Menschen, Tiere, Sensationen
Bilder, auf denen es vor Details nur so wimmelt, erscheinen seit 40, 50 Jahren vor allem in Kinderbüchern. Eine Ausstellung in Troisdorf zeigt Originalzeichnungen deutscher Wimmelbild-Illustratoren - darunter Klassiker wie Ali Mitgutsch.
Das Erdgeschoss des Bilderbuchmuseums ist ein einziger Spielplatz. In jedem Raum können Kinder basteln, malen, spielen oder lesen. So wie Jakob, der mit seinem Papa auf dem Boden sitzt und in einem großen Buch von Ali Mitgutsch blättert.
"Was ist das, Papa?" – "Da scheint jemand bedroht zu werden von den Wölfen. Da kommt der zu Hilfe." – "Und was macht der jetzt?" – "Der hat mit dem Knüppel die verjagt."
"Unser Klassiker Ali Mitgutsch hat sich ganz lange gegen diesen Ausdruck Wimmelbuch gewehrt. Der wollte also da mit 'wimmeln' nichts zu tun haben. Letztendlich gibt es da keine richtige Wortgenese, aber Tatsache ist ja, dass das, was zu sehen ist in dem Buch, nicht besser zu beschreiben ist als mit Wimmel!"
Pauline Liesen ist stellvertretende Museumsleiterin und hat die Wimmelbild-Ausstellung in Kooperation mit der Stiftung Illustration ins Leben gerufen.
"Also ein Wimmelbuch ist eigentlich, wenn man das klassische Wimmelbuch nimmt, ist eigentlich textlos, vollkommen textlos. Man hat ein Panorama, in dem ganz viele unterschiedliche Dinge eingegliedert sind, also viele Personen, viele Tiere, viele Gegenstände, die auf diesem Panorama vereint sind, und man geht auf Entdeckungssuche."
Entdeckungsreise mit Lerneffekt
Meist sind es ganz alltägliche Situationen, die auf den großformatigen Bildern dargestellt sind: ein Schwimmbad, ein Zoo oder Straßenkreuzungen voller Menschen und Autos. Oben der Bäcker, der Brötchen verkauft, daneben ein Bankräuber, der maskiert und bewaffnet direkt von einem Überfall auf die Straße flüchtet. Hinter ihm steht ein großer Scheinwerfer, vor ihm schwebt an einer Angel ein Mikrofon. Der Überfall ist nicht echt – hier wird offenbar ein Film gedreht. Rechts sitzt der Regisseur neben der Kamera und gibt Anweisungen. – Die Bilder sind voller Details, voller einzelner Szenen, voll von kleinen Geschichten.
"Und hier, Papa?" – "Das ist ein Turnier. Da kämpfen die Reiter gegeneinander. Deswegen haben die auch eine Rüstung an."
Für den dreieinhalbjährigen Jakob sind die Bücher eine Möglichkeit, die Welt zu entdecken und neue Wörter zu lernen. Bei manchen Bildern muss man allerdings aufpassen, kein wichtiges Detail zu übersehen.
Hans-Jürgen Press hat vor 50 Jahren das bis heute beliebte Kinderbuch "Die Abenteuer der Schwarzen Hand" herausgegeben. Darin vermischte er eine Detektivgeschichte mit kniffeligen Suchbildern, auf denen Hinweise für den Fortgang der Geschichte versteckt sind. Sein Sohn Julian Press hat diese Tradition mit seiner eigenen Krimireihe "Finde den Täter" fortgesetzt. Auf den Schwarz-Weiß-Zeichnungen eine schwarz-weiß gestreifte Tasche wiederzufinden, die gerade gestohlen wurde, ist gar nicht so einfach.
Julian Press: "Das wird schon ein Weilchen dauern, bis man die findet, weil das so detailreich ist, und das ist eben was, was nicht nur die Jungen, sondern auch die Älteren, die Erwachsenen, begeistert in der Regel." – "Sehr gemein, weil natürlich viele schwarz-weiß gestreifte Elemente darin auftauchen." – "Ganz genau. Das ist natürlich auch ein Phänomen, dass ich bewusst in Schwarz-Weiß zeichne, aus dem einfachen Grund, weil es zu den Detektivgeschichten besser passt, und ich persönlich mag es halt lieber."
Geschichten und Szenen akribisch geplant
In der oberen Etage dieser Wimmelbuchschau sind Zeichnungen der Illustratorin Rotraut Susanne Berner ausgestellt. Sie hat die Originale ihrer beliebten Jahreszeitenwimmelbücher zur Verfügung gestellt. In ihrer kleinen Stadt Wimmlingen begleitet man die Einwohner vom Winter bis in den nächsten Herbst hinein.
Pauline Liesen: "Man kann wirklich über die Seiten hinweg, wenn man will, eine Person immer weiter nachvollziehen und sich dadurch eben seine eigene Geschichte zusammenfabulieren."
Auf Arbeitsblättern der Künstlerin lässt sich nachvollziehen, wie akribisch sie ihre Szenen und Geschichten plant. In langen Tabellen und Listen hat sie die wichtigsten Personen und Ereignisse für jede Jahreszeit zusammengestellt.
Dieser Blick auf den Entstehungsprozess der Bilder befriedigt auch die Neugier der erwachsenen Besucher. Über die historischen Vorläufer der Wimmelbilder bei Künstlern wie Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel informiert die Ausstellung allerdings nur knapp. Der Fokus liegt auf den letzten 40 Jahren. Die zeitgenössischen Illustratoren zeigen dabei in ihren Werken eine bunte Vielfalt unterschiedlicher Stile und Maltechniken. An einem verregneten Nachmittag kommen ihre Wimmelbilder gerade recht. Wer sich ein bisschen Zeit nimmt, in den dargestellten Szenen auf Entdeckungsreise zu gehen, der kann hier schnell ein, zwei Stunden lang verloren gehen.