Wind- und Sonnenkraftwerke produzieren zu viel Strom
Immer wieder müssen in Deutschland Wind- und Sonnenkraftwerke abgeschaltet werden, weil sie zu viel Strom produzieren und die Netze überlasten. Eine Situation, die sich verschäften könnte, da immer mehr Anlagen gebaut werden, sagt der Chef der Deutschen Energie-Agentur, Stephan Kohler. Er fordert, den Beitreibern den Anspruch auf Abnahme und Ausbau ihrer Kraftwerke zu nehmen.
Jan-Christoph Kitzler: In dieser Woche haben wir uns schon einmal beschäftigt mit der Gefahr eines Blackouts in Deutschland, mit der Frage: Was wäre, wenn die Stromnetze zusammenbrechen? So ganz aus der Luft gegriffen ist das nicht, angeblich waren wir in Deutschland schon mehrere Male nahe dran, manchmal ist es sogar passiert. Vor einem Monat erst gab es einen Stromausfall von acht Minuten in Niedersachsen, unter anderem, weil plötzlich zu viel Windkraftstrom im Netz war. Solche Fälle liegen zum einen daran, dass es ziemlich kompliziert ist zu berechnen, wie viel Strom hergestellt wird, vor allem der Strom aus erneuerbaren Energien ist oft eine Unbekannte, der hat in den Leitungen Vorfahrt, aber die Menge schwankt eben sehr stark, je nachdem, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. Eine komplexe Gemengelage ist das, in die wir Klarheit bringen wollen mit Stephan Kohler, dem Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena). Schönen guten Morgen, Herr Kohler!
Stephan Kohler: Guten Morgen, Herr Kitzler, hallo!
Kitzler: Wie sehen Sie das denn, ist der Strom aus erneuerbaren Energien eine Gefahr für unsere Stromversorgung?
Kohler: So würde ich es nicht formulieren, sondern der Strom aus erneuerbaren Energien stellt uns vor neue Herausforderungen, die wir bisher nicht kannten. Und Sie haben es ja gerade richtig beschrieben: Photovoltaik, Windenergie haben eine fluktuierende Stromerzeugung, also wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, haben wir Stromerzeugung aus diesen Anlagen im System, und wenn eben diese Bedingungen nicht vorhanden sind, dann sind sie wieder weg. Und der zweite Punkt, den man beachten muss: Die Regenerativen erzeugen nicht immer bedarfsgerecht. Bisher hatten wir ja Kraftwerke im System, die mit lagerfähigen Brennstoffen versorgt werden – Kohle, Erdgas, Öl kann ich lagern und kann das Kraftwerk dann betreiben. Das ist eben bei den Regenerativen nicht, und deshalb haben wir zu Zeiten oftmals, wo der Stromverbrauch niedrig ist, eine zu hohe Leistung im System, und andersrum, wenn der Stromverbrauch hoch ist, wie diesen Winter – kalt, dunkel, neblig, kein Wind, keine Sonne –, haben wir zu wenig im System, und deshalb brauchen wir dann konventionelle Kraftwerke, um das System stabil zu halten.
Kitzler: Die Stromnetze, die sind sehr komplexe Gebilde, die brauchen eine stabile Strommenge, kann man vielleicht so sagen, nicht zu viel, nicht zu wenig. Nehmen wir mal dieses Pfingstwochenende, da wird in den Haushalten vermutlich weniger verbraucht, weil viele Menschen unterwegs sind. Wie schwer ist es denn vorauszusehen, wie viel Strom verbraucht wird auf der einen Seite, und auf der anderen wie viel produziert wird?
Kohler: Also das ist genau ja …Wir kennen alle, ich sag mal, das Problem mit den Wettervorhersagen, und wir haben jetzt für Pfingsten die Vorhersage, dass wir teilweise Sonne, teilweise Wolken haben, und das macht natürlich – für die Netzbetreiber ist es sehr schwierig abzuschätzen, wie viel Photovoltaik, wie viel Windenergie haben wir jetzt über das Wochenende zu erwarten. Und Pfingsten ist eben ein besonderes interessantes Wochenende, und zwar unter dem Aspekt, dass wir vielleicht nicht zu wenig Strom haben, sondern zu viel, weil Pfingsten arbeiten viele Betriebe nicht, die Leute sitzen in ihrem Garten oder auf jeden Fall verbrauchen wenig Strom, und dann kann es passieren, dass wir zu viel Leistung im System haben, weil eben in Deutschland schon über 60.000 Megawatt Photovoltaik- und Windkraftwerke stehen, und nur als Orientierung, die Stromnachfrage am Pfingstwochenende wird ungefähr bei 30.000 Megawatt liegen, also bei rund der Hälfte. Und da sieht man die Herausforderung, die jetzt auf die Netzbetreiber zukommt.
