Willkommen in Brandenburg
In den letzten Monaten haben zahlreiche Bürger gegen Flüchtlinge demonstriert. Dass es auch andere Meinungen zu diesem Thema gibt, zeigt ein Beispiel aus dem brandenburgischen Henningsdorf. Bürger machen mit einer simplen, aber wirkungsvollen Aktion auf sich aufmerksam: Sie kaufen Flüchtlingen Lebensmittelgutscheine ab.
Irene Charles sitzt im Büro der Bürgerinitiative "Willkommen in Oberhavel" vor Bärbel Wihstutz, die achtmonatige Kelly auf dem Schoß. Irene stammt aus Kenia, ist Anfang 30 und lebt seit dreieinhalb Jahren in einem Flüchtlingsheim der brandenburgischen Stadt Henningsdorf in der Nähe von Berlin. Bärbel Wihstutz ist 71, pensionierte Lehrerin und kauft Irene gerade ein paar Lebensmittelgutscheine ab.
Irene füllt für Bärbel eine Vollmacht aus, unterschreibt fünf Gutscheine à zehn Euro. Pro Monat bekommt sie für sich und ihr Baby vom Landkreis 217,- Euro Bargeld und über 300,- Euro in Form von Lebensmittelgutscheinen. Bundesweit praktizieren viele Landkreise dieses System und werden dafür von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert. Auch Irene findet die Gutscheine demütigend. Außerdem kann sie die Summe für sich und die kleine Tochter unmöglich verbrauchen. Nach sechs Wochen verfällt der Gutschein.
Das Problem ist, so erzählt Irene, dass sie nur in Läden einkaufen kann, die Gutscheine annehmen und dass sie dort nicht alles bekommt, zum Beispiel keine Babysachen. Wenn es ausnahmsweise doch einmal etwas Brauchbares im Angebot gibt, wie einen Wasserkocher, darf sie den mit ihren Lebensmittelgutscheinen nicht bezahlen. Doch das ist noch nicht alles, was die junge Mutter an den Gutscheinen stört.
"Wenn ich mit einem Gutschein zahle"," sagt Irene, ""bekomme ich oft kein Wechselgeld. Manche geben zehn Prozent des Gutscheinwertes zurück, andere gar nichts. Oder sie sagen, du sollst noch mal was holen gehen. Aber da sind Leute hinter mir und das ist echt peinlich". "
Darum ist Irene dankbar, dass Bärbel Wihstutz und andere Henningsdorfer Gutscheine gegen Bargeld tauschen und dann selbst damit einkaufen gehen. Bundesweit gibt es viele solcher Initiativen. Dass der Landrat regelmäßig behauptet, das sei illegal, lässt Bärbel Wihstutz völlig kalt.
""Wenn wir die Vollmacht haben, die Kopie der Wertgutscheinkarte und die Unterschrift des Flüchtlings auf den Gutscheinen, dann machen wir einen Einkauf in Vertretung. Und das ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erlaubt, dass man ein Geschäft in Vertretung macht. Und in sofern fühlen wir uns sicher und mit diesem sicheren Wissen können wir dann gut einkaufen gehen."
Und genau das hat Bärbel Wihstutz an diesem Vormittag noch vor. Gemeinsam mit ihrem Mann Hartmut und Irenes Gutscheinen in der Tasche verlässt sie das Büro Richtung Supermarkt. Beide wollen einen Probeeinkauf machen, testen, welcher Laden in der Umgebung unkompliziert Gutscheine auch von Nicht-Flüchtlingen annimmt.
"Beim allerersten Mal war ich sehr aufgeregt, es ist natürlich äußerst unangenehm, wenn die Kassiererin sagt, wir machen das nicht. Und dann sag ich, bitte rufen Sie doch ihren Geschäftsführer und es gibt Ärger. Ich setze mich nicht gerne Situationen aus, wo es Ärger gibt."
