Fischernte unterm Windrad
Fischer können die Flächen unterhalb der Windräder nicht mehr zum Fang nutzen. Das wollen Wissenschaftler aus Bremerhaven ändern. Sie forschen an Aquakulturen, die zwischen den Windrädern installiert werden können.
Bela Buck steht zwischen blauen Plastik-Bottichen, größer als Badewannen. Aus einem Rohr plätschert Wasser in die Bottiche. Darin schwimmen Algen, grün-rötlich gefärbt und Bucks Forschungsobjekt. Am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung leitet der Professor eine Arbeitsgruppe, die marine Aquakulturen entwickelt. Das Ziel: Speisefische unter Offshore-Windrädern züchten.
Bela Buck: "Ich denke, die Zukunft kann nur sein, ein "multiuse", also eine Mehrfachnutzung von Meeresflächen zu organisieren, und da wir eben diese Windparks haben, die per se eigentlich nur den Wind nutzen und da unten im Meer eigentlich keine weitere Nutzung haben - da eine Kombination zu organisieren. Also nicht noch mehr neue Flächen verbrauchen, sondern vielleicht das Ökosystem dahingehend zu schützen, indem man sagt: wir kombinieren Nutzungen und lassen dafür andere Flächen frei."
Heimische Fischarten
Buck und seine Kollegen entwickeln riesige Käfige, die zwischen den Windrädern offshore installiert werden sollen, 30-40 Seemeilen von der Küste entfernt und bis zu 6.000 Kubikmeter groß, das entspricht sechs Millionen Litern. Die Fische, die in diesen Käfigen leben könnten, beobachtet Buck zur Zeit noch unter Laborbedingungen. Für die marinen Aquakulturen in der Nordsee kommen nur heimische Fischarten, zum Beispiel Kabeljau oder Steinbutt in Frage. Die Fische sind aber nur ein Teil seines Projekts:
"Wir wollen wirklich an einem ökologischen, nachhaltigen Konzept arbeiten. Das heißt: wir wollen keine Nährstoffe on top einbringen, sondern wir wollen dieses "zero discharge-Konzept" verfolgen und nichts anderes."
"Zero discharge" bedeutet "keinerlei Rückstände" und meint, dass zum Beispiel der Kot der gezüchteten Fische nicht einfach im Wasser verbleibt - ein Problem der Fischzucht an der Küste, das Aquakultur-Anlagen in Verruf gebracht hat. Buck möchte die Meere mit seinen Offshore-Kulturen nicht schädigen und züchtet deshalb - neben Fischen - auch Algen und Muscheln. Sie sollen sich ebenfalls in den Unterwasser-Käfigen befinden und das "Abwasser" der Fische klären.
Forschungsgebiet ist Neuland
Seit mehr als zehn Jahren erforschen die Bremerhavener Wissenschaftler, welche Algen und Muscheln mit welchen Fischen am besten zusammenpassen, und wie viele Organismen pro Käfig für ein gutes Gleichgewicht nötig sind. Zehn Jahre - das klingt lang, aber Bucks Forschungsgebiet ist Neuland. Im Gegensatz zu küstennahen Anlagen liegen seine Kulturen viele Meter unter der Wasseroberfläche, die Käfige sind starker Strömung ausgesetzt, und die Wartung ist - weit draußen auf dem Meer - auch aufwändiger. Bis der erste Fisch aus einer Windpark-Aquakultur auf dem Markt ist, wird es also noch dauern, aber Buck ist optimistisch.
Bela Buck: "Also ich würde sagen, ein Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren ist durchaus denkbar. Es ist ja nicht so wie hier im Labor, ich züchte hier vielleicht zehn oder 20 Fische. Da geht's um eine Massenproduktion, das heißt ich muss Sechs-, Sieben-, Acht-, Neun- oder vielleicht 15-,20-Tausend Fische produzieren. Das sind die Anforderungen ganz anders als meine kontrollierten Bedingungen hier im Labor."
Wirtschaftliche Realisierbarkeit
Interesse vonseiten der Offshore-Industrie und aus der Fisch-Branche ist jedenfalls vorhanden. In Workshops haben die Bremerhavener Wissenschaftler Fischern bereits gezeigt, wie Offshore-Aquakulturen gepflegt und geerntet werden. Die Zusammenarbeit mit Windanlagen-Planern und -Betreibern läuft ebenfalls. Schließlich sollen die Käfige der Aquakulturen die Arbeit in den Offshore-Windparks nicht behindern. Und dann, sagt Bela Buck, zählt natürlich auch noch die wirtschaftliche Realisierbarkeit seiner Idee:
"Auf unserer Seite ist es so, dass es bei der Entwicklung der Käfige noch ein paar offene Fragen gibt. Denn es muss ein Käfig sein, der möglichst kostengünstig ist, aber gleichzeitig sehr stabil. Es ist häufig so, dass die Biologen zwar gute Ideen haben, aber die nicht immer finanzierbar sind. Und diese Fragen möchte ich erst beantwortet haben, bevor ich also da rauspresche und sage: wir haben Fisch produziert, aber ohne diese wirklich wichtigen Fragen beantwortet zu haben."