Kitzler: Immer wieder ist ja die Rede davon, dass zum Beispiel Windräder abgeschaltet werden müssen, weil die Netze ihren Strom nicht aufnehmen können. Wie würden Sie das sagen, wird bei uns zurzeit sehr viel Strom in den Wind geschossen, verschenkt?
Kohler: Also das würde ich für das heutige System noch nicht sagen. Wir haben natürlich – aber das ist regional begrenzt, ich hab es vorhin gesagt – Niedersachsen … insbesondere im Norden von Deutschland, weil da in den letzten zehn Jahren schon sehr viel Windenergie zugebaut worden ist … Deshalb gibt es hier immer wieder Situationen, weil keine Netze vorhanden sind oder Verbrauch nicht da ist, dass regional abgeschaltet werden muss. Aber wir bauen ja die Wind- und Photovoltaikanlagen zukünftig noch stärker aus. Also die Situationen, wo wir abschalten müssen, nehmen drastisch zu, bis zum Jahr 2022 ist ja vorgesehen: ungefähr 160.000 Megawatt Photovoltaik- und Windenergieanlagen im System haben, und da müssen wir jetzt sehr schnell handeln, um das dann auch noch im Griff zu haben.
Kitzler: Wenn man jetzt von Lösungen spricht, dann ist immer wieder die Rede vom Netzausbau, den wir brauchen. Wir brauchen stabilere, bessere, leistungsfähigere Stromnetze, aber auch wenn man die großen Netze hat, die dann die ganze Strommenge aufnehmen können, am Ende bleibt doch die große Unbekannte Verbrauch und Produktion von Strom, daran ändert sich doch nichts.
Kohler: Also daran ändert sich nichts, aber es gilt so ein Grundprinzip: Je großflächiger das System nutzbar ist, umso besser können die Mengen verteilt werden. Also deshalb ist es notwendig, nicht nur über die deutsche Energiewende zu sprechen, sondern wir müssen das auch im europäischen Umfang sehen, also wir müssen das mit den Europäern abstimmen, aber es sind zusätzliche Maßnahmen notwendig. Wir sprechen da von smart grids, also intelligenten Netzen, dass man zum Beispiel, ich mache mal ein ganz einfaches Beispiel, dass eben die Elektrogeräte – Kühlschränke, Druckluftanlagen, Gefrierautomaten et cetera – dann betrieben werden, wenn die Sonne scheint, und nicht abends, wenn die Sonne untergegangen ist. Also Demand-Side-Management ist ein Punkt, wo wir Lastverlagerungen durchführen, dass der Stromverbrauch an die Erzeugung angepasst wird. Und der zweite Punkt ist, dass wir sehr bald Speichertechnologien benötigen, um eben in Zeiten, wo Stromüberschuss ist, den zu speichern, um ihn dann wieder verwenden zu können, wenn eben Sonne und Wind nicht sind. Also es reicht nicht aus, nur Netzausbau zu betreiben, da kriegt man zwar eine bestimmte Menge über Deutschland, über Europa verteilt, aber wir brauchen zusätzliche Systeme, um eben diese regenerativen Energiequellen im System integrieren zu können.
Kitzler: Noch ganz kurz: Der Netzausbau ist ja eine langfristige Angelegenheit und europaweit dann noch viel komplizierter als bei uns in Deutschland. Gibt es auch etwas, was man kurzfristig tun kann, um die Gefahr eines Blackouts zu verhindern?