Im Moment machen etwa 60 Bürger bei der Aktion mit, weitere sollen folgen. "Deshalb verschicken wir Gutscheine bundesweit gegen Überweisung der entsprechenden Summe", sagt Hartmut Wihstutz. Der pensionierte Arzt arbeitet wie seine Frau Bärbel von Anfang an bei der Bürgerinitiative mit.
"Ein Risiko ist es in keinem Fall, denn sie kriegen für ihr Geld, sprich den Gutschein, kriegen sie die Ware, die sie kaufen wollen. Es ist auch keine Spende und keine Wohltätigkeit mit den Gutscheinen zu arbeiten. Es ist eine Demonstration dessen, dass dieses Gutscheinsystem ein Unsinn ist."
Am Supermarkt angekommen, holt sich Bärbel Wihstutz einen Einkaufswagen. Während sie das riesige Teil Richtung Marmelade-Regal schiebt, erzählt sie, dass sie und ihr Mann vier Jahre in Afrika gelebt haben, fremde Menschen bereichernd finden und dass sie selbst seit fast 30 Jahren ehrenamtlich Flüchtlingen hilft. Auch sie musste nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen.
"Ich glaube es ist schon die eigene Erfahrung, dass ich als Kind Flüchtling war, und erlebt habe, wie schrecklich das ist, in einer Umgebung zu leben, wo ich nicht willkommen bin."
Bärbel Wihstutz, ihr Mann und die Bürgerinitiative verfolgen deshalb mit der Gutscheinaktion zwei Ziele: Die Menschen sollen sich beim Tauschen besser kennen lernen und der Landkreis ab sofort nur noch Bargeld auszahlen. So lange wollen sie mit den Flüchtlingsgutscheinen einkaufen. Während Hartmut Wihstutz Marmeladengläser in den Einkaufwagen legt, rechnet seine Frau genau mit.
"Zehn Prozent des Gutscheinwertes sollen zwar ausgezahlt werden, aber das machen nicht alle Supermärkte. Deswegen versuche ich immer ein bisschen über dem Wert des Gutscheines zu liegen."
Der Testkauf heute liegt knapp über zehn Euro, ein Gutschein reicht. Wechselgeld fällt keines an.
Lächelnd schieben Bärbel und Hartmut Wihstutz den Einkaufswagen Richtung Auto. Der Testkauf heute lief problemlos, wie meistens in den letzten Wochen. Für 6000 Euro hat die Bürgerinitiative den 130 Flüchtlingen im Henningsdorfer Heim schon Gutscheine abgekauft und wöchentlich werden es mehr.
Irene füllt für Bärbel eine Vollmacht aus, unterschreibt fünf Gutscheine à zehn Euro. Pro Monat bekommt sie für sich und ihr Baby vom Landkreis 217,- Euro Bargeld und über 300,- Euro in Form von Lebensmittelgutscheinen. Bundesweit praktizieren viele Landkreise dieses System und werden dafür von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert. Auch Irene findet die Gutscheine demütigend. Außerdem kann sie die Summe für sich und die kleine Tochter unmöglich verbrauchen. Nach sechs Wochen verfällt der Gutschein.
Das Problem ist, so erzählt Irene, dass sie nur in Läden einkaufen kann, die Gutscheine annehmen und dass sie dort nicht alles bekommt, zum Beispiel keine Babysachen. Wenn es ausnahmsweise doch einmal etwas Brauchbares im Angebot gibt, wie einen Wasserkocher, darf sie den mit ihren Lebensmittelgutscheinen nicht bezahlen. Doch das ist noch nicht alles, was die junge Mutter an den Gutscheinen stört.
"Wenn ich mit einem Gutschein zahle"," sagt Irene, ""bekomme ich oft kein Wechselgeld. Manche geben zehn Prozent des Gutscheinwertes zurück, andere gar nichts. Oder sie sagen, du sollst noch mal was holen gehen. Aber da sind Leute hinter mir und das ist echt peinlich". "
Darum ist Irene dankbar, dass Bärbel Wihstutz und andere Henningsdorfer Gutscheine gegen Bargeld tauschen und dann selbst damit einkaufen gehen. Bundesweit gibt es viele solcher Initiativen. Dass der Landrat regelmäßig behauptet, das sei illegal, lässt Bärbel Wihstutz völlig kalt.
