Winzige Teile, große Karriere
Als Stephanie Reich 2005 in die USA ging, klagten hierzulande die Fachblätter über das Abwandern eines jungen wissenschaftlichen Genies. Von den millionstel Millimeter dünnen Nanoröhrchen, die sie erforscht, heißt es, sie seien die Grundbausteine der nächsten industriellen Revolution. Ob regenabweisende Jacke oder hochwirksame Sonnencreme: Schon heute umgeben wir uns mit zahllosen Produkten, in denen die kleinen Wunderteilchen stecken.
Stephanie Reich hat diese am "Massachusetts Institute of Technology" in den USA weiter erforschen dürfen. Und nicht in Deutschland! Und dass, obwohl sie schon das Fachbuch zum Thema mitverfasst hatte. Inzwischen ist Stephanie Reich zurück in Berlin. Als Deutschlands jüngste Professorin für Nanophysik lehrt sie an der FU Berlin.
Endlich wieder zuhause in ihrer Geburtsstadt. Das hätte sich die heute 37-jährige Stephanie Reich vor fünf Jahren nicht träumen lassen. Denn anders als in den USA, wo man sie 2005 mit offen Armen empfing, machte man ihr hierzulande das Leben schwer: Verknöcherte Universitätsstrukturen standen einer festen Stelle im Weg. Und dann ist sie auch noch eine Frau – eine Frau in der Physik.
"Kommentare a la: So siehst du aber gar nicht aus. Was, Physik machst du? Oder auch sehr charmant von einem der Professoren: So sehen Sie aber gar nicht aus, na ja, Sie sind ja erst im 2. Semester. Implizieren, das ich abbrechen werde."
Hat sie nicht. Und das passt zu der großen Frau mit den langen lockigen Haaren, die sie zum Zopf zusammengebunden trägt. Man spürt, dass sie sich durchsetzen kann und wenig von vorgegebenen Strukturen hält, wenn sie ihr unsinnig erscheinen. Eine Eigenschaft, die Stephanie Reich von ihrer Familie mitbekommen hat. Ihr Vater, der Molekularbiologe Jens Reich, war engagierter Regimekritiker der DDR. Zunächst selbst Elitewissenschaftler weigerte er sich, seine Westkontakte zur Familie und engen Freunden aufzugeben.
"Die Folge aus dieser Weigerung war dann, dass man ihm seine Arbeitsgruppe weggenommen hat, eigentlich seine Position weggenommen hat, seine Abteilung, und ihn zum wissenschaftlichen Mitarbeiter mit Professorentitel degradiert hat."
Ihre größte Angst damals: Die Eltern könnten ausreisen. Auch wenn das nicht wirklich zur Debatte stand.
"Und zwar aus familiären Gründen, also meine Eltern wollten ihre Eltern und Geschwister nicht allein lassen, Mein Großvater war zu der Zeit doch sehr krank."
Familie ist wichtig, bis heute. An die wohlbehütete Kindheit in Berlin-Pankow erinnert sich die Physikerin auch deshalb gerne.
Als die Wende kommt, ist Stephanie Reich 16, schon da steht fest: Sie will Physik studieren. Die Entscheidung für die Nanophysik fällt mehr oder weniger zufällig. Als 1999 ihre Promotion ins Stocken gerät, die Arbeit keinen Spaß mehr macht, kommt der Wendepunkt.
"Dann kam mein Betreuer mit einer Reihe von Messungen, die eine andere Doktorandin gemacht hatte, und hat gesagt, ob ich nicht Lust hätte, mir die mal anzugucken und zu versuchen, das zu interpretieren. Und ich könnte mich ja auch mal zwei bis drei Monate mit einem anderen Thema beschäftigen."
Die Nanotechnologie wird ihr Thema. Dabei handelt es sich um ultrakleine Partikel, so winzig, dass neben ihnen ein Haar wie ein gewaltiger Balken erscheint. Ein Nanometer entspricht einem millionstel Millimeter. Materialien bekommen in diesen Dimensionen neue, oft überraschende Eigenschaften. Genau das ist das große Potential dieser Technologie.
"Wenn wir vielleicht vom täglichen Leben daran gewöhnt sind, dass sich ein Material immer genauso verhält, Holz immer Holz, Beton immer Beton ist, dann ist das in der Nanotechnologie nicht so."
Mit 27 gelingt Stephanie Reich die erste aufsehenerregende Entdeckung: In der Nanophysik gab es ein seit 20 Jahren ungeklärtes Problem. Das Material Graphit lieferte immer widersprüchliche Untersuchungsergebnisse. Es gelingt ihr die Gründe zu finden, und damit den Einsatz des Kohlenstoffs, als Bausteins des Graphits, in der Nanotechnologie entscheidend voranzutreiben.
