"Wir brauchen eine nationale Flugverkehrsplanung"
Dauerhafter Lärm kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck verursachen, sagt René Weinandy vom Umweltbundesamt. Er fordert daher "eine deutschlandweite Strategie" zur Reduzierung von Fluglärm sowie einen "Diskurs darüber, wie viel Verkehr wir haben wollen".
Katrin Heise: Das gemeinsame Ziel an verschiedenen Standorten, weniger Fluglärm und Nachtflugverbote, das ist das Neue am Protest. Bisher ging es ja immer mehr um die Belastung über dem eigenen Garten, woanders war egal. Das Problem bekommt man sowieso nur bundesweit in den Griff. Davon ist man im Bundesumweltamt überzeugt, und fordert eine nationale Flugverkehrsplanung. René Weinandy ist im Umweltbundesamt für den Fachbereich Lärmminderung im Verkehr zuständig. Er hat sich im Laufe seines Berufslebens intensiv mit Stressphysiologie auseinandergesetzt. Ich grüße Sie, Herr Weinandy!
René Weinandy: Schönen guten Tag!
Heise: Lärm ist Stress und macht deswegen krank, vor allem an Herz und Kreislauf. Das ist doch eigentlich inzwischen eine gesicherte Erkenntnis, oder?
Weinandy: Ja, das ist eine gesicherte Erkenntnis. Seit mehreren Jahren eigentlich auch schon. Worüber immer noch gestritten wird, ist im Grunde über die Grenze, ab wann Lärm letztlich krank macht. Dass Lärm krank macht, ist gesichert. Und nach den Studien, die auch das Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hat, aber es gibt viele weitere, muss man davon ausgehen, dass bereits ab einem Dauerschallpegel von 40 Dezibel in der Nacht das Risiko für bestimmte Krankheiten - und wir reden hier über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, letztlich Bluthochdruck verursachend und dann, im Nachgang, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Dass das Risiko, solche gravierenden Krankheiten zu erleiden, bereits ab so einem eher niedrigen Pegel beginnt. Und das ist eine durchaus besorgniserregende Schwelle.
Heise: Zumal Ihr Chef, Jochen Flasbarth, monierte, dass ja gerade die Fluglärmgrenzwerte schon gesundheitsschädlich sind. Die liegen nämlich woanders. Wie kommt das dann zustande?
Weinandy: Nun, zunächst mal ist es immer ein ziemlicher Schritt von der wissenschaftlichen Erkenntnis, bis sich das dann in den entsprechenden rechtlichen, gesetzlichen Regelungen niederschlägt. Also wir haben ja aus dem Jahr 2007 ein novelliertes Fluglärmgesetz mit Grenzwerten, die, da haben Sie völlig recht, höher liegen. Also da haben wir dann für erweiterte Flughäfen in der Nacht eine Grenze von 50 Dezibel als Dauerschallpegel, und ein Maximalpegelkriterium, der darf sechs mal (in einer Nacht, Anm. der Redaktion) 53 Dezibel haben, und dann haben die Menschen Anspruch auf Schallschutz. Aber dann eben passiver Schallschutz, und das ist aus unserer Sicht auch nicht ausreichend, weil nach den Untersuchungen, die gemacht worden sind, die Menschen auch mit dem passiven Schallschutz, also vor allem Schallschutzfenster, sehr unzufrieden sind und eher so dieses Gefühl der Käfighaltung haben und dass es von daher ihnen auch nicht richtig weiterhilft.
Und da kommen wir zu einem ganz wichtigen Faktor: Lärm ist unangenehm, als unangenehm erfahrener Schall, das heißt also, da kommt eine Bewertung mit rein, und wenn die Menschen sozusagen immer schon ins Bett gehen mit dem Gefühl, gleich kommt irgendwie ein Flugzeug, dann sind sie bereits vorgeglüht und dann kommen natürlich bestimmte Stressreaktionen sehr viel deutlicher zum Tragen. Lärm ist tatsächlich ein Phänomen, was mit subjektiver Einschätzung zusammenhängt, und deswegen ist es auch wichtig, die Menschen zu beteiligen und ihnen auch Gehör zu schenken.
