William Turner - Maler der Elemente
Er revolutionierte die Malerei im Allgemeinen, insbesondere die Landschaftsmalerei und wird als Wegbereiter der Moderne gesehen. Nur noch selten dürfen seine Bilder auf Reisen gehen.
William Turner ist der wohl berühmteste britische Maler. Nur noch selten dürfen seine Bilder auf Reisen gehen. Doch das Bucerius Kunst Forum in Hamburg hat es geschafft: Ab morgen zeigt es 96 Aquarelle und Gemälde, die meisten davon Leihgaben der Tate in London, die das Erbe des großen Malers betreut. Die Ausstellung "William Turner. Maler der Elemente" stellt den Künstler nun mit Bildern von Erde, Wasser, Feuer und Luft vor, die eindrucksvoll zeigen, wie Turner die Malerei im Allgemeinen, und die Landschaftsmalerei im Besonderen revolutionierte.
Ein Wirbel aus glühendem Rot, grellem Orange und gleißendem Weiß - so malte William Turner 1847 das Feuer in einem riesigen Schmelzofen. Und mit diesem fulminanten Leuchten eröffnet die Ausstellung, die Turner als Maler von Feuer, Erde, Luft und Wasser vorstellt. Als Maler von Meeres- und Gebirgsansichten, Sonnenuntergängen und Sturmwolken. Und als Revolutionär der Malerei im Allgemeinen - und der Landschaftsmalerei im Besonderen.
Dafür haben die beiden Kuratorinnen die Aquarelle, Gouachen und Ölbilder im Erdgeschoss thematisch und chronologisch geordnet. So wird deutlich, wie sehr Turner im Laufe von 60 Jahren seine Vorstellungen von Landschaftsmalerei revolutionierte. Wie er von der abbildhaften Genauigkeit der frühen Jahre zur Entstofflichung der Dinge vordrang, die an zahlreichen Werken im Obergeschoss vorgeführt wird. Ortrud Westheider, Leiterin des Bucerius Kunst Forums:
"Wir können zeigen, dass er der Wegbereiter der Moderne ist, ein Wegbereiter der Abstraktion. Aber wir haben mit dieser Blickrichtung auf die Elemente auch die Möglichkeit zu zeigen, dass dies alles in einem zeitgenössischen Rahmen stattfindet. Also die Elemente, das war die naturwissenschaftliche Diskussion in der Zeit, das war aber auch noch vom 18. Jahrhundert her das antike Bild, das alles aus Feuer, Wasser, Luft und Erde zusammenkommt. ... So dass wir für die Abstraktion, die wir heute so schätzen, und uns hineinversetzen können, ein bisschen auch historisch untersuchen können."
Fasziniert von den Erkenntnissen der jungen Naturwissenschaften, widmeten sich um 1800 viele Künstler den Elemente, zeichneten sie Wolkenstudien oder Gebirgsansichten. Niemand allerdings arbeitete so systematisch wie Turner - und so folgenreich: 1775 in einfachen Verhältnissen in London geboren, und dort 1851 wohlhabend gestorben, ging er früh auf Reisen, und füllte dabei Skizzenbuch um Skizzenbuch mit seinen Eindrücken von Erde, Wasser, Feuer, Luft. Kuratorin Inés Richter-Musso:
"Es hatte die Funktion eines Memorandums. Das war ein Motivrepertoire - sowohl Landschaften, aber auch Menschen - alles wurde gesammelt. Selten hat er mit Farbe vor Ort gemalt. Meistens hat er auf Reisen ganz schnell skizziert und dann abends im Hotel Farbstudien, Aquarelle ausgeführt. Und erst nach seinen wochenlangen Reisen - meistens in der Wintersaison dann - hat er im Atelier aufgrund seines Materialfundus dann seine Kompositionen entwickelt."
