"Wir brauchen eine Transfergesellschaft"
Tausende Schlecker-Verkäuferinnen stehen vor der Entlassung. Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) appeliert an die Länder, eine Transfergesellschaft mit einer Bürgschaft zu sichern.
Marietta Schwarz: Danke, das war es – heißt es heute nicht nur für die Kunden der Drogeriekette Schlecker, sondern für die Beschäftigten. 2200 Filialen schließen an diesem Samstag, für über 11.000 Mitarbeiterinnen der letzte reguläre Arbeitstag. Wie es für sie weitergeht, ist unklar, erst nächste Woche wird sich entscheiden, ob sie in eine der geplanten Transfergesellschaften wechseln.
Dafür hatte sich besonders der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid stark gemacht, doch bislang konnten sich die Bundesländer nicht einigen, ob sie sich an Bürgschaften für einen 70-Millionen-Euro-Kredit beteiligen. Aber was bringt sie eigentlich, die Transfergesellschaft? Diese Frage kann jetzt Nils Schmid direkt beantworten. Guten Morgen erst mal!
Nils Schmid: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Herr Schmid, die anderen Bundesländer konnten Sie vom Sinn der Transfergesellschaften offenbar nicht alle überzeugen. Jetzt wollen Sie sogar in Vorleistung treten mit den Bürgschaften. Warum dieser politische Einsatz für ein Unternehmen, das mit seinem Konzept gescheitert ist?
Schmid: Der Einsatz gilt nicht dem Unternehmer Anton Schlecker, sondern den vielen Beschäftigten, die jetzt von der Arbeitslosigkeit bedroht sind, und wir brauchen eine Transfergesellschaft, weil das das Mittel der Wahl ist, um die Frauen bei Schlecker passgenau zu vermitteln, ihnen eine Nachqualifizierung zu geben, wo es notwendig sein sollte, und der Sinn dieser Transfergesellschaft ist auch zwischen Bund und Ländern unumstritten. Frau von der Leyen, die Bundesagentur für Arbeit, aber auch die Länder sehen eine Transfergesellschaft als sinnvoll an.
Schwarz: Es gibt aber auch viele Kritiker, die sagen zum Beispiel: 30.000 Unternehmensinsolvenzen gab es im vergangenen Jahr mit mehr als 11.000 Entlassungen, da hat keine SPD nach Staatshilfen gerufen.
Schmid: Die Pleite von Schlecker ist eine der größten Pleiten in der Geschichte der Republik mit insgesamt 30.000 Beschäftigten, die in der ganzen Republik verstreut sind, das hat eine bundesweite Dimension, und deshalb ist es in der sozialen Marktwirtschaft notwendig, dass wir alle Instrumente, die wir haben – und dazu gehört eben auch eine Transfergesellschaft –, nutzen, um diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu helfen.
Schwarz: Nun sieht der Stellenmarkt im Einzelhandel ja relativ gut aus, vor allem in Ländern wie Ihrem, in Baden-Württemberg, da könnte man doch vielleicht auf die Selbstheilungskräfte der Märkte setzen und sagen, die finden schon wieder von alleine einen Job, die Mitarbeiterinnen.
Schmid: Ja, wissen Sie, die Selbstheilungskräfte der Märkte, die haben doch deutlich an Glanz verloren in den letzten Jahren, und ich meine, es ist eindeutig nachweisbar – und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg sieht es auch so –, dass die Beschäftigten von Schlecker nicht einfach im Einzelhandel unterkommen. Eine Frau, die in Teilzeit in einem kleinen Laden oder in einem Vorstadtquartier arbeitet, die wird nicht so schnell im Facheinzelhandel unterkommen, selbst wenn dort – beispielsweise in der Stuttgarter Innenstadt – Plätze frei sein sollten. Und eine Transfergesellschaft soll genau diese Vermittlung und gegebenenfalls die notwendige Nachschulung, Weiterbildung leisten, damit die Aufnahmefähigkeit des Einzelhandelsarbeitsmarktes dann auch wirklich für die Schleckerbeschäftigten zum Tragen kommen kann
Schwarz: Aber das ist doch eigentlich genau das Feld der Arbeitsagenturen, warum können die das denn nicht leisten?
Schmid: Die Arbeitsagenturen arbeiten mit Transfergesellschaften zusammen, weil Transfergesellschaften aus einer Hand und dann auch aus einem Guss für eine Region – in dem Fall für den regionalen Arbeitsmarkt hier in Baden-Württemberg – viele Beschäftigte vermitteln können. Genau deshalb gibt es ja Regeln, dass die Bundesagentur zusammen mit Transfergesellschaften tätig wird. Wir brauchen eine Struktur, eine Form, und die muss bei Schlecker dezentral über die Bundesländer verteilt sein, um diesen Qualifizierungsbedarf, Vermittlungsbedarf aufzufangen, und man muss sehen, dass viele der Beschäftigten von Schlecker Vermittlungshemmnisse haben, weil sie beispielsweise nicht so mobil sind. Und eine Weiterbewerbung aus einem festen Beschäftigungsverhältnis, das eine Transfergesellschaft anbietet, ist immer dem Sturz in die Arbeitslosigkeit vorzuziehen.