Kohler: Also kurzfristig können wir das machen, und ich hoffe, dass das die neue Bundesregierung sehr schnell macht, das Erneuerbare-Energien-Gesetz ändern. Wir haben die gesetzliche Lage, wo ja die Photovoltaik- und Windenergiebetreiber ausbauen können, sie müssen angeschlossen werden, der Strom muss abgenommen werden – das muss geändert werden. Wir brauchen eine Synchronisation zwischen Ausbau regenerativer Energiequellen und Ausbau der Netze und praktisch der Intelligenz im Netz. Das muss synchronisiert werden, und das sind praktisch sehr kurzfristige Maßnahmen, die wir ergreifen können, aber die dann eine langfristige Wirkung haben.
Kitzler: Stephan Kohler, der Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena). Vielen Dank für das Gespräch und ein schönes Pfingstwochenende!
Kohler: Ja, ebenso, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Das vollständige Gespräch mit Stephan Kohler können Sie mindestens bis zum 18.10.2013 in unserem Audio-on-Demand-Player hören.
Stephan Kohler: Guten Morgen, Herr Kitzler, hallo!
Kitzler: Wie sehen Sie das denn, ist der Strom aus erneuerbaren Energien eine Gefahr für unsere Stromversorgung?
Kohler: So würde ich es nicht formulieren, sondern der Strom aus erneuerbaren Energien stellt uns vor neue Herausforderungen, die wir bisher nicht kannten. Und Sie haben es ja gerade richtig beschrieben: Photovoltaik, Windenergie haben eine fluktuierende Stromerzeugung, also wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, haben wir Stromerzeugung aus diesen Anlagen im System, und wenn eben diese Bedingungen nicht vorhanden sind, dann sind sie wieder weg. Und der zweite Punkt, den man beachten muss: Die Regenerativen erzeugen nicht immer bedarfsgerecht. Bisher hatten wir ja Kraftwerke im System, die mit lagerfähigen Brennstoffen versorgt werden – Kohle, Erdgas, Öl kann ich lagern und kann das Kraftwerk dann betreiben. Das ist eben bei den Regenerativen nicht, und deshalb haben wir zu Zeiten oftmals, wo der Stromverbrauch niedrig ist, eine zu hohe Leistung im System, und andersrum, wenn der Stromverbrauch hoch ist, wie diesen Winter – kalt, dunkel, neblig, kein Wind, keine Sonne –, haben wir zu wenig im System, und deshalb brauchen wir dann konventionelle Kraftwerke, um das System stabil zu halten.
Kitzler: Die Stromnetze, die sind sehr komplexe Gebilde, die brauchen eine stabile Strommenge, kann man vielleicht so sagen, nicht zu viel, nicht zu wenig. Nehmen wir mal dieses Pfingstwochenende, da wird in den Haushalten vermutlich weniger verbraucht, weil viele Menschen unterwegs sind. Wie schwer ist es denn vorauszusehen, wie viel Strom verbraucht wird auf der einen Seite, und auf der anderen wie viel produziert wird?
Kohler: Also das ist genau ja …Wir kennen alle, ich sag mal, das Problem mit den Wettervorhersagen, und wir haben jetzt für Pfingsten die Vorhersage, dass wir teilweise Sonne, teilweise Wolken haben, und das macht natürlich – für die Netzbetreiber ist es sehr schwierig abzuschätzen, wie viel Photovoltaik, wie viel Windenergie haben wir jetzt über das Wochenende zu erwarten. Und Pfingsten ist eben ein besonderes interessantes Wochenende, und zwar unter dem Aspekt, dass wir vielleicht nicht zu wenig Strom haben, sondern zu viel, weil Pfingsten arbeiten viele Betriebe nicht, die Leute sitzen in ihrem Garten oder auf jeden Fall verbrauchen wenig Strom, und dann kann es passieren, dass wir zu viel Leistung im System haben, weil eben in Deutschland schon über 60.000 Megawatt Photovoltaik- und Windkraftwerke stehen, und nur als Orientierung, die Stromnachfrage am Pfingstwochenende wird ungefähr bei 30.000 Megawatt liegen, also bei rund der Hälfte. Und da sieht man die Herausforderung, die jetzt auf die Netzbetreiber zukommt.
Kitzler: Immer wieder ist ja die Rede davon, dass zum Beispiel Windräder abgeschaltet werden müssen, weil die Netze ihren Strom nicht aufnehmen können. Wie würden Sie das sagen, wird bei uns zurzeit sehr viel Strom in den Wind geschossen, verschenkt?
