Wim Wenders über den Krieg in der Ukraine

"Wir können nicht so tun, als hätten wir keine Mitschuld"

10:04 Minuten
Wim Wenders bei der Bekanntgabe der Preisträger des Internationalen Kunstpreises Praemium Imperiale in der Botschaft von Japan.
"Das ist schon ein großer Peis", sagt Wim Wenders über den Praemium Imperiale. © picture alliance / dpa / Gerald Matzka
Wim Wenders im Gespräch mit Julius Stucke |
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Der Filmregisseur Wim Wenders erhält den Preis "Praemium Imperiale" aus Japan. Im Gespräch erzählt er von einem aktuellen Projekt in Tokio und kritisiert die Politik des Westens gegenüber Russland: Man habe übersehen, "wen man da kränkt".
Der Filmregisseur Wim Wenders ist mit dem Kulturpreis Praemium Imperiale ausgezeichnet worden. Er sei einer der Künstler, die dazu beigetragen hätten, die Weltgemeinschaft zu bereichern, teilte die Japan Art Association mit. Sie würdigte nicht nur seine Spiel- und Dokumentarfilme, sondern auch seine Fotoausstellungen, Monografien, Filmbücher und Essaysammlungen.
Das Preisgeld für Wim Wenders beträgt etwa 100.000 Euro. Der Praemium Imperiale wird jährlich in den Gattungen Malerei, Skulptur, Architektur, Musik und Film/Theater verliehen.
Wenders ist mit Filmen wie "Paris, Texas" und "Der Himmel über Berlin" bekannt geworden. Er gilt als führender Vertreter des Neuen Deutschen Films der 70er-Jahre. Ein Welterfolg wurde die Dokumentation „Buena Vista Social Club“ über kubanische Musiker von 1999, die für einen Oscar nominiert war und den Europäischen Filmpreis erhielt. 2018 erregte Wenders mit einem Dokumentarfilm über Papst Franziskus Aufsehen.

Enge Verbindung zu Japan

Der Praemium Imperiale sei der kaiserliche Preis und werde allgemein als der "Nobelpreis der Künste" benannt, sagt Wenders, der eine enge Verbindung zu Japan hat: „Das ist nicht so ein kleiner Kulturverband, sondern das ist schon ein großer Preis.“ Die Preisverleihung soll am 19. Oktober in Tokio in Anwesenheit von Prinz Hitachi, dem Onkel von Kaiser Naruhito, stattfinden.
Passenderweise arbeitet Wenders gerade an einem Film in Tokio und zwar über öffentliche Toiletten, wobei dies „etwas krude“ gesagt sei: „Das sind kleine prächtige Häuser, designed von den größten Architekten. Die stehen überall im Stadtbild, alle in Parks. Das hat in Japan eine große Tradition.“ Diese Toiletten seien erstaunlich sauber und schön: „Jetzt gibt es also zwölf von Architekten gebaute kleine Festpaläste für das tägliche Bedürfnis. Darüber erzähle ich eine Geschichte, weil die sind ziemlich außerordentlich.“

Alles kann anders werden

Auf die Frage, welchen Film man über den Krieg Russlands gegen die Ukraine machen müsste, sagte Wenders: „Das wäre einer, in dem man vor Augen geführt bekäme, dass alles, woran man sich gewöhnt hat, anders werden kann. Dass sich auch selbst unvorstellbare Dinge verändern können. Dass sich auch atomare Auseinandersetzungen ergeben könnten, und wenn es dann nur aus Versehen ist.“
Wenders warnt vor der Ausweitung solcher Konflikte: „Was ist denn, wenn die Russen auch noch das Gefühl haben, das Baltikum gehört ihnen?“ Vor allem müsse ein solcher Film den Menschen deutlich machen, „dass wir es ändern können, dass es so wird“.
Im Dezember 2014 hatte Wim Wenders einen in der "Zeit" veröffentlichten Aufruf von 60 Persönlichkeiten aus Politik und Kultur unterschrieben, der eine andere Russland-Politik und einen Dialog mit Moskau forderte. Würde er einen solchen Appell noch einmal unterschreiben – nach dem Angriff vom 24. Februar auf die Ukraine?
„Ja, erst recht“, sagt Wenders. „Das hätte nicht passieren müssen. Die Fehler, die im Vorfeld in der Diskussion und im Umgang mit Russland in den letzten zehn Jahren gemacht wurden, kann man auch nicht zurückrechnen und nicht zurücknehmen.“

Dass da diplomatisch versagt wurde, auch heftig versagt wurde durchaus nach der Besetzung der Krim, das kann man, glaube ich, nicht wegdiskutieren. Wir können nicht so tun, als hätten wir keine Mitschuld daran, dass das so gekommen ist – wenn man jemanden so in die Enge treibt, wie das gemacht worden ist.

Wim Wenders

Er wolle niemanden entschuldigen, das entschuldige überhaupt nichts, aber er glaube, „dass die westliche Politik übersehen hat, wen man da kränkt“, kritisiert Wenders. Deutschland habe sich aber in der Energiepolitik tatsächlich zu abhängig von Russland gemacht, das sehe man im Nachhinein besser: „Ich glaube, dass das nicht mit bösen Absichten gemacht worden ist, dass Merkel sich ganz was anderes davon erhofft hat und andere Bindungen, aber da hat man sich getäuscht.“

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