Schwarz: 70 Millionen kosten diese Bürgschaften für einen Kredit, der aus der Insolvenzmasse des Unternehmens sicher nicht gedeckt werden kann. Wer zahlt die am Ende?
Schmid: 70 Millionen braucht die Transfergesellschaft für sechs Monate. Die KfW hat sich bereit erklärt, über ein sogenanntes Zuweisungsgeschäft den Kredit zu geben, besichert durch eine Auslandstochter von Schlecker, aber die KfW will weitere Sicherheiten haben, deshalb sollen die Länder die KfW vom Risiko freistellen, und das scheint mir ein gangbarer Weg zu sein, auch ein vertretbarer Weg zu sein. Wir haben uns am Donnerstag über den Verteilungsschlüssel im Grundsatz geeinigt, jetzt brauchen wir politisch verlässliche Erklärungen aller Länder, dass sie bei der Risikofreistellung mitmachen.
Dann wäre auch Baden-Württemberg bereit, in Vorleistung zu gehen, wenn diese Zusagen da sind. Das Verfahren ist vorbereitet, wir können in Baden-Württemberg im zuständigen Ausschuss am Mittwoch eine Entscheidung treffen. Und ich bin zuversichtlich, dass spätestens nach Vorlage des PwC-Berichtes zu diesem Kredit die Länder, die ja alle auch eine Transfergesellschaft unterstützen, dann gemeinsam eine Lösung finden.
Schwarz: Das heißt, Sie würden mir zustimmen, dass die 70 Millionen letztendlich doch Staatshilfe sind, dass die nicht aus der Insolvenzmasse wieder reinkommen.
Schmid: Es ist eine Zwischenfinanzierung, nach sechs Monaten muss der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse oder aus den Erträgen des dann reduzierten Schleckerkonzerns den Kredit zurückzahlen. Es geht also nur darum, eine Überbrückungshilfe für die Transfergesellschaft zu leisten. Und ich gehe davon aus, dass PwC bestätigen wird, dass der Kredit zurückbezahlt wird, und dass er ausreichend gesichert sein wird.
Schwarz: Nils Schmid, baden-württembergischer Finanz- und Wirtschaftsminister. Danke Ihnen für das Gespräch!
Schmid: Danke auch, schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Dafür hatte sich besonders der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid stark gemacht, doch bislang konnten sich die Bundesländer nicht einigen, ob sie sich an Bürgschaften für einen 70-Millionen-Euro-Kredit beteiligen. Aber was bringt sie eigentlich, die Transfergesellschaft? Diese Frage kann jetzt Nils Schmid direkt beantworten. Guten Morgen erst mal!
Nils Schmid: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Herr Schmid, die anderen Bundesländer konnten Sie vom Sinn der Transfergesellschaften offenbar nicht alle überzeugen. Jetzt wollen Sie sogar in Vorleistung treten mit den Bürgschaften. Warum dieser politische Einsatz für ein Unternehmen, das mit seinem Konzept gescheitert ist?
Schmid: Der Einsatz gilt nicht dem Unternehmer Anton Schlecker, sondern den vielen Beschäftigten, die jetzt von der Arbeitslosigkeit bedroht sind, und wir brauchen eine Transfergesellschaft, weil das das Mittel der Wahl ist, um die Frauen bei Schlecker passgenau zu vermitteln, ihnen eine Nachqualifizierung zu geben, wo es notwendig sein sollte, und der Sinn dieser Transfergesellschaft ist auch zwischen Bund und Ländern unumstritten. Frau von der Leyen, die Bundesagentur für Arbeit, aber auch die Länder sehen eine Transfergesellschaft als sinnvoll an.
Schwarz: Es gibt aber auch viele Kritiker, die sagen zum Beispiel: 30.000 Unternehmensinsolvenzen gab es im vergangenen Jahr mit mehr als 11.000 Entlassungen, da hat keine SPD nach Staatshilfen gerufen.
Schmid: Die Pleite von Schlecker ist eine der größten Pleiten in der Geschichte der Republik mit insgesamt 30.000 Beschäftigten, die in der ganzen Republik verstreut sind, das hat eine bundesweite Dimension, und deshalb ist es in der sozialen Marktwirtschaft notwendig, dass wir alle Instrumente, die wir haben – und dazu gehört eben auch eine Transfergesellschaft –, nutzen, um diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu helfen.
Schwarz: Nun sieht der Stellenmarkt im Einzelhandel ja relativ gut aus, vor allem in Ländern wie Ihrem, in Baden-Württemberg, da könnte man doch vielleicht auf die Selbstheilungskräfte der Märkte setzen und sagen, die finden schon wieder von alleine einen Job, die Mitarbeiterinnen.
Schmid: Ja, wissen Sie, die Selbstheilungskräfte der Märkte, die haben doch deutlich an Glanz verloren in den letzten Jahren, und ich meine, es ist eindeutig nachweisbar – und die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg sieht es auch so –, dass die Beschäftigten von Schlecker nicht einfach im Einzelhandel unterkommen. Eine Frau, die in Teilzeit in einem kleinen Laden oder in einem Vorstadtquartier arbeitet, die wird nicht so schnell im Facheinzelhandel unterkommen, selbst wenn dort – beispielsweise in der Stuttgarter Innenstadt – Plätze frei sein sollten. Und eine Transfergesellschaft soll genau diese Vermittlung und gegebenenfalls die notwendige Nachschulung, Weiterbildung leisten, damit die Aufnahmefähigkeit des Einzelhandelsarbeitsmarktes dann auch wirklich für die Schleckerbeschäftigten zum Tragen kommen kann
Schwarz: Aber das ist doch eigentlich genau das Feld der Arbeitsagenturen, warum können die das denn nicht leisten?
Schmid: Die Arbeitsagenturen arbeiten mit Transfergesellschaften zusammen, weil Transfergesellschaften aus einer Hand und dann auch aus einem Guss für eine Region – in dem Fall für den regionalen Arbeitsmarkt hier in Baden-Württemberg – viele Beschäftigte vermitteln können. Genau deshalb gibt es ja Regeln, dass die Bundesagentur zusammen mit Transfergesellschaften tätig wird. Wir brauchen eine Struktur, eine Form, und die muss bei Schlecker dezentral über die Bundesländer verteilt sein, um diesen Qualifizierungsbedarf, Vermittlungsbedarf aufzufangen, und man muss sehen, dass viele der Beschäftigten von Schlecker Vermittlungshemmnisse haben, weil sie beispielsweise nicht so mobil sind. Und eine Weiterbewerbung aus einem festen Beschäftigungsverhältnis, das eine Transfergesellschaft anbietet, ist immer dem Sturz in die Arbeitslosigkeit vorzuziehen.
Schwarz: 70 Millionen kosten diese Bürgschaften für einen Kredit, der aus der Insolvenzmasse des Unternehmens sicher nicht gedeckt werden kann. Wer zahlt die am Ende?
Schmid: 70 Millionen braucht die Transfergesellschaft für sechs Monate. Die KfW hat sich bereit erklärt, über ein sogenanntes Zuweisungsgeschäft den Kredit zu geben, besichert durch eine Auslandstochter von Schlecker, aber die KfW will weitere Sicherheiten haben, deshalb sollen die Länder die KfW vom Risiko freistellen, und das scheint mir ein gangbarer Weg zu sein, auch ein vertretbarer Weg zu sein. Wir haben uns am Donnerstag über den Verteilungsschlüssel im Grundsatz geeinigt, jetzt brauchen wir politisch verlässliche Erklärungen aller Länder, dass sie bei der Risikofreistellung mitmachen.
Dann wäre auch Baden-Württemberg bereit, in Vorleistung zu gehen, wenn diese Zusagen da sind. Das Verfahren ist vorbereitet, wir können in Baden-Württemberg im zuständigen Ausschuss am Mittwoch eine Entscheidung treffen. Und ich bin zuversichtlich, dass spätestens nach Vorlage des PwC-Berichtes zu diesem Kredit die Länder, die ja alle auch eine Transfergesellschaft unterstützen, dann gemeinsam eine Lösung finden.
Schwarz: Das heißt, Sie würden mir zustimmen, dass die 70 Millionen letztendlich doch Staatshilfe sind, dass die nicht aus der Insolvenzmasse wieder reinkommen.
Schmid: Es ist eine Zwischenfinanzierung, nach sechs Monaten muss der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse oder aus den Erträgen des dann reduzierten Schleckerkonzerns den Kredit zurückzahlen. Es geht also nur darum, eine Überbrückungshilfe für die Transfergesellschaft zu leisten. Und ich gehe davon aus, dass PwC bestätigen wird, dass der Kredit zurückbezahlt wird, und dass er ausreichend gesichert sein wird.
Schwarz: Nils Schmid, baden-württembergischer Finanz- und Wirtschaftsminister. Danke Ihnen für das Gespräch!
Schmid: Danke auch, schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema bei dradio.de:
Auffanggesellschaft für Schlecker beschlossen
Ver.di begrüßt Auffanggesellschaft für Schlecker
Kommentar: Lichtblick für Schlecker-Mitarbeiter
Ver.di begrüßt Auffanggesellschaft für Schlecker
Kommentar: Lichtblick für Schlecker-Mitarbeiter