"Wir befürchten Schlimmes"
Die Soziologin Alexandra Kast ist Quartiersmanagerin im Berliner Wedding und sieht viele Projekte zur Integration gefährdet, weil die Mittel im Programm "soziale Stadt" gekürzt werden sollen. Über die aktuelle Integrationsdebatte ist sie deshalb "einigermaßen verärgert".
Gabi Wuttke: Etwa 80 Millionen Euro, um diese Summe verringern sich voraussichtlich bundesweit die Zuschüsse des Bundesbauministeriums zur Städtebauförderung. Was man nicht unbedingt wissen kann: Aus diesem Topf werden seit vier Jahren auch Sozialprojekte im Programm "Soziale Stadt" finanziert. Heute Mittag wird das Aktionsbündnis "Rettet die Soziale Stadt" Peter Ramsauer die mehrtausendfache Bitte übermitteln, von diesen Kürzungen Abstand zu nehmen.
Die Soziologin Alexandra Kast ist Quartiersmanagerin im Berliner Wedding und hat die Protestaktion mit organisiert. Guten Morgen, Frau Kast.
Alexandra Kast: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Es wird gerade mal wieder heftig über Bildungsförderung und Integration debattiert. Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben diese von Kürzungen bedrohten Sozialprojekte?
Kast: Ja, Sie sprechen es an: leider genau diese. Integration und Bildung sind genau zwei Schwerpunkte, zusammen mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt, an denen wir versuchen, in den Gebieten der sozialen Stadt zu arbeiten.
Wuttke: Was heißt das konkret?
Kast: Wir haben die Möglichkeit, teilweise sehr kleinteilige, aber auch größere wegweisendere Projekte zu finanzieren. Wir unterstützen zum Beispiel beim Übergang zwischen Schule und Beruf mit Beratungsangeboten. Es geht teilweise um Nachbarschaftsprojekte, die das interkulturelle Zusammenleben fördern, also auch den sozialen Frieden, der ja zurzeit auch wieder in den Medien heiß diskutiert wird, langfristig sichern sollen. Es geht darum, dass die Menschen sich kennen lernen, aber sich auch einsetzen für ihre Nachbarschaft vor Ort.
Wuttke: Wie werden denn die Projekte angenommen?
Kast: Sehr gut! Wir haben einen sehr großen Zulauf. Bei uns ist es so, dass ehrenamtlich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort auch entscheiden, was finanziert werden soll. Das ist auch, darf man nicht vergessen, ein sehr innovativer Ansatz, mit dem wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben, weil es natürlich die Akzeptanz der Projekte auch noch mal steigert.
Wuttke: Wenn der Bund sich jetzt einen schlanken Fuß macht, bedeutet das das Ende dieser Projekte?
Kast: Wir wissen nicht genau, was auf uns zukommt, aber wir befürchten Schlimmes. Wenn die Kürzungen wirklich hauptsächlich das Programm "Soziale Stadt" treffen sollten, dann wird das für viele unserer Projekte das Aus bedeuten.
Wuttke: Alle Jahre wieder entdeckt die Politik das Thema Integration und Bildungsförderung für sich neu, und zwar immer als Problem. Mit welchem Gefühl verfolgen Sie die derzeitig ins Feld geführten Argumente, die ja durch neue Sparmaßnahmen konterkariert werden?
Kast: Ich muss sagen, über diese aktuelle Integrationsdebatte bin ich einigermaßen verärgert, weil einerseits so getan wird, als wären das alles neue Themen, und auch so getan wird, als würde nicht jeden Tag überall in dieser Republik auch an diesen Themen gearbeitet werden. Die Menschen, die in den Bereichen Bildung und Soziales, Kultur vor Ort tätig sind, die erleben auch jeden Tag, wo das Zusammenleben der Menschen natürlich klappt. Die sehen aber auch, wo wir Probleme haben, zum Beispiel bei Jugendarbeitslosigkeit, bei Kinderarmut, bei belasteten Familien, und da, wo wir eben versuchen, wirklich anzusetzen, was zu machen, genau da will man uns jetzt die Mittel streichen.
Wuttke: Vielleicht können Sie uns noch mal ein oder zwei Beispiele geben, wo es aus Ihrer Sicht mit der finanziellen Unterstützung des Bundes klappt.