"Daraus leitete sich dann plötzlich ab, eine ganze Reihe von physikalischen Effekten, die man plötzlich verstehen konnte, zum Beispiel warum sich der Strom im Graphit oder in einer einzelnen Schicht des Graphits ganz wunderbar leiten lässt."
Sie taucht immer tiefer in dieses Fachgebiet ein. Stephanie Reich veröffentlicht innerhalb kurzer Zeit 60 Publikationen. Sie erhält Einladungen, Preise und Auszeichnungen. Das Ausland ruft und ihre Wanderjahre beginnen: zunächst Barcelona, dann geht die Wissenschaftlerin nach Cambridge. Fast schon auf dem Weg nach Frankreich wird sie per E-Mail in die USA eingeladen, an das renommierte "Massachusetts Institute of Technology". Man bietet ihr eine Stelle als Professorin an.
"Die erste E-Mail habe ich überhaupt nicht ernst genommen. Habe mich nicht weiter darum gekümmert. Und dann kam 14 Tage später die zweite E-Mail mit dem gleichen Inhalt und ich habe einen meiner Kollegen in der Arbeitsgruppe in Cambridge gefragt, ob er eigentlich auch so eine E-Mail bekommen hat, der in einem ähnlichen Karrierezustand war wie ich - und das hatte der nicht."
2005 siedelt die damals 33-Jährige in die USA über. Plötzlich steigt das Interesse an ihrer Arbeit auch hierzulande: Die Freie Universität Berlin lockt. Das Angebot ist so gut, dass sie zusagt und nach Berlin zurückkehrt. Heim zur Familie.
Hier lebt Stephanie Reich mit ihrem Mann, auch er Physiker, seiner Tochter und ihrem Neffen. Seit Kurzem ist sie Mutter eines kleinen Jungen. Karriere und Familie sind nicht immer leicht zu vereinen.
"Mein Mann und ich waren auch getrennt all die Jahre, er war in Berlin, sodass wir erst 2007 wieder zusammengekommen sind. Es hat auch seine Vorteile, die Karriere in der Wissenschaft. Sie haben einen Beruf, in dem Sie unglaublich flexibel sind. Natürlich wird von Ihnen viel erwartet, es wird viel Arbeit erwartet, aber es wird nicht erwartet, dass sie zwischen neun und fünf an ihrem Arbeitsplatz tatsächlich sitzen."
Die Stelle an der FU Berlin bezeichnet Stephanie Reich als ihren Traumjob. Ihre Wanderjahre sind definitiv vorbei. Hier hat sie die Möglichkeiten gefunden, die sie am meisten schätzt: Mit jungen Leuten zu arbeiten und neue Fragestellungen zu entwickeln.
Endlich wieder zuhause in ihrer Geburtsstadt. Das hätte sich die heute 37-jährige Stephanie Reich vor fünf Jahren nicht träumen lassen. Denn anders als in den USA, wo man sie 2005 mit offen Armen empfing, machte man ihr hierzulande das Leben schwer: Verknöcherte Universitätsstrukturen standen einer festen Stelle im Weg. Und dann ist sie auch noch eine Frau – eine Frau in der Physik.
"Kommentare a la: So siehst du aber gar nicht aus. Was, Physik machst du? Oder auch sehr charmant von einem der Professoren: So sehen Sie aber gar nicht aus, na ja, Sie sind ja erst im 2. Semester. Implizieren, das ich abbrechen werde."
Hat sie nicht. Und das passt zu der großen Frau mit den langen lockigen Haaren, die sie zum Zopf zusammengebunden trägt. Man spürt, dass sie sich durchsetzen kann und wenig von vorgegebenen Strukturen hält, wenn sie ihr unsinnig erscheinen. Eine Eigenschaft, die Stephanie Reich von ihrer Familie mitbekommen hat. Ihr Vater, der Molekularbiologe Jens Reich, war engagierter Regimekritiker der DDR. Zunächst selbst Elitewissenschaftler weigerte er sich, seine Westkontakte zur Familie und engen Freunden aufzugeben.
"Die Folge aus dieser Weigerung war dann, dass man ihm seine Arbeitsgruppe weggenommen hat, eigentlich seine Position weggenommen hat, seine Abteilung, und ihn zum wissenschaftlichen Mitarbeiter mit Professorentitel degradiert hat."
Ihre größte Angst damals: Die Eltern könnten ausreisen. Auch wenn das nicht wirklich zur Debatte stand.
"Und zwar aus familiären Gründen, also meine Eltern wollten ihre Eltern und Geschwister nicht allein lassen, Mein Großvater war zu der Zeit doch sehr krank."
