Willkommen in Puerto Rico!
Jonny Depp ist wieder in der Karibik unterwegs. In "Rum Diary" von Regisseur Bruce Robinson ist er allerdings Journalist. Der Film ist die Adaption eines Romans von Hunter S. Thompson, eine Art Tagebuch über seinen drogenschweren Aufenthalt in Puerto Rico.
Es gibt Filme, da kann man einige Minuten zu spät ins Kino kommen, ohne Entscheidendes zu verpassen. "Rum Diary" nicht dazu, denn die Anfangssequenz des Films ist zugleich die Beste: Darin quält sich Johnny Depp als Paul Kemp - ein Pseudonym für Hunter S. Thompson - aus dem Hotelbett, wankt mit zittrigen Knien zum Fenster, schiebt verkatert die Vorhänge zur Seite, blinzelt ungläubig hinaus und erlebt, wie am viel zu hellen Horizont ein kleines Propellerflugzeug eine Werbebanderole durch die Luft zieht. Willkommen in Puerto Rico!
Wir schreiben das Jahr 1960, Paul Kemp ist gerade in der Hauptstadt San Juan angekommen, um hier für die heruntergekommene Postille "The San Juan Star" zu schreiben. Warum bleibt unklar. Vielleicht will er dem kalten New York entfliehen, vielleicht einen neuen Karriereschritt vorbereiten. Auch wenn das erste Gespräch mit Chefredakteur Lotterman nicht gerade vielversprechend klingt.
"Waren sie schon mal in Puerto Rico?"
"Nein."
"Oh, sie werden begeistert sein. Hier herrscht gerade ein Riesenboom. Man muss nur zugreifen. Dann schwimmt man ganz oben mit, ganz oben. Ah, ... kennen Sie sich mit Horoskopen aus?"
"Nein."
"Wenn ich sie schreiben kann, können sie es auch. Wir bringen sie jeden Tag."
Wer die heruntergekommenen Redaktionsräume sieht, weiß, wie es um die Zeitung bestellt ist. Und wenn Paul Kremp je große journalistische Ambitionen hatte, dann verliert er sie in seinem neuen Umfeld. Stattdessen taucht er mit seinen Kollegen in das karibische Nachtleben ein, geht weder Rum noch Drogen aus dem Weg und auch nicht weiblichen Reizen. Hunter S. Thompson schrieb über seine Zeit in Puerto Rico eine Art Tagebuch, das Johnny Depp vor einigen Jahren fand:
"Ich fand das Skript von 'Rum Diary'” eher zufällig. Wir waren im Haus von Hunter in Woody Creek. Unten im Keller, den er 'Kriegszimmer' nannte, gab es unglaublich viele Kisten mit irgendwelchen Sachen. Ich wusste nicht, was da drin war und zog einiges raus. Und dann stolperte ich über etwas, das 'Rum Tagebuch' hieß. Was ist das denn? Bang! Er meinte: 'Vielleicht sollte ich das veröffentlichen'. Mann, ja, mach das! Das ist doch toll! Und nachdem wir uns etwa 20 Minuten darüber unterhalten hatten, sprachen wir gleich über die Filmrechte und darüber, dass wir den Film gemeinsam produzieren sollten."
Eigentlich sieht man Paul Kremp kaum arbeiten. Und wenn, dann sind die Ergebnisse nicht sehr erbaulich.
""Zu viele Adjektive, zu viel Zynismus. Niemand will was über den Abgrund lesen, alle wollen was über den Aufschwung lesen."
"Soll ich es umschreiben?"
"Bravo, wir haben uns verstanden. Und wenn sie schon mal dabei sind. Ändern sie auf jeden Fall den Titel. 'Zehn Dinge, die ich an Puerto Rico über alles liebe.' Und ... wie läuft es so mit dem Entzug?"
"Ich habe schon reduziert."
"Ich gehe mal davon aus, damit meinen sie die Flaschengröße. Wie schafft man 161 Fläschchen aus der Minibar? Das sind fast 100 Fläschchen die Woche. Da müssen die ja viermal am Tag neu auffüllen."
Kremp muss das Hotel verlassen, lernt eine unwiderstehliche Blondine kennen und versackt mit seinen kaputten Kollegen noch mehr im Drogensumpf. Zugleich kontaktiert ihn der Investor Sanderson. Jener ist entschlossen, Puerto Rico in ein kapitalistisches Paradies samt Luxushotel zu verwandeln. Und er braucht die Presse, um in der Öffentlichkeit für Unterstützung zu werben.