Heise: Und wahrscheinlich auch viel frühzeitiger zu beteiligen. Aber wie soll uns aus dem Dilemma, also das Dilemma die Wirtschaft, auch die Tourismuswirtschaft, wo wir dann auch wieder alle beteiligt sind, braucht immer mehr Flugbewegungen, immer mehr Kapazitäten, immer größere Flughäfen und die Menschen wollen ihre Ruhe haben. Wie soll aus diesem Dilemma eine nationale Flugverkehrsplanung heraushelfen?
Weinandy: Also zunächst haben Sie den ganz wichtigen Punkt angesprochen: Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs darüber, wie viel Verkehr wir haben wollen. Und da ist dann natürlich auch jeder und jede Einzelne gefragt, weil - es gibt ja auch genug Menschen, die das nachfragen, die also, was weiß ich, Dinge bestellen übers Internet und erwarten, dass das auch am nächsten Tag da ist, oder auch für relativ niedriges Geld dann in den Urlaub fliegen wollen. Das heißt, wir brauchen einen Diskurs, und wir brauchen - und das hat unser Präsident ja auch angeregt -, wir brauchen tatsächlich so etwas wie eine nationale Flugverkehrsplanung.
Das heißt, das ist gar keine so ganz neue Idee, kann man sagen, weil es gibt ja auch schon ein Flughafenkonzept der Bundesregierung. Das letzte datiert aus dem Jahre 2009 und da wurde schon darauf hingewiesen, dass man eine deutschlandweite, länderübergreifende Strategie braucht, um die Flughafeninfrastruktur und um den Flughafenverkehr oder Flugverkehr zu organisieren. Und wir meinen, es ist jetzt an der Zeit, gerade auch vor dem Hintergrund von Großprojekten wie in Berlin, dem neuen Flughafen - dass man hier tatsächlich das tut, was damals ja auch schon angeregt worden ist, nämlich dass man die beteiligten Akteure, das sind also zum Beispiel Bund und Länder und natürlich die Flughäfen, dass man dort eruiert, wie viel Flüge brauchen wir denn, und zu welchen Zeiten brauchen wir diese Flüge? Und wie kann man, wenn man das dann ermittelt hat, wie kann man das dann günstiger und möglichst wenig belastend verteilen und organisieren?
Heise: Ja, ist das aber nicht ein bisschen spät? Ich meine, dann ist der Flughafen ja auch schon mal gebaut. Wenn man da weniger Flüge eingeplant hätte, wobei sich das ja über die Jahrzehnte dann auch immer wieder verändert und steigert, hätte man ja vielleicht anders geplant.
Weinandy: Das ist vollkommen richtig, was Sie sagen. Also für Projekte wie jetzt Berlin kommt so was natürlich zu spät, aber wir haben ja auch zum Beispiel die Überlegung in München, mit einer dritten Bahn. Das heißt also, es gibt durchaus immer mal Bestrebungen, auch bestehende Flughäfen auszubauen. Für Berlin käme so was natürlich zu spät, da haben Sie völlig recht. Aber dennoch brauchen wir auch vor dem Hintergrund dessen, was Sie gesagt haben, von den prognostizierten Zuwachsraten … also in Frankfurt hat man derzeit etwa 480.000 Flugbewegungen im Jahr, und das soll auch durch die Nutzung der neuen vierten Bahn auf 700.000 Flugbewegungen zumindest steigen. Und vor diesem Hintergrund braucht man ganz sicher eine Planung, wie man diesen ja dann wachsenden Verkehr besser organisieren kann, weil die Menschen … also das gilt nicht nur für den Flughafen Frankfurt, sondern es gibt auch andere Regionen. Nehmen wir das Mittelrheintal mit dem Schienenverkehrslärm - die Menschen können und wollen einen Zuwachs an Verkehr und damit auch Lärm, den wollen sie nicht mehr ertragen.
Heise: Gleichzeitig wollen sie aber auch flexibel sein oder müssen auch flexibel sein. Wie sinnvoll, Herr Weinandy, ist eigentlich ihrer Erkenntnis nach überhaupt noch der Bau von Großflughäfen? Macht die Streuung von Fluglärm diesen erträglicher? Also wenn man viele kleinere anfliegt?
Weinandy: Ja, das hängt aber … das muss man im Einzelfall immer entscheiden, weil das natürlich von dem jeweiligen Pegel abhängt. Also man kann sicherlich bündeln. Bündeln hat auch den Vorteil, dass man den Menschen, die dann dort betroffen sind, dann gezielt Schallschutzmaßnahmen anbieten kann, obwohl, wie wir ja vorhin schon erwähnt haben, das nicht so richtig hilft ...
