Willkommensklasse in der Charles-Dickens-Schule

Ein Jahr deutsche Schule - und Stück für Stück angekommen

Die Willkommensklasse beim Sportunterricht
Die Willkommensklasse beim Sportunterricht © Deutschlandradio / Nana Brink
Von Nana Brink |
Im Herbst 2017 haben wir über die Willkommensklasse an der Charles-Dickens-Grundschule in Berlin berichtet. Nun haben wir die Klasse ein zweites Mal besucht. Einfach ist der Alltag für Schüler und Lehrer nicht. Aber die Kinder machen Fortschritte.
Vor einem Jahr stellten sich Haitham aus Syrien und Sondos aus Ägypten noch auf Arabisch vor. Heute sind sie schon viel weiter. Sie sprechen Deutsch.
"Guten Morgen! Guten Morgen alle miteinander!"
Tatjana Köster, die Lehrerin der Willkommensklasse, erklärt, was heute zu tun ist und blickt dann in die Runde. Neun Kinder sind da - von zwölf. Ein Fortschritt. Als das Schuljahr anfing, schafften es gerade mal die Hälfte der Kinder, pünktlich zu sein.
"Und dann ist da noch Omid, den Sie kennen, der muss noch kommen, Omid macht Fortschritte, er ist hier, seit er aus Afghanistan gekommen ist mit zehn Jahren, der hatte keine Schulausbildung, also er versucht immer mit sehr viel Witz und Charme seine geringe Körpergröße zu kompensieren, was ihm meistens gelingt, er macht das, er ist schnell hier reingekommen. Der Vorteil ist die kleine Gruppe, da kriegt er auch viel Aufmerksamkeit, die er braucht."

Zehn nach acht spaziert Omid herein

Es ist zehn nach acht, als die Tür aufgeht und Omid hereinspaziert, ein kleiner zarter Junge. Er lächelt verschmitzt, als er seine schwarze Brille cool in die Haare steckt: "Die haben gesagt, der Bus ist kaputt."
Wie ein Ball hüpft Omid zwischen den Tischen hin und her, bevor er sich mit seinem Heft endlich hinsetzt.
Tatjana Köster: "Man braucht wahnsinnig viel Geduld, aber trotzdem immer die Kinder machen lassen, ausprobieren lassen, und immer wieder helfen, helfen, helfen. Die schaffen das schon, und die machen das dann immer besser. Und man merkt es von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Ich gebe jetzt ja auch Kinder in die Regelklassen und dann kommen die nächsten, alles von vorne los und so ist das Leben in der Willkommensklasse."
Alltag in der Willkommensklasse: Wer gut genug Deutsch gelernt hat, wechselt in eine Regelklasse
Alltag in der Willkommensklasse: Wer gut genug Deutsch gelernt hat, wechselt in eine Regelklasse© Deutschlandradio / Nana Brink
Kurz nach Beginn der Flüchtlingsbewegung hat die Charles-Dickens-Schule zwei Willkommensklassen eingerichtet. Das Prinzip: Die Kinder sollen erst im deutschen Schulsystem ankommen, wie Schulleiter Frank Effenberger erklärt:
"Ich würde auf jeden Fall sagen, dass unser Konzept aufgegangen ist, weil wir uns Zeit gelassen haben und wirklich genau geschaut haben, sind die Kinder so weit und sind sie auch gut vorbereitet, um in der Regelklasse mitzukommen. Der Punkt ist: Es ist immer so ein zweischneidiges Schwert, weil die Kinder immer gut lernen, wenn sie in der Regelklasse sind, durch das Abgucken, was machen die anderen! Aber auf der anderen Seite immer wieder Schwierigkeiten haben, mitzukommen, also die Basis muss da sein, damit sie auch vernünftig in der Klasse ankommen können und oft ist ein Jahr ein bisschen zu kurz."
"Ich geh in die 5. Klasse im nächsten Jahr, deutsche Klasse, weil ich habe deutsche Sprache gelernt ... nur bei Geschichte ein bisschen schwer, weil ich verstehe nicht so viel."

Sondos spricht gut Deutsch, aber das Schreiben fällt schwer

Haitham, 12 Jahre, hat es geschafft. Zum nächsten Schuljahr wird er die Willkommensklasse verlassen, ein Jahr nach seiner Flucht aus Syrien. Stolz zeigt er sein Heft mit den akkurat geschriebenen Wörtern. Neben ihm sitzt Sondos, elf Jahre, aus Ägypten. Sie spricht schon gut, nur das Schreiben fällt schwer.
"Ich bin in Willkommensklasse, aber wenn ich bin in einen richtig Klasse, ist schwer, oder? .... aber meine Mutter und meine Vater wollen, das ich gehe in eine richtig deutsche ... richtige deutsche Klasse."
Sondos wird noch ein Jahr in der Willkommensklasse bleiben. Tatjana Köster guckt sich jedes Kind genau an.
"Weil bevor die Tendenz da ist, dass die Kinder gleich in Regelklassen sollen, und das ist nicht gut für die Kinder, die müssen erst wirklich einen Wortschatz haben, um Regelklassen überhaupt verstehen zu können, man muss die Aufträge, die der Lehrer dort stellt, verstehen."
Manchmal, wenn Tatjana Köster sich zur Tafel wendet, flüstern die Kinder auf Arabisch - für viele die Muttersprache. Immer noch schlagen sie ihre Bücher von links nach rechts auf und kichern dann. Die Jungs wie Haitham oder Omid gucken böse, wenn die Lehrerin sie auseinandersetzt. Ausgerechnet neben ein Mädchen!
"Ich will nicht .... ich weiß nicht ... ich will was anderes."
"Es ist normal. Aber ich denke, aus ihren Ländern, aus ihrer Kultur ist es nicht normal, dass Mädchen und Jungen zusammenarbeiten, deshalb mache ich das immer jeden Tag mit ihnen!"
"Ihr wartet vor der Halle drinnen! …. Wir gehen zum Sport. Zimmer -, Turn, - …. Sporthalle, ja Sporthalle … wir rennen, turnen …. Wir machen Sport … wir müssen warten, bis Lehrer kommt."

35 Kinder rennen durch die Sporthalle

Immer Mittwochs nach der großen Pause ist Sport-Unterricht. Für Mädchen und Jungen. Und zusammen mit der Regelklasse. 35 Kinder rennen durch die Halle. Nach ein paar Minuten fällt es schwer, die Klassen auseinander zu halten.
"Ich halte es für immens wichtig, eine möglichst enge Vernetzung zu schaffen im Schulalltag, gemeinsame Pausen, gemeinsame Aktionen, der Sportunterricht, alles Sachen, wo sie sich nähern, den Kontakt zu den anderen zu bekommen, man muss versuchen, es so normal wie möglich zu gestalten, dass sie sich als Teil der Schule fühlen."
Das allerdings, so Schulleiter Frank Effenberger, hat auch seinen Preis: "Gelder bekommen wir nicht mehr, müssen wir aus unseren normalen Geldern abdecken, Extra-Gelder gab es nur beim Start, beim Einrichten der Klassen."
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