"Meine romantische deutsche Seele"
Er war drei Mal für den Oscar nominiert und ist der letzte deutsche Filmemacher, der die Goldene Palme des Festivals in Cannes gewonnen hat - für "Paris, Texas" 1984. Wim Wenders wird heute 70 Jahre alt.
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen. Mit "Paris, Texas", diesem Familienwestern, der vielleicht ja schon alles hat, was das Werk von Wim Wenders ausmacht. Da ist zunächst mal diese sehnsüchtige Liebe nach Amerika. Land der Freiheit. Land der Landschaften.
"Wie geht's!
Hallo. Kann ich Ihnen was erzählen?
Klar, was Sie wollen
Eine lange Geschichte
Ich hab Zeit."
Hallo. Kann ich Ihnen was erzählen?
Klar, was Sie wollen
Eine lange Geschichte
Ich hab Zeit."
Rhythmusgeber seiner Geschichten
Kein deutscher Regisseur hat ein derartig inniges und verklärtes Verhältnis zum Mythos Amerika wie der 1945 in Düsseldorf geborene Wilhelm Ernst Wenders. Der Ursprung dieser Leidenschaft, das waren die alliierten Jazzclubs und Kinos seiner Jugend in Westdeutschland. Das waren Western von Nicolas Ray und Howard Hawks. Diese Einflüsse waren schon in seinen ersten Spielfilmen die eigentlichen Rhythmusgeber seiner Geschichten. Wie in "Falsche Bewegung" von 1975.
"Sie wundern sich bestimmt, warum ich aus der Nase blute. Das liegt an der Erinnerung. Ich erkläre es ihnen. Morgen beim Frühstück."
Eine Reise von Kiel nach Bonn. Ein BRD-Roadmovie. So wie Wenders hat vielleicht keiner die damalige bundesrepublikanische Wirklichkeit abgemessen. Er wiederholte das Mit "Alice in den Städten", dem "Amerikanischen Freund" und dann auch mit den gelangweilten Truckfahrern, die die deutsch-deutsche Grenze abfahren, in "Im Laufe der Zeit".
"Kann ja überhaupt nichts passieren.
Aber jetzt nicht mehr!"
Aber jetzt nicht mehr!"
Heute erinnert man sich nicht mehr so gut an die vermutlich kreativste Phase in Wenders Schaffen. Seine deutschen Filme aus den 1970er-Jahren. Heute neigt man dazu sich eher an das hier zu erinnern:
Verkopfte männliche Romantik
Genau, an Paris Texas und Wenders internationale Phase. Und damit aber auch an das teilweise recht unerträgliche Pathos, an eine verkopfte männliche Romantik, die diese Vater-Sohn-Geschichten, und es sind vor allem Vater-Sohn-Geschichten, durchzieht. Man erinnert sich an Wenders Musikfreunde und ihre Soundtracks: Ry Cooder, U2 und natürlich die alten Herren vom Buena Vista Social Club.
Im Prinzip ist das Werk von Wim Wenders, eines, das vom Scheitern erzählt und dabei selbst häufig scheitert. Wie sein erster Hollywood-Film "Hammett", dessen Dreh zum Desaster wurde und Wim Wenders bewies:
"Ich werde nie ein amerikanischer Regisseur. Mit meiner romantischen deutschen Seele."
Vielleicht steht sich das Multitalent Wenders, der ehemalige Architekturstudent, Fotograf und Autor, ja selbst im Weg, weil er seine Helden zu Heiligen stilisiert, ihnen so das Menschliche und Geerdete nimmt:
"Die Gefahr besteht natürlich, sobald man was richtig toll findet, dass man das unkritisch sieht. Ich habe da allerdings auch nichts anderes gedreht, als dass ich das toll finde. Vielleicht ist das dann auch in meiner Haltung so, dass ich es schwer finde, sozusagen die Gegenargumente mitzudrehen."
Filmtexte von einer seltenen Klarheit und Leidenschaft
Das Beste an Wenders sind daher eben nicht seine Filme. Wim Wenders, das sind vor allem seine Filmtexte, die von einer seltenen Klarheit und Leidenschaft sind; das ist vor allem das Engagement für das europäische Kino; das sind seine phänomenalen Fotobände mit Fotografien, die jene Lässigkeit ausstrahlen, die seinen Filme fehlt. Aber vor allem ist es die Liebe zum Ort, der Blick für das Spezifische der Landschaft.
In seinem frühen Kurzfilm "Silver City" hält Wenders seine Kamera aus Münchener Fenstern und filmt was passiert: Autos, Ampeln, Straßenbahnschienen - plötzlich lädt sich die Alltäglichkeit bedeutungsvoll auf. Und wir erkennen, Wenders verfügt über etwas, was die Amerikaner "A Sense of Place" nennen. Ein sechster Sinn für Orte. Das macht ihn - trotz Patosschleifen - recht einzigartig.