Heise: ... die trotzdem noch rausgehen wollen ...
Weinandy: Ja, aber man kann dann dort gezielt, zum Beispiel durch andere Flugverfahren dann versuchen, das zu kanalisieren und besser zu organisieren, aber natürlich auch nur bis zu einer bestimmten Grenze. In dem Moment, wo Gesundheitsgefahr droht, kann man dort natürlich nicht mehr weiter bündeln. Das heißt, dann muss man wiederum streuen, dass man dann in die Fläche geht und dass man dann halt mehr Menschen notwendigerweise belastet, aber mit einem niedrigeren Pegel. Also man kann diese Frage, ob Großflughafen oder nicht, nicht eindeutig beantworten.
Heise: Kann man eigentlich die Frage Nachflüge, ja oder nein, eindeutig beantworten? Gibt es ein Argument, was tatsächlich für Nachtflüge spricht?
Weinandy: Ja, also aus unserer Sicht, aus Sicht des Umweltbundesamtes kann man die Frage eindeutig beantworten, also wir empfehlen ein Nachtflugverbot, und zwar im Rahmen der umweltgesetzlichen Nacht, das ist die Nacht von 22 bis 6 Uhr.
Heise: Und was machen Sie mit den wirtschaftlichen Argumenten, die wischen Sie vom Tisch?
Weinandy: Die wischen wir nicht vom Tisch, die muss man sicherlich ganz genau betrachten. Was bei dieser wirtschaftlichen Betrachtung allerdings immer fehlt und zu kurz kommt, ist, dass ja Lärm selbst auch Kosten verursacht. Und diese Kosten sind immens. Also die EU beispielsweise hat für Europa geschätzt, dass pro Jahr etwa 40 Milliarden Euro an Lärmkosten entstehen. Und das Problem bei diesen Kosten ist halt nun mal, dass die sozialisiert werden und dann natürlich nicht direkt von den Verursachern, also von den Airlines beziehungsweise von den Flughäfen getragen werden, die ja nur einen kleinen Anteil über diese Schallschutzprogramme oder so was übernehmen müssen. Das heißt, das muss man berücksichtigen, und dann relativieren sich solche wirtschaftlichen Vorteile auf jeden Fall.
Heise: Fluglärm war unser Thema. René Weinandy, im Bundesumweltamt ist er für Lärmminderung im Verkehr zuständig. Herr Weinandy, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Weinandy: Sehr gern.
Heise: Heute Abend gehen übrigens die Proteste gegen Fluglärm weiter.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
René Weinandy: Schönen guten Tag!
Heise: Lärm ist Stress und macht deswegen krank, vor allem an Herz und Kreislauf. Das ist doch eigentlich inzwischen eine gesicherte Erkenntnis, oder?
Weinandy: Ja, das ist eine gesicherte Erkenntnis. Seit mehreren Jahren eigentlich auch schon. Worüber immer noch gestritten wird, ist im Grunde über die Grenze, ab wann Lärm letztlich krank macht. Dass Lärm krank macht, ist gesichert. Und nach den Studien, die auch das Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hat, aber es gibt viele weitere, muss man davon ausgehen, dass bereits ab einem Dauerschallpegel von 40 Dezibel in der Nacht das Risiko für bestimmte Krankheiten - und wir reden hier über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, letztlich Bluthochdruck verursachend und dann, im Nachgang, Herzinfarkte und Schlaganfälle. Dass das Risiko, solche gravierenden Krankheiten zu erleiden, bereits ab so einem eher niedrigen Pegel beginnt. Und das ist eine durchaus besorgniserregende Schwelle.
Heise: Zumal Ihr Chef, Jochen Flasbarth, monierte, dass ja gerade die Fluglärmgrenzwerte schon gesundheitsschädlich sind. Die liegen nämlich woanders. Wie kommt das dann zustande?