Und was für welche! Arbeitete Turner erst noch mit Konturen, löst er diese mehr und mehr auf. Während seine europäischen Kollegen arkadische Italienlandschaften, detailgetreue Blicke über die heimische Gegend, oder erhabene Bergansichten schufen, suchte er nach Möglichkeiten, statt des Abbildes von Etwas dessen Eindruck festzuhalten, und wurde immer abstrakter. Zum Entsetzen seiner Zeitgenossen. Inés Richter-Musso:
"Naja, das wurde mit Suppe, mit Salatköpfen verglichen. Mit Fischköpfen, mit einem Durcheinander, so wurden die kommentiert die Bilder."
Möglich wurden diese radikalen Neuerungen durch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen: Turner erlebte Englands rasante Industrialisierung, erlebte Technisierung und die Erfindung der Eisenbahn, sah das Leben schneller, den Überlebenskampf Vieler härter werden. Vor diesem Hintergrund weist Turner der bis dahin irrelevanten Landschaftsmalerei eine völlig neue Bedeutung zu: Er zeigt, dass auch sie - und nicht nur die hoch angesehene Historienmalerei - von existenziellen Dingen erzählen kann. Ortrud Westheider:
""Die Elemente, das heißt Feuer, Wasser, Erde, Luft, treten im Grunde an die Stelle der Helden. Und die kämpfen genauso wie damals die Helden in der Mythologie. Das heißt: Wasser und Wind kämpfen. Und das sind natürlich durchaus Dinge, die in England zeitgemäß, existenziell sind: Wenn ein Seefahrer die Segel setzt und schwere See ist, dann ist das ein Kampf, den der Betrachter sofort, unmittelbar existenziell auch auf sich bezog. Das heißt: Man hat die Emotion wieder drin, und der Mensch und seine Belange sind in dieser Landschaftsmalerei aufgehoben."
Dies zeigen eindrucksvoll die späten Arbeiten im Obergeschoss: Ob Sonnenuntergang, brennendes Parlament, oder unruhige See - Turner pinselt mit ausholender Geste Farbe auf die Leinwand, vermischt Luft, Wasser, Feuer und Erde, verwischt die Farbe mit Fingern und Lappen, spiegelt in seiner Malweise die Dynamik und Kraft der Elemente - des Lebens.
Durch die Auswahl und Hängung der Bilder gelingt es den Kuratorinnen eindringlich, Turners ungeheure Entwicklung und seine revolutionären Neuerungen aufzuzeigen - und diese - dank kurzer Begleittexte - historisch zu verankern. Eine Herangehensweise, die heute - wo Ausstellungsmacher gern wieder große Künstler als von gesellschaftlichen Verhältnissen losgelöste Genies feiern - leider nicht mehr selbstverständlich ist.
Homepage des Bucerius Kunst Forum
Ein Wirbel aus glühendem Rot, grellem Orange und gleißendem Weiß - so malte William Turner 1847 das Feuer in einem riesigen Schmelzofen. Und mit diesem fulminanten Leuchten eröffnet die Ausstellung, die Turner als Maler von Feuer, Erde, Luft und Wasser vorstellt. Als Maler von Meeres- und Gebirgsansichten, Sonnenuntergängen und Sturmwolken. Und als Revolutionär der Malerei im Allgemeinen - und der Landschaftsmalerei im Besonderen.
Dafür haben die beiden Kuratorinnen die Aquarelle, Gouachen und Ölbilder im Erdgeschoss thematisch und chronologisch geordnet. So wird deutlich, wie sehr Turner im Laufe von 60 Jahren seine Vorstellungen von Landschaftsmalerei revolutionierte. Wie er von der abbildhaften Genauigkeit der frühen Jahre zur Entstofflichung der Dinge vordrang, die an zahlreichen Werken im Obergeschoss vorgeführt wird. Ortrud Westheider, Leiterin des Bucerius Kunst Forums:
"Wir können zeigen, dass er der Wegbereiter der Moderne ist, ein Wegbereiter der Abstraktion. Aber wir haben mit dieser Blickrichtung auf die Elemente auch die Möglichkeit zu zeigen, dass dies alles in einem zeitgenössischen Rahmen stattfindet. Also die Elemente, das war die naturwissenschaftliche Diskussion in der Zeit, das war aber auch noch vom 18. Jahrhundert her das antike Bild, das alles aus Feuer, Wasser, Luft und Erde zusammenkommt. ... So dass wir für die Abstraktion, die wir heute so schätzen, und uns hineinversetzen können, ein bisschen auch historisch untersuchen können."