"Paul, ich wollte mit ihnen reden, weil ich jemanden suche, der widersprüchliche Ansichten unter einen Hut bringt und eine Stimme daraus macht. Sie sind Schriftsteller, oder?"
"Woher wissen sie das?"
"Ich bitte sie, von den Zeitungsjungs erfährt man alles. Ich bin also auf der Suche, und am nächsten Tag tauchen sie auf. Wenn sie mich fragen, ist das ein Wink des Schicksals. ... Was ich brauche ist jemand, der den richtigen Blick hat…"
"…um was zu sehen?"
"Das, was vor uns liegt. ... Geld so weit das Auge reicht."
Die Situation verschärft sich, als Sanderson vor Gericht eine Kaution hinterlegt, um Kramp wegen diverser Gesetzesverstöße vor dem Gefängnis zu retten.
"Ich habe recherchiert auf dem Karneval."
"Da habe ich was anderes gehört. Sie kraulen Sanderson nebenbei die Eier."
"Was mache ich?"
"Sie haben sich von Sanderson kaufen lassen."
"Ich habe eine Story für sie. Das ist hochbrisant. Es geht um Mr. Segura und Mr. Hal Sanderson."
"Ich sage ihnen mal, was brisant ist: Hier stehen eine Zeitung und 21 Arbeitsplätze auf der Kippe."
"Nicht wenn sie das hier drucken. Es geht um Baubetrug und die systematische Ausrottung eines Paradieses. Tausende Menschen werden dabei einfach entsorgt wie Müll."
In "Rum Diary" kommen Johnny-Depp-Fans voll auf ihre Kosten. Ansonsten bietet der Film politische Intrigen, ein Machtspiel der Großindustrie gegenüber der Bevölkerung und karibischen Flair. Statt aber die einzelnen Handlungsebenen zu vertiefen und besser miteinander zu verknüpfen, hat sich Autor und Regisseur Bruce Robinson zu sehr auf die Hauptfigur und die Drogenexzesse konzentriert.
"Im Wesentlichen geht es darum, wie Hunter Thompson zu Hunter Thompson wird. Es gibt einen Satz im Film, der oft zitiert wird: 'Ich habe keine Stimme. Ich weiß nicht, wie mein eigenes Ich schreiben kann'. Das war für mich eine Art roter Faden für die Geschichte. Am Ende der Geschichte weiß er es dann. Und obgleich er Journalist ist, sehen wir ihn nie an seiner Schreibmaschine arbeiten. Außer in den letzten 15 Minuten des Films. Dann nämlich wenn er seine Stimme gefunden hat."
USA 2012, Regie: Bruce Robinson; Darsteller: Johnny Depp, Aaron Eckhart, Michael Rispoli, FSK ab 12 Jahre, 119 Minuten
Filmhomepage
Wir schreiben das Jahr 1960, Paul Kemp ist gerade in der Hauptstadt San Juan angekommen, um hier für die heruntergekommene Postille "The San Juan Star" zu schreiben. Warum bleibt unklar. Vielleicht will er dem kalten New York entfliehen, vielleicht einen neuen Karriereschritt vorbereiten. Auch wenn das erste Gespräch mit Chefredakteur Lotterman nicht gerade vielversprechend klingt.
"Waren sie schon mal in Puerto Rico?"
"Nein."
"Oh, sie werden begeistert sein. Hier herrscht gerade ein Riesenboom. Man muss nur zugreifen. Dann schwimmt man ganz oben mit, ganz oben. Ah, ... kennen Sie sich mit Horoskopen aus?"
"Nein."
"Wenn ich sie schreiben kann, können sie es auch. Wir bringen sie jeden Tag."
Wer die heruntergekommenen Redaktionsräume sieht, weiß, wie es um die Zeitung bestellt ist. Und wenn Paul Kremp je große journalistische Ambitionen hatte, dann verliert er sie in seinem neuen Umfeld. Stattdessen taucht er mit seinen Kollegen in das karibische Nachtleben ein, geht weder Rum noch Drogen aus dem Weg und auch nicht weiblichen Reizen. Hunter S. Thompson schrieb über seine Zeit in Puerto Rico eine Art Tagebuch, das Johnny Depp vor einigen Jahren fand:
"Ich fand das Skript von 'Rum Diary'” eher zufällig. Wir waren im Haus von Hunter in Woody Creek. Unten im Keller, den er 'Kriegszimmer' nannte, gab es unglaublich viele Kisten mit irgendwelchen Sachen. Ich wusste nicht, was da drin war und zog einiges raus. Und dann stolperte ich über etwas, das 'Rum Tagebuch' hieß. Was ist das denn? Bang! Er meinte: 'Vielleicht sollte ich das veröffentlichen'. Mann, ja, mach das! Das ist doch toll! Und nachdem wir uns etwa 20 Minuten darüber unterhalten hatten, sprachen wir gleich über die Filmrechte und darüber, dass wir den Film gemeinsam produzieren sollten."