Kast: Ansätze zum Beispiel bei der Integration. Wir haben über viele Jahre gerade hier in Berlin schon sehr gut mit Moschee-Vereinen zusammengearbeitet, die ja selber auch ganz niedrigschwellige Bildungs- und Integrationsprojekte für ihr Klientel anbieten. Da geht es zum Beispiel um Computerkurse für Frauen oder Senioren, es geht um Jugendarbeit. Das sind auch wichtige Ansprechpartner für die Schulen, wenn es darum geht, auch heikle Themen anzusprechen wie das Fernbleiben vom Schwimmunterricht von bestimmten Kindern. Also all das, was jetzt gerade so aufgeregt diskutiert wird, ist eigentlich für uns auch Alltag und wir sind da dran.
Wuttke: Wenn das Geld da wäre, wäre auch die Nachfrage nach Ihren Angeboten da, die ganzen Sachen auch noch auszuweiten, oder in einen breiteren Bereich zu fahren? Die Frage: wie sieht es denn mit der derzeitigen Förderung aus? Reicht die?
Kast: Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Ich will gar nicht jammern. Ich glaube, dieses Programm ist derzeit nicht unbedingt schlecht ausgestattet. Aber für nichts gibt es auch nichts. Wir arbeiten schon sehr viel mit Ehrenamtlichen, was ich durchaus auch einen richtigen Ansatz finde, zu sagen, nicht alles muss immer Geld kosten. Wir wollen die Menschen auch zu eigenem Engagement aktivieren. Aber es braucht immer auch jemanden mit einem professionellen Hintergrund, der das ganze in die Hand nimmt und anleitet, und ich kann das nicht für umsonst haben.
Wuttke: Und was sagen Sie als Frau der Praxis? Wie ist dieser Teufelskreis von Problemen einerseits und kurzsichtiger Politik andererseits zu durchbrechen?
Kast: Das ist eine schwierige Frage. Ja, ich glaube, ich finde es wichtig, dass Politik erst mal genau hinschaut. Natürlich sehe ich auch, dass es im Haushalt Zwänge gibt, aber ich darf solche Diskussionen und Kürzungen nicht losgelöst von politischen Inhalten betrachten, und ich habe den Eindruck, dass genau das im Bauministerium gerade passiert.
Wuttke: Aber es passiert nicht zum ersten Mal, oder?
Kast: Wahrscheinlich nicht, aber uns geht es jetzt wirklich um die konkrete Situation. Wir möchten weiter diese Arbeit machen können, die wir gerade angesichts der derzeitigen Debatte für unerlässlich wichtig halten.
Wuttke: Die Berliner Quartiersmanagerin Alexandra Kast in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur über die Kritik des Aktionsbündnisses "Rettet die Soziale Stadt". Vielen Dank, Frau Kast, und schönen Tag.
Kast: Sehr gerne! Ihnen auch.
Die Soziologin Alexandra Kast ist Quartiersmanagerin im Berliner Wedding und hat die Protestaktion mit organisiert. Guten Morgen, Frau Kast.
Alexandra Kast: Schönen guten Morgen!
Wuttke: Es wird gerade mal wieder heftig über Bildungsförderung und Integration debattiert. Welche inhaltlichen Schwerpunkte haben diese von Kürzungen bedrohten Sozialprojekte?
Kast: Ja, Sie sprechen es an: leider genau diese. Integration und Bildung sind genau zwei Schwerpunkte, zusammen mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt, an denen wir versuchen, in den Gebieten der sozialen Stadt zu arbeiten.
Wuttke: Was heißt das konkret?
Kast: Wir haben die Möglichkeit, teilweise sehr kleinteilige, aber auch größere wegweisendere Projekte zu finanzieren. Wir unterstützen zum Beispiel beim Übergang zwischen Schule und Beruf mit Beratungsangeboten. Es geht teilweise um Nachbarschaftsprojekte, die das interkulturelle Zusammenleben fördern, also auch den sozialen Frieden, der ja zurzeit auch wieder in den Medien heiß diskutiert wird, langfristig sichern sollen. Es geht darum, dass die Menschen sich kennen lernen, aber sich auch einsetzen für ihre Nachbarschaft vor Ort.
Wuttke: Wie werden denn die Projekte angenommen?
Kast: Sehr gut! Wir haben einen sehr großen Zulauf. Bei uns ist es so, dass ehrenamtlich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort auch entscheiden, was finanziert werden soll. Das ist auch, darf man nicht vergessen, ein sehr innovativer Ansatz, mit dem wir sehr gute Erfahrungen gemacht haben, weil es natürlich die Akzeptanz der Projekte auch noch mal steigert.
