Wintersport

Wo bleibt die Ski-Scham?

04:20 Minuten
Skifahrer auf einer Skipiste im Gegenlicht.
Wie lange es solche Bilder noch geben wird, fragt sich der Journalist Uwe Bork. Für ihn ist herkömmlicher Wintersport ein Auslaufmodell. © imago / Marius Schwarz
Ein Standpunkt von Uwe Bork · 27.12.2019
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Immer mehr Skitouristen bei immer weniger Schnee? Für den Journalisten Uwe Bork ist Skifahren in den Alpen angesichts des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß. Doch noch setzten die betroffenen Regionen auf künstliche Schneeparadiese - auf Kosten der Umwelt.
Wenn die arabische Abart der Dagobert Ducks Sportfunktionäre mit Gold überzieht, um im übernächsten Winter in der Wüste Fußballstars gegen den Hitzekollaps kämpfen zu lassen, erbost das gerade uns weltmeistermäßig vorgeschädigte Deutsche ziemlich. Und Recht haben wir, finde ich, denn bei dieser WM im absolut artfremden Ambiente geht es vordringlich nicht um sportliche Ehren. Eher geht es hier um Macht und Einfluss einer politischen Klasse, die davon ausgeht, sich mit Geld alles kaufen zu können. Und die damit auch erstaunlich oft durchkommt.
Wenn wir uns vor unserer eigenen Haustür bewegen, ist es allerdings vorbei mit unserer Klarsichtigkeit: Verbaler Nebel zieht auf. Wir schließen die Augen davor, dass auch unser eigener Wintersport längst nicht mehr standortangepasst ist. Stattdessen hören wir auf Werbelyriker, die uns holprig reimend zusichern, ihre Kunden böten Schnee in unsrer Näh oder die deren Produkt gleich vollmundig als "Königreich des Schnees" anpreisen.
Pech nur, dass dieses weiße Herrschaftsgebiet von Jahr zu Jahr immer kleiner wird und sein Herrscher überdies seine Macht immer später antritt. Im legendären Kitzbühel, das Schneesicherheit von Oktober bis Mai verheißt, wurde die Skisaison in diesem Jahr beispielsweise bei spätsommerlichen Temperaturen eröffnet. Für eine 700 Meter lange und 60 Meter breite Abfahrtsstrecke mussten Pistenraupen erst eigens Schnee zusammenschieben. Er stammte noch aus dem vergangenen Winter und hatte den Sommer unter Isoliermatten und Silofolie überstanden. Quasi "Schnee von gestern" für den Wintersport von morgen.

Crushed Ice in der Pampa

Beim Deutschen Alpenverein befürchtet man angesichts solcher Aktionen eine naturschädliche "Aufrüstungsspirale in den Skigebieten" und malt das düstere Bild an die Bergwand, dass bald nur noch zwischen grünen Wiesen auf einer Art 'crushed ice' zu Tal gewedelt wird oder die Skifahrer gleich ganz auf überdachte Pisten abwandern, die fast ebenso leicht auf Minustemperaturen zu bringen sind wie die offene Kühltheke im Supermarkt.
Skifahren in den Alpen: Das könnte demnächst kaum mehr Echtheit versprechen als ein Indianerdorf im Hochsauerland. Von den üblichen Umweltproblemen einmal abgesehen – bis zu 50 Millionen Touristen pro Jahr treten nun einmal ebenso viele ökologische Fußabdrücke in die erosionsgefährdeten Hänge – von den üblichen Umweltproblemen also einmal abgesehen, ist der herkömmliche Wintersport mit seinen Abfahrtsdisziplinen und seinen immer weiter fliegenden Skispringern für mich ein Auslaufmodell und damit ein Kollateralschaden der Klimakatastrophe. In den Mittelgebirgen früher, in den Alpen vielleicht ein bisschen später.
Spätestens, wenn die Stars der alpinen Wettbewerbe in ihren winddichten Rennanzügen allerdings direkt neben Mountainbikern in Halbarm-Trikots die Berge downhill donnern, dürfte auch dem letzten klar werden, dass die Zeit für schnelle Bewegungen auf schmalen Brettern in unseren Bergen abläuft. Vermutlich endgültig.

Ski und Rodel gut - das war einmal

"Ski und Rodel gut": Diese Versprechung hat sich in unseren Breiten wohl überlebt. Die Konsequenzen daraus werden vor allem die Menschen in den Regionen zu spüren bekommen, die vom Wintersport in seiner heute üblichen Form leben. Sie werden sich umstellen und nach alternativen Tourismusangeboten suchen müssen, um ihr Geld auch weiter in ihrer Heimat verdienen zu können. Für sie wird das Klima nicht milder, sondern rauer.
Slalom am Hahnenkamm oder in Garmisch: Das könnte sich vielleicht einmal ebenso falsch anhören wie Elfmeterschießen in Katar.

Uwe Bork, Jahrgang 1951, studierte Sozialwissenschaften und war bis Ende 2016 Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Er lebt als freier Journalist in Esslingen und ist Autor mehrerer Sachbücher, vor allem zum Thema Religionen, dazu zahlreicher "Politischer Feuilletons" im Deutschlandfunk Kultur.

Der Journalist Uwe Bork
© Deutschlandradio / Manfred Hilling
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