Ein neues deutsches Wort
Willkommenskultur - das Wort hört man oft. Kaum war er erfunden, hat es der Begriff auch sofort in die Behördensprache geschafft. Die Autorin Gila Lustiger setzt sich in der "Originalton"-Reihe mit dem Wort und seinem Gebrauch auseinander.
Willkommenskultur: In der politischen Debatte hierzulande hört man dieses Wort derzeit ziemlich oft. Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat es neben Lichtgrenze, schwarze Null, Götzseidank, Russlandversteher, Terror-Tourismus und "Generation Kopf unten" zu den Wörtern des Jahres 2014 gewählt.
Jeder weiß so ungefähr, was gemeint ist, wenn einer in öffentlich-rechtlichen Sendern zur späten Abendstunde für eine "Willkommenskultur" plädiert. Und jeder weiß auch, welchem politischen Lager die Person angehört, die, sobald sie dieses Wort auch nur vernimmt, mit "Armutszuwanderer", "Sozialbetrüger" und "Bringschuld der Migranten" ins Feld zieht.
"Armutszuwanderer", "Sozialbetrüger", "Bringschuld der Migranten" auch das sind Worte unserer Zeit, die es, mir nichts, dir nichts, schaffen Menschen zu stigmatisieren.
Ob Deutsche Bank oder Daimler - alle engagieren sich
Aber bleiben wir bei der Willkommenskultur. Das Wort hat in Deutschland Hochkonjunktur. Kaum eine Verwaltung, kaum ein Konzern oder eine Stiftung, die heuer nicht etwas ungemein Schlaues dazu in Auftrag gegeben hätte. Die Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände bietet einen Leitfaden zur Einführung der Willkommenskultur an. Die Bundesregierung organisiert eine Wanderausstellung mit dem bezeichnenden Namen "Yes, we are open".
Die Deutschen Bank, Daimler und die Deutschen Telekom haben die "Charta der Vielfalt" ins Leben gerufen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie den Wettbewerb "Vielfalt. Wachstum. Wohlstand"ausgeschrieben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Förderprogramm "Integration durch Qualifizierung." Die Allianz-Versicherung veranstaltet Schnuppertage für Studierende mit Behinderung. Die Bayerischen Motorenwerke eine Internationale Schlemmerwoche in ihren Betriebskantinen.
Und so geht das weiter und weiter mit Diversity-Tagen, Herbstakademien, Begegnungsabenden, Impulsveranstaltung, Workshops, Informationsportalen, Sportprogrammen, Vielfalt-Fotowettbewerben und kostenlosen Webinaren...
Ich könnte das mindestens noch zehn Minuten fortsetzten, wenn nicht schon längst klar wäre, was ich hier zu veranschaulichen versuche, dass die Willkommenskultur in Deutschland, kaum ins Leben gerufen, einbürokratisiert wurde. Das Wort gibt es nicht, jeder versteht jedoch, was ich meine.