Wiltener Sängerknaben singen Arvo Pärt

Künstlerische Seelenverwandtschaft

Der estnische Komponist Arvo Pärt im Jahr 2008, im Hintegrund die Musiker eines Sinfonie-Orchesters.
Der estnische Komponist Arvo Pärt © picture-alliance / dpa / Scanpix, Pedersen
Von Ulrike Klobes |
Arvo Pärt hatte sich gewünscht, dass die Wiltener Sängerknaben seine Stücke singen und er wählte auch die Stücke aus. Die Aufnahmen sind nun auf der CD "Babel" erschienen und es gelang den jungen Sängern, sie erfrischend und jugendlich zu interpretieren.
Die Reduktion auf das Wesentliche – das ist seit den 1970er Jahren zu Arvo Pärts Markenzeichen geworden. Ein langsames Fortschreiten, ein bedachtes Stehenbleiben, ein plötzliches Innehalten: So besinnt sich Pärt mit seiner Musik ganz auf den Moment ihrer Entstehung und entlässt sie gleichzeitig mit weiten, bedeutungsvollen Bögen in die Ewigkeit.
Besonders seine Chormusik lebt von dieser Mischung aus Klarheit und Erhabenem. Sein Magnificat aus dem Jahr 1989 etwa wird mittlerweile von Chören auf der ganzen Welt gesungen. Jetzt hat sich der Meister es sich von einem ganz bestimmten Chor gewünscht: Von den "Wiltener Sängerknaben" aus Innsbruck. Warum die Wahl ausgerechnet auf seinen Knabenchor gefallen ist, darüber kann Chorleiter Johannes Stecher nur Vermutungen anstellen.
"Irgendwie ist der Arvo Pärt wohl über uns drübergestolpert, und es hat wohl auch damit zu tun, dass, so denke ich, unser Klang gefallen hat, und dass wir aber auch Männerstimmen fest in unserem Chor dabei haben, dass man also keinen Männerchor quasi dazu engagieren muss, sondern dass das eine gewachsene Sache bei uns ist, mit circa 80 Knaben im Konzertchor und circa 50 bis 55 Männerstimmen.
Ich glaube eben, dass die Akkorde, wenn sie stimmen, vielleicht etwas ruhiger liegen, weil sie etwas gerade sind, als von erwachsenen Stimmen gesungen. Des Weiteren glaube ich, dass gerade das Falsett der jungen Männerstimmen und, ich nenne es Pfeifregister, der Knabenstimmen, dadurch entsteht ein besonderes Leuchten, wie ich finde, ein klarer, leuchtender Klang, der sehr berührend ist."
Leuchtender Klang, der berührt
Genau dieser leuchtende Klang muss es auch Arvo Pärt angetan haben. Zwar hat er schon einige seiner Werke von Knabenchören singen lassen, gleich ein ganzes Album mit einem Knabenchor hat es bislang noch nicht gegeben. Die Entscheidung, welche Stücke einstudiert werden sollten, hat Pärt selbst getroffen. Und so findet sich neben dem berühmten Magnificat, noch ein Klassiker aus den 1980er Jahren auf dem Album der Wiltener Sängerknaben, das titelgebende "An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten".
Ansonsten hat sich Arvo Pärt ausschließlich für neuere Stücke aus den letzten 20 Jahren entschieden, wie sein positiv-strahlendes "Da pacem Domine" oder das ergreifende "The Deer's Cry".
Besonders beliebt bei den Wiltener Sängerknaben ist Pärts "Beatitudines" aus dem Jahr 2011, das hier zum ersten Mal auf CD aufgenommen wurde. Auch Chorleiter und Organist Johannes Stecher ist von diesem Stück begeistert.
"Natürlich ist es eine wunderschöne Bibelstelle zunächst einmal, und dann ist es in wunderschönen Harmonien geschrieben, mit diesen Dissonanzen immer wieder auf den betonten Wortteilen und den wunderschönen Pianissimo-Auflösungen am Schluss, und dann eben dieser Orgel-Bordun, dieser satte 16-Fuß, der den Chor so trägt, dieses Beatitudines hat schon sehr viel Fans in unserem Chor, möchte ich sagen."
Klingt leicht, ist aber schwer zu singen
Trotzdem Pärts Musik so einfach strukturiert klingt, leicht zu singen, sagt Johannes Stecher, ist sie keineswegs. Besonders für Kinder und Jugendliche können die weiten Bögen zu einer echten Herausforderung werden.
"Es gibt in diesen Stücken sehr viele lange Akkorde, es gibt in diesen Stücken sehr viele Pausen. Gott, was haben wir Pausen geübt. Für ein Kind, aber auch manchmal für vorpubertäre 13-Jährige ist das mitunter sehr schwer, einfach ruhig zu sitzen, und einfach nicht sich zu bewegen, einfach nichts zu tun, außer zu hören, zu atmen, und das ist eine wunderbare Erfahrung gewesen, dass wir viele Pausen eigentlich geübt haben, wo dann plötzlich jedem bewusst wird, Gott, ist das schön, wenn es einmal ganz leise ist..."
Zwischendurch hat Johannes Stecher seine Knaben immer wieder herumzappeln und sich bewegen lassen, schließlich muss so viel Konzentration im Zeitalter von Smartphones und Tablets auch erst einmal gelernt werden. Seine Ausdauer hat sich gelohnt, mit "Babel" zeigen die Wiltener Sängerknaben, dass sie ihre klaren Stimmen mit viel Hingabe und Respekt einsetzen können. So haben sie den Chorstücken von Arvo Pärt einen überaus erfrischenden, und tatsächlich einen jugendlichen Anstrich verliehen – ohne dabei die Ernsthaftigkeit der Werke in Frage zu stellen. Und auch den Komponisten selbst, berichtet Johannes Stecher, hat das Ergebnis überzeugt.
"Ich darf sagen, er war sehr angetan. Irgendwo gibt es ein Statement von ihm, wo er seine Überraschung über die Reife dieses Knabenchores und über die Schönheit der Stimmen zu Ausdruck bringt, natürlich hat mich dieses Lob und uns alle sehr gefreut."
Arvo Pärt: BabelLabel "Collegno"
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