Winzer: Hoffnung auf einen runden 2011er
Ein kalter Juni und ein zu heißer Sommer: 2010 war kein gutes Jahr für den deutschen Wein. Die "kleinste Ernte seit 30 Jahren" beklagt der Präsident des Verbandes deutscher Prädikatsweingüter Steffen Christmann. Seine Firma nehme darum derzeit keine neuen Kunden an.
Ute Welty: Bestechende Klarheit, optimale Reife und Finesse, derzeit kaum zu überbieten, das sagte das Fachmagazin "Vinum" 2001 über seine Rieslinge, über die von Steffen Christmann. Guten Morgen!
Steffen Christmann: Guten Morgen!
Welty: Wer sagt das denn über Sie, bestechende Klarheit, optimale Reife, kaum zu überbieten?
Christmann: Na ja, mit der Reife bin ich zum Glück noch nicht ganz so weit fortgeschritten. Also ich weiß nicht, wer das sagt.
Welty: Ja ich hoffe doch Ihre Frau!
Christmann: Ach ja, auf jeden Fall. Bestechende Klarheit in jedem Fall. Aber Reife? Na ja. Warten wir mal ab.
Welty: Herr Christmann, wir haben uns hier zum Interview verabredet in der "Ortszeit", weil wir beide nämlich ein gemeinsames Problem haben, das wir wo möglich mit dem Bundeswirtschaftsminister teilen: der deutsche Wein wird knapp. Für wen ist das jetzt die schlechtere Nachricht, für Sie als Winzer und Präsident des Verbandes deutscher Prädikatsweingüter, oder für mich als Konsument, Genießer?
Christmann: Beide müssen wir einen Weg finden, wie wir damit klar kommen. Also es ist natürlich einfach so, das ist eine Herausforderung für uns: wir hatten die kleinste Ernte seit 30 Jahren. Das ist durch eine sehr kühle Phase in der Blüte im letzten Jahr im Juni entstanden. Dadurch sind viele Beeren beim Blühen verrieselt …
Welty: Verrieselt heißt was?
Christmann: …, dass sie nicht bestäubt worden sind, und das bedeutet, dass dann im Prinzip an dem kleinen Blütenstand keine Beere gewachsen ist. Eine normale Traube hat so zwischen 80 und 100 Beeren, und wir hatten letztes Jahr welche dabei, die hatten gerade mal zehn oder 20 Beeren. Aber so extrem war es zum Glück nicht überall und in allen Weinbergen, so dass wir aber insgesamt doch irgendwo zwischen 20 und 40 Prozent weniger Ertrag haben.
Welty: Das heißt, der schlechte Juni verhagelt Ihnen die ganze Ernte?
Christmann: Im Prinzip lieben wir so was, weil das macht uns locker-beerige Trauben, die nicht faulen und optimal ausreifen. Aber so arg, wie es letztes Jahr war, das ist dann schon ein bisschen heftig.
Welty: Wie wirkt sich das jetzt aus, außer dass die Preise steigen?
Christmann: Sagen wir, für Betriebe wie die Prädikatsweingüter ist es zum Glück in der Versorgung ihrer Kunden nicht ganz so tragisch, weil wir schon von vornherein nicht dazu neigen, immer den jüngsten Jahrgang nur anzubieten und auch sehr früh den Wein in den Markt zu bringen. Wir warten länger, und deswegen starten wir jetzt erst im April/Mai mit dem Jahrgang 2010, und vielleicht werden wir nächstes Jahr dann schon im Januar/Februar die ersten Abfüllungen des 2011er machen, der hoffentlich größer wird.
Welty: Also Sie versuchen sozusagen, die mögliche Lücke durch eine Überschneidung auszugleichen?
Christmann: … zu lösen, ja. Das wird uns bestimmt ein gutes Stück gelingen. Wir sind dieses Jahr schon etwas später mit dem Wein, weil zum Glück 2008 und 2009 etwas größere Ernten waren und 2010 auch eher durch eine pikante Säure geprägt ist und man sie deswegen auch unter önologischen Gesichtspunkten etwas länger im Fass hat liegen lassen. Jetzt haben wir die Hoffnung, dass wir einen relativ runden 2011er bekommen und insofern keine so große Lücke haben werden. Aber knapp wird es in jedem Fall.
Welty: Und wie wirkt es sich aus, dass die Deutschen im vergangenen Jahr zwar nicht weniger getrunken haben, aber dafür weniger ausgegeben haben?
