Willkommen Suhrkamp in Berlin!

Von Jörg Plath |
Seit Anfang dieses Jahres ist der Suhrkamp Verlag in Berlin. 450 geladene Gäste drängten sich nun im bitterkalten Innenhof und zwei geheizten Zelten in der Pappelallee bei den offiziellen Feierlichkeiten.
Die Bücherkartons aus Frankfurt sind inzwischen ausgepackt, aber allzu viel dürften die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Suhrkamp und des Insel Verlages bisher nicht gearbeitet haben. Seit dem 4. Januar strömen Journalisten, Autoren und Institutionenvertreter aller Art in den neuen Verlagssitz im Prenzlauer Berg.

An diesem Dienstag nun kamen sie alle noch einmal, verstärkt um bundes- und landespolitische Prominenz, Altbundespräsident Richard von Weizsäcker vorneweg. 450 geladene Gäste drängten sich im bitterkalten Innenhof und in zwei geheizten Zelten. Die meisten mussten die Reden von Ulla Unseld-Berkéwicz, Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit auf einem Bildschirm verfolgen.

Allzu schlimm war das nicht, die Redner variierten Erwartbares. Den Anfang machte die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz, die geschickt sehr, sehr viele Namen von Politikern, Autoren und Mitarbeitern aufzählte und mittendrin ihrem gelinden Staunen Ausdruck gab:

"Um den Umzug des Suhrkamp und des Insel Verlags von Frankfurt nach Berlin hat man, so schien es uns gelegentlich, mehr geschrieben, mehr gestritten, als um den der Regierung von Bonn nach Berlin. Jetzt sind wir hier, und das ist richtig."

"Und das ist richtig" – das war eine kleine Verbeugung vor Wowereits Kommentar zu seinem Coming-Out "Und das ist gut so". Nun also ein Suhrkamp-Coming-Out: Suhrkamp ist ein Berliner, hier fing ja alles mit Peter Suhrkamp an.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann sekundierte der Verlegerin:

"Ein mittelständisches Wirtschaftsunternehmen zieht vom Main an die Spree. Das kann vorkommen."

Und warum, fragte Neumann, strömt trotzdem die Prominenz ins Haus? Weil, so Neumann, Suhrkamp ein lebendiger Mythos sei und an der Zivilisierung einer durch den Nationalsozialismus verheerten Gesellschaft gewaltigen Anteil habe. Geist und Macht vereint in Berlin, dieser alte deutsche Traum fand endlich in diesem überheizten Zelt eine Heimstatt. Hatte nicht schon Ulla Unseld-Berkewicz den Verlags- und den Regierungsumzug zusammengebracht? Na also.

Bürgermeister Klaus Wowereit nahm die historische Perspektive noch einmal auf: Der Umzug heile die von den Nationalsozialisten und der deutschen Teilung geschlagenen Wunden der Stadt, die Vertreibung der jüdischen Intelligenz und den Weggang der Firmenzentralen:

"Es wird auch mit diesem Umzug wieder ein Stück Normalität hergestellt."

Normalität, natürlich ohne Vergessen – auch das ist ein deutscher Traum, glücklicherweise übrigens ungefähr so alt wie Suhrkamp. Und damit wären die wichtigsten Elemente bundesdeutscher Feierstunden beisammen: Das bescheidene Staunen, dann das Anknüpfen an die Historie mit dem Ziel der Heilung, der Normalisierung. Fehlt nur noch die Zukunft. Ebenso wie Klaus Wowereit wurde Bernd Neumann hier ganz entschieden:

"Ich werde mich auch in Zukunft mit Vehemenz für die Rechte der Urheber einsetzen, und das heißt in diesem Falle für die Rechte der Autorinnen und Autoren, damit das deutsche Urheberrechtsrecht eben nicht in Streifen gerissen wird. Wir brauchen die Dichter und Schriftsteller, die Wissenschaftler und Philosophen, ( ... ) und zwar nicht nur in Talkshows und Podien, sondern in gedruckter Form zwischen zwei Deckeln als Buch."

Ob das gedruckte Buch die Zukunft ist? Suhrkamp, das wussten die Festredner vielleicht nicht, verlegt längst Bücher mit DVDs und beschäftigt sich natürlich mit dem E-Book. Wie gut, dass Bernd Neumann alsbald zurückfand zur schönen Jubiläumsprosa und mit Hermann Hesse endete:

"Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne."