"Wir brauchen einen neuen Pflegebegriff"

Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie hat in der aktuellen Diskussion um eine Pflegeversicherungsreform einen neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit angemahnt. Soziale Bedürfnisse müssten bei Pflegefällen mehr in den Vordergrund rücken, sagte der Präsident der Gesellschaft, Professor Thomas Klie, im Deutschlandradio Kultur.
So sei es zwar richtig, dass die Koalition die Situation von Demenzkranken verbessern wolle, der wirklich große Handlungsbedarf bestehe aber bei Menschen, die alleine leben: "Diese Menschen erhalten im Schnitt in der Woche in Deutschland quer durch alle Pflegestufen nur acht Stunden Pflege und Betreuungszeit. Das ist eine Zahl, die uns aufrütteln muss."

Angesichts der guten konjunkturellen Entwicklung sei nun mehr Zeit für eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung gegeben, erklärte Klie. Bei der Ausfertigung des Koalitionsvertrags habe man noch angenommen, dass die finanziellen Reserven der Pflegeversicherungen 2008 aufgebraucht seien: "Insofern gab es kurzfristigen politischen Handlungsbedarf."

Der unmittelbare finanzielle Bedarf der Pflegeversicherungen sei jetzt aber etwas in den Hintergrund getreten, fuhr Klie fort: "Es wird erstens viel zu viel isoliert über die Finanzierung der Pflegeversicherung gesprochen und zum Anderen orientiert man sich an den Einrichtungen und Diensten, die, wenn man genau hinschaut, nur einen kleinen Teil der Gesamtversorgung der Pflegebedürftigen übernehmen." Schon heute gebe es in Deutschland andere Formen der Pflege. Er verwies auf die hohe Zahl osteuropäischer Pflegekräfte in Deutschland: "Hier zu sagen, dass das alles illegal ist und verboten werden muss, macht überhaupt keinen Sinn."