Wuttke: Wenn der Bund sich jetzt einen schlanken Fuß macht, bedeutet das das Ende dieser Projekte?
Kast: Wir wissen nicht genau, was auf uns zukommt, aber wir befürchten Schlimmes. Wenn die Kürzungen wirklich hauptsächlich das Programm "Soziale Stadt" treffen sollten, dann wird das für viele unserer Projekte das Aus bedeuten.
Wuttke: Alle Jahre wieder entdeckt die Politik das Thema Integration und Bildungsförderung für sich neu, und zwar immer als Problem. Mit welchem Gefühl verfolgen Sie die derzeitig ins Feld geführten Argumente, die ja durch neue Sparmaßnahmen konterkariert werden?
Kast: Ich muss sagen, über diese aktuelle Integrationsdebatte bin ich einigermaßen verärgert, weil einerseits so getan wird, als wären das alles neue Themen, und auch so getan wird, als würde nicht jeden Tag überall in dieser Republik auch an diesen Themen gearbeitet werden. Die Menschen, die in den Bereichen Bildung und Soziales, Kultur vor Ort tätig sind, die erleben auch jeden Tag, wo das Zusammenleben der Menschen natürlich klappt. Die sehen aber auch, wo wir Probleme haben, zum Beispiel bei Jugendarbeitslosigkeit, bei Kinderarmut, bei belasteten Familien, und da, wo wir eben versuchen, wirklich anzusetzen, was zu machen, genau da will man uns jetzt die Mittel streichen.
Wuttke: Vielleicht können Sie uns noch mal ein oder zwei Beispiele geben, wo es aus Ihrer Sicht mit der finanziellen Unterstützung des Bundes klappt.
Kast: Ansätze zum Beispiel bei der Integration. Wir haben über viele Jahre gerade hier in Berlin schon sehr gut mit Moschee-Vereinen zusammengearbeitet, die ja selber auch ganz niedrigschwellige Bildungs- und Integrationsprojekte für ihr Klientel anbieten. Da geht es zum Beispiel um Computerkurse für Frauen oder Senioren, es geht um Jugendarbeit. Das sind auch wichtige Ansprechpartner für die Schulen, wenn es darum geht, auch heikle Themen anzusprechen wie das Fernbleiben vom Schwimmunterricht von bestimmten Kindern. Also all das, was jetzt gerade so aufgeregt diskutiert wird, ist eigentlich für uns auch Alltag und wir sind da dran.
Wuttke: Wenn das Geld da wäre, wäre auch die Nachfrage nach Ihren Angeboten da, die ganzen Sachen auch noch auszuweiten, oder in einen breiteren Bereich zu fahren? Die Frage: wie sieht es denn mit der derzeitigen Förderung aus? Reicht die?
Kast: Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Ich will gar nicht jammern. Ich glaube, dieses Programm ist derzeit nicht unbedingt schlecht ausgestattet. Aber für nichts gibt es auch nichts. Wir arbeiten schon sehr viel mit Ehrenamtlichen, was ich durchaus auch einen richtigen Ansatz finde, zu sagen, nicht alles muss immer Geld kosten. Wir wollen die Menschen auch zu eigenem Engagement aktivieren. Aber es braucht immer auch jemanden mit einem professionellen Hintergrund, der das ganze in die Hand nimmt und anleitet, und ich kann das nicht für umsonst haben.
Wuttke: Und was sagen Sie als Frau der Praxis? Wie ist dieser Teufelskreis von Problemen einerseits und kurzsichtiger Politik andererseits zu durchbrechen?
Kast: Das ist eine schwierige Frage. Ja, ich glaube, ich finde es wichtig, dass Politik erst mal genau hinschaut. Natürlich sehe ich auch, dass es im Haushalt Zwänge gibt, aber ich darf solche Diskussionen und Kürzungen nicht losgelöst von politischen Inhalten betrachten, und ich habe den Eindruck, dass genau das im Bauministerium gerade passiert.
Wuttke: Aber es passiert nicht zum ersten Mal, oder?
Kast: Wahrscheinlich nicht, aber uns geht es jetzt wirklich um die konkrete Situation. Wir möchten weiter diese Arbeit machen können, die wir gerade angesichts der derzeitigen Debatte für unerlässlich wichtig halten.
Wuttke: Die Berliner Quartiersmanagerin Alexandra Kast in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur über die Kritik des Aktionsbündnisses "Rettet die Soziale Stadt". Vielen Dank, Frau Kast, und schönen Tag.
Kast: Sehr gerne! Ihnen auch.