""Wenn wir die Vollmacht haben, die Kopie der Wertgutscheinkarte und die Unterschrift des Flüchtlings auf den Gutscheinen, dann machen wir einen Einkauf in Vertretung. Und das ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erlaubt, dass man ein Geschäft in Vertretung macht. Und in sofern fühlen wir uns sicher und mit diesem sicheren Wissen können wir dann gut einkaufen gehen."
Und genau das hat Bärbel Wihstutz an diesem Vormittag noch vor. Gemeinsam mit ihrem Mann Hartmut und Irenes Gutscheinen in der Tasche verlässt sie das Büro Richtung Supermarkt. Beide wollen einen Probeeinkauf machen, testen, welcher Laden in der Umgebung unkompliziert Gutscheine auch von Nicht-Flüchtlingen annimmt.
"Beim allerersten Mal war ich sehr aufgeregt, es ist natürlich äußerst unangenehm, wenn die Kassiererin sagt, wir machen das nicht. Und dann sag ich, bitte rufen Sie doch ihren Geschäftsführer und es gibt Ärger. Ich setze mich nicht gerne Situationen aus, wo es Ärger gibt."
Im Moment machen etwa 60 Bürger bei der Aktion mit, weitere sollen folgen. "Deshalb verschicken wir Gutscheine bundesweit gegen Überweisung der entsprechenden Summe", sagt Hartmut Wihstutz. Der pensionierte Arzt arbeitet wie seine Frau Bärbel von Anfang an bei der Bürgerinitiative mit.
"Ein Risiko ist es in keinem Fall, denn sie kriegen für ihr Geld, sprich den Gutschein, kriegen sie die Ware, die sie kaufen wollen. Es ist auch keine Spende und keine Wohltätigkeit mit den Gutscheinen zu arbeiten. Es ist eine Demonstration dessen, dass dieses Gutscheinsystem ein Unsinn ist."
Am Supermarkt angekommen, holt sich Bärbel Wihstutz einen Einkaufswagen. Während sie das riesige Teil Richtung Marmelade-Regal schiebt, erzählt sie, dass sie und ihr Mann vier Jahre in Afrika gelebt haben, fremde Menschen bereichernd finden und dass sie selbst seit fast 30 Jahren ehrenamtlich Flüchtlingen hilft. Auch sie musste nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen.
"Ich glaube es ist schon die eigene Erfahrung, dass ich als Kind Flüchtling war, und erlebt habe, wie schrecklich das ist, in einer Umgebung zu leben, wo ich nicht willkommen bin."
Bärbel Wihstutz, ihr Mann und die Bürgerinitiative verfolgen deshalb mit der Gutscheinaktion zwei Ziele: Die Menschen sollen sich beim Tauschen besser kennen lernen und der Landkreis ab sofort nur noch Bargeld auszahlen. So lange wollen sie mit den Flüchtlingsgutscheinen einkaufen. Während Hartmut Wihstutz Marmeladengläser in den Einkaufwagen legt, rechnet seine Frau genau mit.
"Zehn Prozent des Gutscheinwertes sollen zwar ausgezahlt werden, aber das machen nicht alle Supermärkte. Deswegen versuche ich immer ein bisschen über dem Wert des Gutscheines zu liegen."
Der Testkauf heute liegt knapp über zehn Euro, ein Gutschein reicht. Wechselgeld fällt keines an.
Lächelnd schieben Bärbel und Hartmut Wihstutz den Einkaufswagen Richtung Auto. Der Testkauf heute lief problemlos, wie meistens in den letzten Wochen. Für 6000 Euro hat die Bürgerinitiative den 130 Flüchtlingen im Henningsdorfer Heim schon Gutscheine abgekauft und wöchentlich werden es mehr.