Familie ist wichtig, bis heute. An die wohlbehütete Kindheit in Berlin-Pankow erinnert sich die Physikerin auch deshalb gerne.
Als die Wende kommt, ist Stephanie Reich 16, schon da steht fest: Sie will Physik studieren. Die Entscheidung für die Nanophysik fällt mehr oder weniger zufällig. Als 1999 ihre Promotion ins Stocken gerät, die Arbeit keinen Spaß mehr macht, kommt der Wendepunkt.
"Dann kam mein Betreuer mit einer Reihe von Messungen, die eine andere Doktorandin gemacht hatte, und hat gesagt, ob ich nicht Lust hätte, mir die mal anzugucken und zu versuchen, das zu interpretieren. Und ich könnte mich ja auch mal zwei bis drei Monate mit einem anderen Thema beschäftigen."
Die Nanotechnologie wird ihr Thema. Dabei handelt es sich um ultrakleine Partikel, so winzig, dass neben ihnen ein Haar wie ein gewaltiger Balken erscheint. Ein Nanometer entspricht einem millionstel Millimeter. Materialien bekommen in diesen Dimensionen neue, oft überraschende Eigenschaften. Genau das ist das große Potential dieser Technologie.
"Wenn wir vielleicht vom täglichen Leben daran gewöhnt sind, dass sich ein Material immer genauso verhält, Holz immer Holz, Beton immer Beton ist, dann ist das in der Nanotechnologie nicht so."
Mit 27 gelingt Stephanie Reich die erste aufsehenerregende Entdeckung: In der Nanophysik gab es ein seit 20 Jahren ungeklärtes Problem. Das Material Graphit lieferte immer widersprüchliche Untersuchungsergebnisse. Es gelingt ihr die Gründe zu finden, und damit den Einsatz des Kohlenstoffs, als Bausteins des Graphits, in der Nanotechnologie entscheidend voranzutreiben.
"Daraus leitete sich dann plötzlich ab, eine ganze Reihe von physikalischen Effekten, die man plötzlich verstehen konnte, zum Beispiel warum sich der Strom im Graphit oder in einer einzelnen Schicht des Graphits ganz wunderbar leiten lässt."
Sie taucht immer tiefer in dieses Fachgebiet ein. Stephanie Reich veröffentlicht innerhalb kurzer Zeit 60 Publikationen. Sie erhält Einladungen, Preise und Auszeichnungen. Das Ausland ruft und ihre Wanderjahre beginnen: zunächst Barcelona, dann geht die Wissenschaftlerin nach Cambridge. Fast schon auf dem Weg nach Frankreich wird sie per E-Mail in die USA eingeladen, an das renommierte "Massachusetts Institute of Technology". Man bietet ihr eine Stelle als Professorin an.
"Die erste E-Mail habe ich überhaupt nicht ernst genommen. Habe mich nicht weiter darum gekümmert. Und dann kam 14 Tage später die zweite E-Mail mit dem gleichen Inhalt und ich habe einen meiner Kollegen in der Arbeitsgruppe in Cambridge gefragt, ob er eigentlich auch so eine E-Mail bekommen hat, der in einem ähnlichen Karrierezustand war wie ich - und das hatte der nicht."
2005 siedelt die damals 33-Jährige in die USA über. Plötzlich steigt das Interesse an ihrer Arbeit auch hierzulande: Die Freie Universität Berlin lockt. Das Angebot ist so gut, dass sie zusagt und nach Berlin zurückkehrt. Heim zur Familie.
Hier lebt Stephanie Reich mit ihrem Mann, auch er Physiker, seiner Tochter und ihrem Neffen. Seit Kurzem ist sie Mutter eines kleinen Jungen. Karriere und Familie sind nicht immer leicht zu vereinen.
"Mein Mann und ich waren auch getrennt all die Jahre, er war in Berlin, sodass wir erst 2007 wieder zusammengekommen sind. Es hat auch seine Vorteile, die Karriere in der Wissenschaft. Sie haben einen Beruf, in dem Sie unglaublich flexibel sind. Natürlich wird von Ihnen viel erwartet, es wird viel Arbeit erwartet, aber es wird nicht erwartet, dass sie zwischen neun und fünf an ihrem Arbeitsplatz tatsächlich sitzen."
Die Stelle an der FU Berlin bezeichnet Stephanie Reich als ihren Traumjob. Ihre Wanderjahre sind definitiv vorbei. Hier hat sie die Möglichkeiten gefunden, die sie am meisten schätzt: Mit jungen Leuten zu arbeiten und neue Fragestellungen zu entwickeln.