Eigentlich sieht man Paul Kremp kaum arbeiten. Und wenn, dann sind die Ergebnisse nicht sehr erbaulich.
""Zu viele Adjektive, zu viel Zynismus. Niemand will was über den Abgrund lesen, alle wollen was über den Aufschwung lesen."
"Soll ich es umschreiben?"
"Bravo, wir haben uns verstanden. Und wenn sie schon mal dabei sind. Ändern sie auf jeden Fall den Titel. 'Zehn Dinge, die ich an Puerto Rico über alles liebe.' Und ... wie läuft es so mit dem Entzug?"
"Ich habe schon reduziert."
"Ich gehe mal davon aus, damit meinen sie die Flaschengröße. Wie schafft man 161 Fläschchen aus der Minibar? Das sind fast 100 Fläschchen die Woche. Da müssen die ja viermal am Tag neu auffüllen."
Kremp muss das Hotel verlassen, lernt eine unwiderstehliche Blondine kennen und versackt mit seinen kaputten Kollegen noch mehr im Drogensumpf. Zugleich kontaktiert ihn der Investor Sanderson. Jener ist entschlossen, Puerto Rico in ein kapitalistisches Paradies samt Luxushotel zu verwandeln. Und er braucht die Presse, um in der Öffentlichkeit für Unterstützung zu werben.
"Paul, ich wollte mit ihnen reden, weil ich jemanden suche, der widersprüchliche Ansichten unter einen Hut bringt und eine Stimme daraus macht. Sie sind Schriftsteller, oder?"
"Woher wissen sie das?"
"Ich bitte sie, von den Zeitungsjungs erfährt man alles. Ich bin also auf der Suche, und am nächsten Tag tauchen sie auf. Wenn sie mich fragen, ist das ein Wink des Schicksals. ... Was ich brauche ist jemand, der den richtigen Blick hat…"
"…um was zu sehen?"
"Das, was vor uns liegt. ... Geld so weit das Auge reicht."
Die Situation verschärft sich, als Sanderson vor Gericht eine Kaution hinterlegt, um Kramp wegen diverser Gesetzesverstöße vor dem Gefängnis zu retten.
"Ich habe recherchiert auf dem Karneval."
"Da habe ich was anderes gehört. Sie kraulen Sanderson nebenbei die Eier."
"Was mache ich?"
"Sie haben sich von Sanderson kaufen lassen."
"Ich habe eine Story für sie. Das ist hochbrisant. Es geht um Mr. Segura und Mr. Hal Sanderson."
"Ich sage ihnen mal, was brisant ist: Hier stehen eine Zeitung und 21 Arbeitsplätze auf der Kippe."
"Nicht wenn sie das hier drucken. Es geht um Baubetrug und die systematische Ausrottung eines Paradieses. Tausende Menschen werden dabei einfach entsorgt wie Müll."
In "Rum Diary" kommen Johnny-Depp-Fans voll auf ihre Kosten. Ansonsten bietet der Film politische Intrigen, ein Machtspiel der Großindustrie gegenüber der Bevölkerung und karibischen Flair. Statt aber die einzelnen Handlungsebenen zu vertiefen und besser miteinander zu verknüpfen, hat sich Autor und Regisseur Bruce Robinson zu sehr auf die Hauptfigur und die Drogenexzesse konzentriert.
"Im Wesentlichen geht es darum, wie Hunter Thompson zu Hunter Thompson wird. Es gibt einen Satz im Film, der oft zitiert wird: 'Ich habe keine Stimme. Ich weiß nicht, wie mein eigenes Ich schreiben kann'. Das war für mich eine Art roter Faden für die Geschichte. Am Ende der Geschichte weiß er es dann. Und obgleich er Journalist ist, sehen wir ihn nie an seiner Schreibmaschine arbeiten. Außer in den letzten 15 Minuten des Films. Dann nämlich wenn er seine Stimme gefunden hat."
USA 2012, Regie: Bruce Robinson; Darsteller: Johnny Depp, Aaron Eckhart, Michael Rispoli, FSK ab 12 Jahre, 119 Minuten
Filmhomepage