Wintersport trotz Klimawandel
Auch in Österreich gerät der Skisport unter Druck. Denn die Alpen sind so stark wie kaum eine andere Zone in Europa vom Klimawandel betroffen. Im Bild: Das Skigebiet Sölden in Tirol. © picture alliance / Eibner-Pressefoto / Fleig
Der lange Abschied vom Skisport
Skifahren war früher für viele Menschen als Winterurlaub gesetzt, doch heute ist der Pistenspaß wegen der Erderwärmung zur schwer planbaren Aktivität geworden. Aber ist Skifahren in der Klimakrise überhaupt noch zeitgemäß?
Den rasanten Klimawandel spürt man besonders in deutschen Mittelgebirgen und in den Alpen - weil der Schnee fehlt. Dort gerät an vielen Orten das Geschäft mit dem Wintersport unter Druck - oder es fällt fast ganz aus.
Nach einem Bericht Alpenschutzkommission CIPRA über die Zukunft des Wintertourismus steigt die Zahl der gefahrenen Skitage in den Alpen seit 20 Jahren nicht mehr. Bei den verregneten Wintern im Flachland kommt keine Skifahrlaune auf. Die Bevölkerung stagniert und altert, viele Bürger mit Migrationshintergrund können mit dem weißen Sport wenig anfangen. Ist Skifahren nicht mehr der Volkssport, der er mal war? Manche Kommunen machen sich längst Gedanken über ihre Zukunft ohne Schnee.
Andere setzen auf Wachstum: Groß sein, hoch liegen und weiterwachsen als Erfolgsrezept im Ski Alpin. Dazu braucht es Beschneiungsanlagen, Speicherseen, Strom, Bahnen, die 3.500 Leute pro Stunde auf den Gipfel bringen. Dann bleibt es ein lukratives Geschäft. Doch das hat seinen Preis.
Übersicht
Wird Skifahren in Deutschland in Zukunft noch möglich sein?
Immer seltener und nur noch in höheren Lagen. Grünbraune Hänge selbst im Januar und Februar sind das neue Normal in den Mittelgebirgen und den Voralpen. Die Schneesaison unterhalb von 2.000 Metern hat sich im Alpenraum um bis zu 34 Tage verkürzt, verglichen mit 1971. Das ergab eine vom Südtiroler Institut „Eurac Research“ koordinierte Langzeitstudie in Bozen.
Eine Studie des Deutschen Alpenvereins war 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass langfristig nur drei Skigebiete in den deutschen Alpen überleben werden: auf der Zugspitze, am Fellhorn und am Nebelhorn im Allgäu. Selbst auf dem 1.215 Meter hohen Fichtelberg im Erzgebirge ist man bereits jetzt permanent auf Kunstschnee angewiesen.
Welche Auswirkungen hat Kunstschnee auf die Natur?
Zur Erzeugung von Kunstschnee kommen Schneekanonen zum Einsatz. Wasser wird aus Speicherseen mithilfe von kilometerlangen Rohren bergauf gepumpt. Die Wassertropfen werden mithilfe von Propellern durch Drüsen in die kalte, trockene Winterluft versprüht. 70.000 Hektar, schätzt der Bund für Umwelt und Naturschutz, werden alpenweit beschneit. Kein großes Skigebiet kommt mehr ohne entsprechende Anlagen aus. Das verbrauche 2,1 Terrawattstunden Strom pro Saison, sagt Carmen de Jong, Professorin für Hydrologie an der Universität Straßburg.
Die Wasserentnahme führt dazu, dass mehr Wasser aus Speichern und Bächen entnommen wird, als über die natürliche Schneeschmelze und den natürlichen Abfluss zurückfließen. In der Folge ist der Wasserstand im Winter zu niedrig und die Fische erfrieren, im Sommer wird es ihnen in den Flüssen zu warm.
Zudem ist das Wasser verändert, wenn es aus der Schneekanone herauskommt, sagt de Jong. Es enthält mehr Mineralien und Salze als normaler Niederschlag. Das führt zur Überdüngung der Flächen und setzt einheimischen Arten zu.
Neue Studien weisen zudem auf einen bedenklichen Anteil krebserregender per- und polyflourierter Alkylverbindungen, kurz PFAS, in Schmelzwasser und Pistenflächen hin. Hinzu kommt noch der verdichtete Boden durch die Pistenraupen, der die Verunreinigungen nicht mehr ausfiltert. Bis sich die Gebiete regenerierten, könne es lange dauern, warnt die Hydrologin.
Wie schädlich ist der Wintersport für das Klima?
Mehr technische Beschneiung bedeutet mehr Wasser- und Energieverbrauch. Dieser ist jetzt schon enorm: Die saisonale Beschneiung der Alpen verbraucht laut Bundesumweltministerium genauso viel Strom wie 500.000 Haushalte pro Jahr.