Christmann: Das spüren wir im Moment gar nicht. Vielleicht ist das diese typische Entwicklung, dass es so eine Lücke in der Mitte gibt irgendwo. In der Spitze war es so, dass 2010 für viele Betriebe das beste Jahr war, das wir in unserer Unternehmensgeschichte hatten. Wir haben einen stark anziehenden Export in den letzten Jahren und eine kontinuierliche Entwicklung im Inland, die leicht steigende, so im einstelligen, zwischen zwei und fünf Prozent Absatzzuwächse im Inland, aber beträchtliche, irgendwo zwischen zehn und 20 Prozent im Ausland hat.
Welty: Das heißt, der deutsche Wein im Ausland als Exportgut ist gut angekommen. Wird der jetzt zu leiden haben?
Christmann: Da gehe ich nicht davon aus. Wir müssen im Ausland genau die gleichen Probleme lösen wie im Inland, und da machen wir als Winzer auch keine Unterschiede. Ob jetzt mein guter Kunde in New York sitzt, oder in Wanne-Eickel, das ist dann egal. Der wird versucht, genauso versorgt zu werden wie im vergangenen Jahr. Wir als Betrieb haben uns jetzt dieses Jahr vorgenommen, keine neuen Kunden anzunehmen, weil wir eben die Lücke bei unseren Bestandskunden nicht noch größer machen wollen.
Welty: Mit dem Preis eines knappen Gutes steigt wo möglich auch dessen Wertschätzung. Halten Sie den deutschen Wein für ein lohnendes Spekulationsobjekt? Mit anderen Lebensmitteln wird ja auch viel Geld an den Börsen verdient.
Christmann: Das ist mit Wein nicht ganz so einfach. Natürlich könnte man das so auch machen, aber jedenfalls sagen wir mal für die Etage, in der wir tätig sind, da ist doch der Name des Winzers eine ganz entscheidende Geschichte und da sind dann die Abstände, bis der neue Jahrgang kommt, doch zu kurz, um da eine richtige Preisentwicklung zu haben. Wir haben dieses Jahr insgesamt eine leichte Preissteigerung, die irgendwo zwischen drei und zehn Prozent, je nach Betrieb und je nach Situation, ausfällt, aber diese Spekulationsfrage sehe ich im Moment noch nicht.
Welty: Steffen Christmann im Interview der "Ortszeit", und jetzt verraten Sie mir bitte noch eins: wann trinkt der Winzer seinen ersten Schluck?
Christmann: In der Regel nicht. Ich bin vielleicht ein untypischer Winzer, ich fange nicht vor sechs Uhr an.
Welty: Vor 18 Uhr?
Christmann: Ja, genau. 18 Uhr, genau. Sechs Uhr morgens wäre doch ein bisschen früh.
Welty: Irgendwo auf der Welt ist immer 18 Uhr.
Christmann: Genau!
Welty: Ich danke fürs Gespräch. Schönen Tag.
Christmann: Gerne! Ihnen auch.
Steffen Christmann: Guten Morgen!
Welty: Wer sagt das denn über Sie, bestechende Klarheit, optimale Reife, kaum zu überbieten?
Christmann: Na ja, mit der Reife bin ich zum Glück noch nicht ganz so weit fortgeschritten. Also ich weiß nicht, wer das sagt.
Welty: Ja ich hoffe doch Ihre Frau!
Christmann: Ach ja, auf jeden Fall. Bestechende Klarheit in jedem Fall. Aber Reife? Na ja. Warten wir mal ab.
Welty: Herr Christmann, wir haben uns hier zum Interview verabredet in der "Ortszeit", weil wir beide nämlich ein gemeinsames Problem haben, das wir wo möglich mit dem Bundeswirtschaftsminister teilen: der deutsche Wein wird knapp. Für wen ist das jetzt die schlechtere Nachricht, für Sie als Winzer und Präsident des Verbandes deutscher Prädikatsweingüter, oder für mich als Konsument, Genießer?
Christmann: Beide müssen wir einen Weg finden, wie wir damit klar kommen. Also es ist natürlich einfach so, das ist eine Herausforderung für uns: wir hatten die kleinste Ernte seit 30 Jahren. Das ist durch eine sehr kühle Phase in der Blüte im letzten Jahr im Juni entstanden. Dadurch sind viele Beeren beim Blühen verrieselt …
Welty: Verrieselt heißt was?
Christmann: …, dass sie nicht bestäubt worden sind, und das bedeutet, dass dann im Prinzip an dem kleinen Blütenstand keine Beere gewachsen ist. Eine normale Traube hat so zwischen 80 und 100 Beeren, und wir hatten letztes Jahr welche dabei, die hatten gerade mal zehn oder 20 Beeren. Aber so extrem war es zum Glück nicht überall und in allen Weinbergen, so dass wir aber insgesamt doch irgendwo zwischen 20 und 40 Prozent weniger Ertrag haben.
Welty: Das heißt, der schlechte Juni verhagelt Ihnen die ganze Ernte?
