puzzle aus Eisschollen, mal treibt sie als winziges Pünktchen im blau-weißen Nichts, mal trotzt sie gigantischen wirbelnden Stürmen; schließlich liegt sie zerschmettert im Eis.
Dramatische Rettung nach zwei Jahren
Die gesamte zweite Hälfte des Buches widmet Grill dem dramatischen Marsch Shackletons und seiner Mannschaft durch die Antarktis und ihrer Rettung nach über zwei Jahren. Die Vignetten zeigen nun Hundeschlitten, Tranöfen, Pinguine und igluartige Behausungen. Und das letzte Großformat ist ein Mannschaftsbild. Geschafft!
Wunderschön ist dieses Buch mit seinen so originell ausgedachten und hinreißend gezeichneten Bildern und den sie begleitenden Texten. Und es bezaubert nicht nur, sondern ist auch lehrreich und dokumentarisch genau.

William Grill: Shackletons Reise
Nordsüd Verlag 2015
80 Seiten, 19,99 Euro

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