Befürworter des Wintertourismus in deutschen Skigebieten argumentieren hingegen, dass regionale Angebote auch kürzere Anfahrtswege für die Touristen bedeuten, wodurch weitere Reisen ins Ausland entfallen und der CO2-Ausstoß verringert werden kann.
Wie begegnen die Wintersportorte dem Schneemangel?
Viele setzen weiterhin auf Kunstschnee aus mächtigen Schneekanonen. Am oberbayerischen Spitzingsee etwa wurden 2,5 Millionen Euro in modernisierte Anlagen investiert. Im benachbarten Skigebiet Sudelfeld waren es sage und schreibe 23 Millionen Euro.
Doch wenn warmes Tauwetter kommt, schmilzt auch der Kunstschnee weg. Andere Orte schaffen deshalb neue Angebote, die mit Schnee nichts zu tun haben. Spaßbäder, Wellnesszentren und Angebote für Mountainbiker zielen auch auf die Zeit von Frühling bis Herbst.
Im Ötztal im österreichischen Bundesland Tirol geht es nicht nur um Sommerrodelbahnen und Funparks. Man hat gemerkt, dass es vor allem wichtig ist, dass die Bewohner der Alpentäler sich selbst in ihrer Heimat wohlfühlen und so ein authentisches, lebensfrohes, natürliches Ambiente erzeugen. Denn deswegen kommen die Gäste, sagt die Tourismusforschung.
Am Erner Galen, einem kleinen Skigebiet im Schweizer Oberwallis auf 2.300 Meter Höhe, steht ein Großteil der Lifte still. Statt auf Skitourismus setzt man hier seit einigen Jahren auf Kulturevents und sanften Tourismus: Es kommen Italiener, Spanier oder Araber, die auch mal bei offenem Fenster schlafen wollen. Die Saison beginnt Ende Mai mit den ersten Blumen und geht bis in den Herbst, der oft noch schön und trocken ist, sagt Heinz Seiler, früherer Chef der Seilbahn.
Welche Alternativen gibt es zum Skifahren?
Der schrittweise Abschied vom klassischen Wintersport steht vielen Gemeinden in den niedrigeren Lagen des gesamten Alpenraumes bevor. Das oberbayerische Bergsteigerdorf Schleching zum Beispiel sucht nach Alternativen zum Skitourismus: Zukunftssicher ist nur Winterurlaub, der nicht auf Schnee angewiesen ist.
In Schleching im Achental bietet man Wanderungen an – und wenn doch mal Schnee liegt, gibt es maximal „sanfte“ Schneewanderungen. Dort, im reizvollen Chiemgau, investiert man lieber in den Ausbau von Winterwanderwegen, Rodelbahnen, Langlaufloipen und Themenführungen statt in Beschneiungs- oder Seilbahnanlagen.
Natur pur statt Berg- und Liftstationen, das sei es, was viele Touristen im Lande suchten, glaubt Gerd Estermann von der Bürgerinitiative Feldring. In den Bergen zwischen Ötz- und Pitzal in Österreich sollten zwei Skitäler zusammengelegt werden. Die Pläne für das Projekt waren fertig und sie waren politisch gewollt, denn es geht um Arbeitsplätze, Touristenströme, Steuereinnahmen. Der Bürgerentscheid brachte die Pläne für den Ausbau auf dem Gletscher zu Fall. Aus Sicht von Gerd Estermann besteht nun die Chance, eine Urlandschaft zu erleben, die das schmelzende Eis freigibt.
„Das ist eine wunderschöne Landschaft, in der man diese vom Gletscher abgeschliffenen Felsen sehen kann, wo sich der Gletscherabfluss in einem Mäander verzweigt, wo die ersten Pionierpflanzen sichtbar werden. Für Naturwissenschaftler ein traumhaftes Freiluftlabor, in dem man in Echtzeit sehen kann, wie sich die Natur Räume zurückholt.“
Ist Skitourismus überhaupt noch vertretbar?
"Skifahren ist ein Auslaufmodell, weil es immer wärmer wird und deswegen die Schneefallgrenze in den Alpen immer weiter hinauf geht", sagt der Alpenforscher Werner Bätzing. "Selbst wenn es oben, in großer Höhe, über 3.000 Meter noch relativ lange möglich sein wird, wird Skifahren einfach immer teurer, weil die Pisten immer aufwendiger präpariert werden müssen. Das heißt, Skifahren wird zum Luxussport für ein kleines Segment."
Martina Betz, Vorsitzende des Ski-Clubs Garmisch, entgegnet: "Skifahren hat mittelfristig sicher noch eine Zukunft, aber es wird immer exklusiver werden und demnach sich langfristig von einem Breitensport zu einem sehr exklusiven Sport für sehr Wohlhabende entwickeln." Es werde aber zu einseitig auf die Skifahrer gezeigt, das sei eine Modererscheinung: "Das Freizeitverhalten der Deutschen muss sich langfristig ändern und auch der Natur gegenüber demütiger werden."
scr, tha