Fasziniert von den Erkenntnissen der jungen Naturwissenschaften, widmeten sich um 1800 viele Künstler den Elemente, zeichneten sie Wolkenstudien oder Gebirgsansichten. Niemand allerdings arbeitete so systematisch wie Turner - und so folgenreich: 1775 in einfachen Verhältnissen in London geboren, und dort 1851 wohlhabend gestorben, ging er früh auf Reisen, und füllte dabei Skizzenbuch um Skizzenbuch mit seinen Eindrücken von Erde, Wasser, Feuer, Luft. Kuratorin Inés Richter-Musso:
"Es hatte die Funktion eines Memorandums. Das war ein Motivrepertoire - sowohl Landschaften, aber auch Menschen - alles wurde gesammelt. Selten hat er mit Farbe vor Ort gemalt. Meistens hat er auf Reisen ganz schnell skizziert und dann abends im Hotel Farbstudien, Aquarelle ausgeführt. Und erst nach seinen wochenlangen Reisen - meistens in der Wintersaison dann - hat er im Atelier aufgrund seines Materialfundus dann seine Kompositionen entwickelt."
Und was für welche! Arbeitete Turner erst noch mit Konturen, löst er diese mehr und mehr auf. Während seine europäischen Kollegen arkadische Italienlandschaften, detailgetreue Blicke über die heimische Gegend, oder erhabene Bergansichten schufen, suchte er nach Möglichkeiten, statt des Abbildes von Etwas dessen Eindruck festzuhalten, und wurde immer abstrakter. Zum Entsetzen seiner Zeitgenossen. Inés Richter-Musso:
"Naja, das wurde mit Suppe, mit Salatköpfen verglichen. Mit Fischköpfen, mit einem Durcheinander, so wurden die kommentiert die Bilder."
Möglich wurden diese radikalen Neuerungen durch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen: Turner erlebte Englands rasante Industrialisierung, erlebte Technisierung und die Erfindung der Eisenbahn, sah das Leben schneller, den Überlebenskampf Vieler härter werden. Vor diesem Hintergrund weist Turner der bis dahin irrelevanten Landschaftsmalerei eine völlig neue Bedeutung zu: Er zeigt, dass auch sie - und nicht nur die hoch angesehene Historienmalerei - von existenziellen Dingen erzählen kann. Ortrud Westheider:
""Die Elemente, das heißt Feuer, Wasser, Erde, Luft, treten im Grunde an die Stelle der Helden. Und die kämpfen genauso wie damals die Helden in der Mythologie. Das heißt: Wasser und Wind kämpfen. Und das sind natürlich durchaus Dinge, die in England zeitgemäß, existenziell sind: Wenn ein Seefahrer die Segel setzt und schwere See ist, dann ist das ein Kampf, den der Betrachter sofort, unmittelbar existenziell auch auf sich bezog. Das heißt: Man hat die Emotion wieder drin, und der Mensch und seine Belange sind in dieser Landschaftsmalerei aufgehoben."
Dies zeigen eindrucksvoll die späten Arbeiten im Obergeschoss: Ob Sonnenuntergang, brennendes Parlament, oder unruhige See - Turner pinselt mit ausholender Geste Farbe auf die Leinwand, vermischt Luft, Wasser, Feuer und Erde, verwischt die Farbe mit Fingern und Lappen, spiegelt in seiner Malweise die Dynamik und Kraft der Elemente - des Lebens.
Durch die Auswahl und Hängung der Bilder gelingt es den Kuratorinnen eindringlich, Turners ungeheure Entwicklung und seine revolutionären Neuerungen aufzuzeigen - und diese - dank kurzer Begleittexte - historisch zu verankern. Eine Herangehensweise, die heute - wo Ausstellungsmacher gern wieder große Künstler als von gesellschaftlichen Verhältnissen losgelöste Genies feiern - leider nicht mehr selbstverständlich ist.
Homepage des Bucerius Kunst Forum