Christmann: Im Prinzip lieben wir so was, weil das macht uns locker-beerige Trauben, die nicht faulen und optimal ausreifen. Aber so arg, wie es letztes Jahr war, das ist dann schon ein bisschen heftig.
Welty: Wie wirkt sich das jetzt aus, außer dass die Preise steigen?
Christmann: Sagen wir, für Betriebe wie die Prädikatsweingüter ist es zum Glück in der Versorgung ihrer Kunden nicht ganz so tragisch, weil wir schon von vornherein nicht dazu neigen, immer den jüngsten Jahrgang nur anzubieten und auch sehr früh den Wein in den Markt zu bringen. Wir warten länger, und deswegen starten wir jetzt erst im April/Mai mit dem Jahrgang 2010, und vielleicht werden wir nächstes Jahr dann schon im Januar/Februar die ersten Abfüllungen des 2011er machen, der hoffentlich größer wird.
Welty: Also Sie versuchen sozusagen, die mögliche Lücke durch eine Überschneidung auszugleichen?
Christmann: … zu lösen, ja. Das wird uns bestimmt ein gutes Stück gelingen. Wir sind dieses Jahr schon etwas später mit dem Wein, weil zum Glück 2008 und 2009 etwas größere Ernten waren und 2010 auch eher durch eine pikante Säure geprägt ist und man sie deswegen auch unter önologischen Gesichtspunkten etwas länger im Fass hat liegen lassen. Jetzt haben wir die Hoffnung, dass wir einen relativ runden 2011er bekommen und insofern keine so große Lücke haben werden. Aber knapp wird es in jedem Fall.
Welty: Und wie wirkt es sich aus, dass die Deutschen im vergangenen Jahr zwar nicht weniger getrunken haben, aber dafür weniger ausgegeben haben?
Christmann: Das spüren wir im Moment gar nicht. Vielleicht ist das diese typische Entwicklung, dass es so eine Lücke in der Mitte gibt irgendwo. In der Spitze war es so, dass 2010 für viele Betriebe das beste Jahr war, das wir in unserer Unternehmensgeschichte hatten. Wir haben einen stark anziehenden Export in den letzten Jahren und eine kontinuierliche Entwicklung im Inland, die leicht steigende, so im einstelligen, zwischen zwei und fünf Prozent Absatzzuwächse im Inland, aber beträchtliche, irgendwo zwischen zehn und 20 Prozent im Ausland hat.
Welty: Das heißt, der deutsche Wein im Ausland als Exportgut ist gut angekommen. Wird der jetzt zu leiden haben?
Christmann: Da gehe ich nicht davon aus. Wir müssen im Ausland genau die gleichen Probleme lösen wie im Inland, und da machen wir als Winzer auch keine Unterschiede. Ob jetzt mein guter Kunde in New York sitzt, oder in Wanne-Eickel, das ist dann egal. Der wird versucht, genauso versorgt zu werden wie im vergangenen Jahr. Wir als Betrieb haben uns jetzt dieses Jahr vorgenommen, keine neuen Kunden anzunehmen, weil wir eben die Lücke bei unseren Bestandskunden nicht noch größer machen wollen.
Welty: Mit dem Preis eines knappen Gutes steigt wo möglich auch dessen Wertschätzung. Halten Sie den deutschen Wein für ein lohnendes Spekulationsobjekt? Mit anderen Lebensmitteln wird ja auch viel Geld an den Börsen verdient.
Christmann: Das ist mit Wein nicht ganz so einfach. Natürlich könnte man das so auch machen, aber jedenfalls sagen wir mal für die Etage, in der wir tätig sind, da ist doch der Name des Winzers eine ganz entscheidende Geschichte und da sind dann die Abstände, bis der neue Jahrgang kommt, doch zu kurz, um da eine richtige Preisentwicklung zu haben. Wir haben dieses Jahr insgesamt eine leichte Preissteigerung, die irgendwo zwischen drei und zehn Prozent, je nach Betrieb und je nach Situation, ausfällt, aber diese Spekulationsfrage sehe ich im Moment noch nicht.
Welty: Steffen Christmann im Interview der "Ortszeit", und jetzt verraten Sie mir bitte noch eins: wann trinkt der Winzer seinen ersten Schluck?
Christmann: In der Regel nicht. Ich bin vielleicht ein untypischer Winzer, ich fange nicht vor sechs Uhr an.
Welty: Vor 18 Uhr?
Christmann: Ja, genau. 18 Uhr, genau. Sechs Uhr morgens wäre doch ein bisschen früh.
Welty: Irgendwo auf der Welt ist immer 18 Uhr.
Christmann: Genau!
Welty: Ich danke fürs Gespräch. Schönen Tag.
Christmann: Gerne! Ihnen auch.