Weinandy: Nun, zunächst mal ist es immer ein ziemlicher Schritt von der wissenschaftlichen Erkenntnis, bis sich das dann in den entsprechenden rechtlichen, gesetzlichen Regelungen niederschlägt. Also wir haben ja aus dem Jahr 2007 ein novelliertes Fluglärmgesetz mit Grenzwerten, die, da haben Sie völlig recht, höher liegen. Also da haben wir dann für erweiterte Flughäfen in der Nacht eine Grenze von 50 Dezibel als Dauerschallpegel, und ein Maximalpegelkriterium, der darf sechs mal (in einer Nacht, Anm. der Redaktion) 53 Dezibel haben, und dann haben die Menschen Anspruch auf Schallschutz. Aber dann eben passiver Schallschutz, und das ist aus unserer Sicht auch nicht ausreichend, weil nach den Untersuchungen, die gemacht worden sind, die Menschen auch mit dem passiven Schallschutz, also vor allem Schallschutzfenster, sehr unzufrieden sind und eher so dieses Gefühl der Käfighaltung haben und dass es von daher ihnen auch nicht richtig weiterhilft.
Und da kommen wir zu einem ganz wichtigen Faktor: Lärm ist unangenehm, als unangenehm erfahrener Schall, das heißt also, da kommt eine Bewertung mit rein, und wenn die Menschen sozusagen immer schon ins Bett gehen mit dem Gefühl, gleich kommt irgendwie ein Flugzeug, dann sind sie bereits vorgeglüht und dann kommen natürlich bestimmte Stressreaktionen sehr viel deutlicher zum Tragen. Lärm ist tatsächlich ein Phänomen, was mit subjektiver Einschätzung zusammenhängt, und deswegen ist es auch wichtig, die Menschen zu beteiligen und ihnen auch Gehör zu schenken.
Heise: Und wahrscheinlich auch viel frühzeitiger zu beteiligen. Aber wie soll uns aus dem Dilemma, also das Dilemma die Wirtschaft, auch die Tourismuswirtschaft, wo wir dann auch wieder alle beteiligt sind, braucht immer mehr Flugbewegungen, immer mehr Kapazitäten, immer größere Flughäfen und die Menschen wollen ihre Ruhe haben. Wie soll aus diesem Dilemma eine nationale Flugverkehrsplanung heraushelfen?
Weinandy: Also zunächst haben Sie den ganz wichtigen Punkt angesprochen: Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs darüber, wie viel Verkehr wir haben wollen. Und da ist dann natürlich auch jeder und jede Einzelne gefragt, weil - es gibt ja auch genug Menschen, die das nachfragen, die also, was weiß ich, Dinge bestellen übers Internet und erwarten, dass das auch am nächsten Tag da ist, oder auch für relativ niedriges Geld dann in den Urlaub fliegen wollen. Das heißt, wir brauchen einen Diskurs, und wir brauchen - und das hat unser Präsident ja auch angeregt -, wir brauchen tatsächlich so etwas wie eine nationale Flugverkehrsplanung.
Das heißt, das ist gar keine so ganz neue Idee, kann man sagen, weil es gibt ja auch schon ein Flughafenkonzept der Bundesregierung. Das letzte datiert aus dem Jahre 2009 und da wurde schon darauf hingewiesen, dass man eine deutschlandweite, länderübergreifende Strategie braucht, um die Flughafeninfrastruktur und um den Flughafenverkehr oder Flugverkehr zu organisieren. Und wir meinen, es ist jetzt an der Zeit, gerade auch vor dem Hintergrund von Großprojekten wie in Berlin, dem neuen Flughafen - dass man hier tatsächlich das tut, was damals ja auch schon angeregt worden ist, nämlich dass man die beteiligten Akteure, das sind also zum Beispiel Bund und Länder und natürlich die Flughäfen, dass man dort eruiert, wie viel Flüge brauchen wir denn, und zu welchen Zeiten brauchen wir diese Flüge? Und wie kann man, wenn man das dann ermittelt hat, wie kann man das dann günstiger und möglichst wenig belastend verteilen und organisieren?
Heise: Ja, ist das aber nicht ein bisschen spät? Ich meine, dann ist der Flughafen ja auch schon mal gebaut. Wenn man da weniger Flüge eingeplant hätte, wobei sich das ja über die Jahrzehnte dann auch immer wieder verändert und steigert, hätte man ja vielleicht anders geplant.