Kohler: Also das würde ich für das heutige System noch nicht sagen. Wir haben natürlich – aber das ist regional begrenzt, ich hab es vorhin gesagt – Niedersachsen … insbesondere im Norden von Deutschland, weil da in den letzten zehn Jahren schon sehr viel Windenergie zugebaut worden ist … Deshalb gibt es hier immer wieder Situationen, weil keine Netze vorhanden sind oder Verbrauch nicht da ist, dass regional abgeschaltet werden muss. Aber wir bauen ja die Wind- und Photovoltaikanlagen zukünftig noch stärker aus. Also die Situationen, wo wir abschalten müssen, nehmen drastisch zu, bis zum Jahr 2022 ist ja vorgesehen: ungefähr 160.000 Megawatt Photovoltaik- und Windenergieanlagen im System haben, und da müssen wir jetzt sehr schnell handeln, um das dann auch noch im Griff zu haben.
Kitzler: Wenn man jetzt von Lösungen spricht, dann ist immer wieder die Rede vom Netzausbau, den wir brauchen. Wir brauchen stabilere, bessere, leistungsfähigere Stromnetze, aber auch wenn man die großen Netze hat, die dann die ganze Strommenge aufnehmen können, am Ende bleibt doch die große Unbekannte Verbrauch und Produktion von Strom, daran ändert sich doch nichts.
Kohler: Also daran ändert sich nichts, aber es gilt so ein Grundprinzip: Je großflächiger das System nutzbar ist, umso besser können die Mengen verteilt werden. Also deshalb ist es notwendig, nicht nur über die deutsche Energiewende zu sprechen, sondern wir müssen das auch im europäischen Umfang sehen, also wir müssen das mit den Europäern abstimmen, aber es sind zusätzliche Maßnahmen notwendig. Wir sprechen da von smart grids, also intelligenten Netzen, dass man zum Beispiel, ich mache mal ein ganz einfaches Beispiel, dass eben die Elektrogeräte – Kühlschränke, Druckluftanlagen, Gefrierautomaten et cetera – dann betrieben werden, wenn die Sonne scheint, und nicht abends, wenn die Sonne untergegangen ist. Also Demand-Side-Management ist ein Punkt, wo wir Lastverlagerungen durchführen, dass der Stromverbrauch an die Erzeugung angepasst wird. Und der zweite Punkt ist, dass wir sehr bald Speichertechnologien benötigen, um eben in Zeiten, wo Stromüberschuss ist, den zu speichern, um ihn dann wieder verwenden zu können, wenn eben Sonne und Wind nicht sind. Also es reicht nicht aus, nur Netzausbau zu betreiben, da kriegt man zwar eine bestimmte Menge über Deutschland, über Europa verteilt, aber wir brauchen zusätzliche Systeme, um eben diese regenerativen Energiequellen im System integrieren zu können.
Kitzler: Noch ganz kurz: Der Netzausbau ist ja eine langfristige Angelegenheit und europaweit dann noch viel komplizierter als bei uns in Deutschland. Gibt es auch etwas, was man kurzfristig tun kann, um die Gefahr eines Blackouts zu verhindern?
Kohler: Also kurzfristig können wir das machen, und ich hoffe, dass das die neue Bundesregierung sehr schnell macht, das Erneuerbare-Energien-Gesetz ändern. Wir haben die gesetzliche Lage, wo ja die Photovoltaik- und Windenergiebetreiber ausbauen können, sie müssen angeschlossen werden, der Strom muss abgenommen werden – das muss geändert werden. Wir brauchen eine Synchronisation zwischen Ausbau regenerativer Energiequellen und Ausbau der Netze und praktisch der Intelligenz im Netz. Das muss synchronisiert werden, und das sind praktisch sehr kurzfristige Maßnahmen, die wir ergreifen können, aber die dann eine langfristige Wirkung haben.
Kitzler: Stephan Kohler, der Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena). Vielen Dank für das Gespräch und ein schönes Pfingstwochenende!
Kohler: Ja, ebenso, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Das vollständige Gespräch mit Stephan Kohler können Sie mindestens bis zum 18.10.2013 in unserem Audio-on-Demand-Player hören.