Weinandy: Das ist vollkommen richtig, was Sie sagen. Also für Projekte wie jetzt Berlin kommt so was natürlich zu spät, aber wir haben ja auch zum Beispiel die Überlegung in München, mit einer dritten Bahn. Das heißt also, es gibt durchaus immer mal Bestrebungen, auch bestehende Flughäfen auszubauen. Für Berlin käme so was natürlich zu spät, da haben Sie völlig recht. Aber dennoch brauchen wir auch vor dem Hintergrund dessen, was Sie gesagt haben, von den prognostizierten Zuwachsraten … also in Frankfurt hat man derzeit etwa 480.000 Flugbewegungen im Jahr, und das soll auch durch die Nutzung der neuen vierten Bahn auf 700.000 Flugbewegungen zumindest steigen. Und vor diesem Hintergrund braucht man ganz sicher eine Planung, wie man diesen ja dann wachsenden Verkehr besser organisieren kann, weil die Menschen … also das gilt nicht nur für den Flughafen Frankfurt, sondern es gibt auch andere Regionen. Nehmen wir das Mittelrheintal mit dem Schienenverkehrslärm - die Menschen können und wollen einen Zuwachs an Verkehr und damit auch Lärm, den wollen sie nicht mehr ertragen.
Heise: Gleichzeitig wollen sie aber auch flexibel sein oder müssen auch flexibel sein. Wie sinnvoll, Herr Weinandy, ist eigentlich ihrer Erkenntnis nach überhaupt noch der Bau von Großflughäfen? Macht die Streuung von Fluglärm diesen erträglicher? Also wenn man viele kleinere anfliegt?
Weinandy: Ja, das hängt aber … das muss man im Einzelfall immer entscheiden, weil das natürlich von dem jeweiligen Pegel abhängt. Also man kann sicherlich bündeln. Bündeln hat auch den Vorteil, dass man den Menschen, die dann dort betroffen sind, dann gezielt Schallschutzmaßnahmen anbieten kann, obwohl, wie wir ja vorhin schon erwähnt haben, das nicht so richtig hilft ...
Heise: ... die trotzdem noch rausgehen wollen ...
Weinandy: Ja, aber man kann dann dort gezielt, zum Beispiel durch andere Flugverfahren dann versuchen, das zu kanalisieren und besser zu organisieren, aber natürlich auch nur bis zu einer bestimmten Grenze. In dem Moment, wo Gesundheitsgefahr droht, kann man dort natürlich nicht mehr weiter bündeln. Das heißt, dann muss man wiederum streuen, dass man dann in die Fläche geht und dass man dann halt mehr Menschen notwendigerweise belastet, aber mit einem niedrigeren Pegel. Also man kann diese Frage, ob Großflughafen oder nicht, nicht eindeutig beantworten.
Heise: Kann man eigentlich die Frage Nachflüge, ja oder nein, eindeutig beantworten? Gibt es ein Argument, was tatsächlich für Nachtflüge spricht?
Weinandy: Ja, also aus unserer Sicht, aus Sicht des Umweltbundesamtes kann man die Frage eindeutig beantworten, also wir empfehlen ein Nachtflugverbot, und zwar im Rahmen der umweltgesetzlichen Nacht, das ist die Nacht von 22 bis 6 Uhr.
Heise: Und was machen Sie mit den wirtschaftlichen Argumenten, die wischen Sie vom Tisch?
Weinandy: Die wischen wir nicht vom Tisch, die muss man sicherlich ganz genau betrachten. Was bei dieser wirtschaftlichen Betrachtung allerdings immer fehlt und zu kurz kommt, ist, dass ja Lärm selbst auch Kosten verursacht. Und diese Kosten sind immens. Also die EU beispielsweise hat für Europa geschätzt, dass pro Jahr etwa 40 Milliarden Euro an Lärmkosten entstehen. Und das Problem bei diesen Kosten ist halt nun mal, dass die sozialisiert werden und dann natürlich nicht direkt von den Verursachern, also von den Airlines beziehungsweise von den Flughäfen getragen werden, die ja nur einen kleinen Anteil über diese Schallschutzprogramme oder so was übernehmen müssen. Das heißt, das muss man berücksichtigen, und dann relativieren sich solche wirtschaftlichen Vorteile auf jeden Fall.
Heise: Fluglärm war unser Thema. René Weinandy, im Bundesumweltamt ist er für Lärmminderung im Verkehr zuständig. Herr Weinandy, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Weinandy: Sehr gern.
Heise: Heute Abend gehen übrigens die Proteste gegen Fluglärm weiter.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.